Schon im letzten Jahr sollte „Robin Hood“ im Schlosstheater Fulda Premiere feiern. Pandemiebedingt hatte man diese jedoch zunächst auf 2021 verschoben. Inzwischen wurde sie sogar auf 2022 verlegt. Aber um allen – Darstellern, Musikern und Zuschauern – die Wartezeit zu verkürzen, wurde am 6. August 2021 ein hochwertig umgesetztes Konzert gegeben, welches auch per Live-Stream ins Internet übertragen wurde.
Lediglich 200 Gäste konnten in der Orangerie des Schlosses Fulda live dabei sein, als Chris de Burgh und Dennis Martin der Welt ihr neues Werk präsentierten. An den heimischen Endgeräten jedoch wollten sich mehr als 35.000 Zuschauer dieses Live-Konzert nicht entgehen lassen.
Die Besetzung für dieses Konzert bestand aus Darstellern, die schon in vielen Stücken der Spotlight Musicals GmbH zu sehen waren, sowie Gästen, die dem Publikum durch zahlreiche andere Shows bekannt sind. Mark Seibert, Johanna Zett sowie Riccardo Greco gehörten zu den „Zugereisten“, die als Robin Hood, Lady Marian und Guy von Gisbourne auf der Bühne standen. Reinhard Brussmann, Christian Schöne, Dennis Henschel, André Haedicke und Thomas Christ wiederum sind für regelmäßige Besucher der Schlossfestspiele in Fulda bekannte Gesichter.
Dazu kamen noch 15 weitere Sängerinnen und Sänger, die an diesem Abend als Chor fungierten sowie das große Orchester unter der Leitung von Frank Hollmann. Die Bühne war also wirklich voll! Schön, so etwas endlich wieder sehen zu können!
Chris de Burgh und Dennis Martin führten von einer Couch am Bühnenrand durch den Abend und erläuterten den szenischen Hintergrund der einzelnen Songs. An Anekdoten rund um die Entstehung des Stücks wurde ebenfalls nicht gespart. Diese Moderation wirkte über weite Teile sehr hölzern und einstudiert, wurde aber durch den sympathischen Chris de Burgh wettgemacht, der auch mit 50 Jahren Bühnenerfahrung kein bisschen von seinem Charme und irischen Witz verloren hat.
Spannend ist, dass zu Beginn des Stücks die alles andere als harmonische Beziehung von Robin von Loxley und seinem Vater thematisiert wird. Reinhard Brussmann ist ein unnachgiebiger, strenger Vater, der mit seinem Sohn häufig aneinandergerät („Wie ein wahrer Loxley“). Mark Seibert, der eigensinnige Spross, hält dagegen und schließt sich aus purem Trotz den Kreuzzügen an. Dieser Robin ist alles andere als sympathisch!
Im Duett mit seiner sehr jungen Frau Marian (sie ist erst 14 Jahre alt), tritt ein anderer, mitfühlender Robin zutage. Chris de Burgh singt die erste Strophe auf Englisch, dann übernehmen Seibert und Zett.
In der Folge lernt das Publikum alle relevanten Charaktere kennen, allen voran Thomas Christ, den machthungrigen Sheriff von Nottingham, dem alles Recht ist, um seine Tochter Marian bestmöglich zu verheiraten. Der gutmütige und in diesem Stück wohl nicht ganz so schusselige Bruder Tuck wird von André Haedicke gesungen. Seine Stimme bleibt im Kopf!
Will Scarlett und auch Marian müssen sich bei „Entrechtet, geächtet“ den Anschuldigungen des Sheriffs erwehren. Henschel als Scarlett lässt aufhorchen.
Dass Dennis Martin maßgeblich für dieses Musical mit verantwortlich ist, lässt sich spätestens bei „Wie ein guter Vater“ nicht mehr verleugnen. Deutlich erinnert die Melodie an „Die Päpstin“ und „Bonifatius“. Die Kombination von E-Gitarre und Streichern gelingt sehr charmant.
Beim Duett „Ich weiß nicht, wer Du bist“ meint man zu wissen, dass der Komponist Sabrina Weckerlin vor Augen hatte, als er den Song schrieb. Doch auch Zett hat eine sehr schöne Stimmfarbe, die gut zu diesem Song passt. Zudem harmoniert sie gesanglich sehr gut mit Seibert.
Robin ist nach seiner Rückkehr sehr mit sich selbst beschäftigt („Woran kann ich noch glauben?“), doch Marian rüttelt ihn unmissverständlich wach („Du bist nicht allein auf dieser Welt“). Seibert gelingt es, sein ziemlich psyeudo-dramatisches Solo sehr dosiert über die Rampe zu bringen, so dass es nicht ins Kitschige abdriftet. Auch das finale Duett der beiden („Endlich frei sein“) unterstreicht die große Harmonie der beiden. Das klingt schon jetzt richtig gut.
Christian Schöne hat seinen großen Auftritt als fieser König John mit „Eine neue Zeit“. Kurzerhand feuert er den zögerlichen Sheriff von Nottingham und ersetzt ihn durch seinen getreuen Guy von Gisbourne. Schöne, Greco und Christ liefern sich einen sehr intensiven Austausch, wobei Schöne als Despot die überzeugendste Vorstellung gibt.
In der Folge kommt es zu der bekannten Rivalität zwischen Robin und Gisbourne, die in Grecos Solo „Ich oder Du“ gipfelt. Grecos beeindruckende Mimik lässt die Zuschauer sehr gut nachfühlen, dass er sich von König John unfair behandelt fühlt.
Die Entrechteten feiern ihren gelungenen Coup („Wir hab‘n die Kohle“) mit einem ‚Irish Jig Song‘. Warum Dennis Martin der Ansicht war, dass diese Partynummer unbedingt irisch sein musste (wenn Nottingham doch mitten im tiefsten England liegt), erschließt sich nicht. Dass Chris de Burgh diesen Song jedoch mal eben so aus dem Handgelenk geschüttelt hat, glaubt man wiederum sofort. Diese Musik liegt ihm einfach im Blut!
Statt des eigentlichen Final-Songs, den sich die Macher für die Premiere im kommenden Jahr aufheben, wurde mit „Robin Hood“ eine Ensemble-Nummer aus der Mitte des Stücks gewählt, die aber ebenfalls viel Energie freisetzt. Dass dieser Song Ähnlichkeiten mit „Fassade“ aus Frank Wildhorns „Jekyll & Hyde“ ausweist, spielt hier sicherlich eine nicht unwesentliche Rolle.
Als Zugabe erlebt das Publikum den Chris de Burgh, den es kennt: Mit „High on Emotion“ bringt er alle zum Klatschen und Tanzen. Wer kann, der kann! Und das auch noch mit bald 73 Jahren!
„Robin Hood“ als Musical-Konzert war eine willkommene Abwechslung im aktuellen Corona-Trott. Viele der Songs zünden sicherlich erst richtig, wenn sie in ihre Handlung eingebettet sind. Doch man bekommt einen guten Eindruck, was nächstes Jahr in Fulda zu erwarten ist. Die Konzert-Besetzung ist in jedem Fall sehens- bzw. hörenswert. Ob sie es auch sein werden, die im kommenden Sommer die Premiere spielen, wird die Zeit zeigen.
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Theater: Orangerie Schloss Fulda
Live-Stream: 6. August 2021
Darsteller: Mark Seibert, Riccardo Greco, Johanna Zett, Reinhard Brussmann, Christian Schöne, Dennis Henschel, André Haedicke, Thomas Christ
Regie / Musik: Dennis Martin / Chris de Burgh
Fotos: Stephan Drewianka