Das weltberühmte Edinburgh Fringe Festival stellt jedes Jahr unzählige Bühnen zur Verfügung, auf denen sich Sänger, Schauspieler, Artisten und Musiker ausprobieren können. Auch viele Musicals wurden dort erstmals vor Publikum ausprobiert, bevor sie im Londoner West End auf einer große Bühne gefeiert wurden.
Beim diesjährigen Festival bekam ich die Chance bei der Generalprobe des Chors des Edinburgh Music Theatre dabei zu sein. Die 42 Sängerinnen und Sänger haben gleich zwei Programme – „Fringe Fantasmic!“ mit Disney-Songs und „Anthems“ mit West End Musical Showstoppern – einstudiert, die sie vom 6. – 8. August 2014 in der St Andrew’s and St George’s West Church im Herzen Edinburghs aufführten.
Schon seit 1983 führt das Edinburgh Music Theatre in wechselnder Besetzung jedes Jahr Konzerte oder Musicals auf und konnte damit immer überzeugen. In diesem Jahr standen also zwei sehr unterschiedliche Highlight-Konzerte auf dem Plan.
Der erste Teil, „Fringe Fantasmic!“, nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch die Welt von Walt Disney. Von „Be our guest“ aus „Beauty and the Beast“ über „Highschool Musical“, „Aladdin“, das „Jungle Book“ und den „Lion King“, „Hercules“ und „Toy Story 2“ bis hin zum aktuellen Disney-Superhit „Let it go“ aus „Frozen“ spannen die Sängerinnen und Sänger ein buntes Band. Auch emotional fährt das Publikum Achterbahn: mal fröhlich, mal verliebt, mal energisch, mal romantisch, mal optimistisch – langweilig wird es keine Minute. Und es gibt kaum einen Song, bei dem nicht auch das Publikum sofort mitsingen und -klatschen möchte.
Hinzu kommt, dass der Chor nicht nur als Ensemble sehr gut harmoniert, sondern auch einige exzellente Stimmen unter den Amateuren zu finden sind, die für Gänsehautmomente sorgen. Um das Gesamtbild abzurunden, gibt es zum Teil recht komplexe Choreographien und Stagings, mit denen Director Christopher Cameron für ein stimmiges Gesamtbild sorgen.
Die nur dreiköpfige Band unter der Leitung von Neil Metcalfe begleitet den stimmgewaltigen Chor nach allen Regeln der Kunst. Während es im ersten Teil meist noch poppig und fröhlich zugeht, steht die Band bei den „Anthems“ vor einer wesentlich größeren Herausforderung, den die Kompositionen von Andrew Lloyd Weber oder Boublil / Schönberg sind voluminös. Doch auch diese vermeintliche Hürde wird perfekt gemeistert.
West End Hits sind pompös. Sie sind groß, beeindruckend und können musikalisch einschüchternd sein. Entsprechend wechselt das Ensemble von Jeans und bunten T-Shirts zu schwarzen Anzügen und Kleidern. „Jesus Christ Superstar“ gehört noch zu den Standards. Aber „Take that look off your face“ aus „Tell me on a Sunday“, „Tell me it‘s not true“ aus „Blood Brothers“ oder „Anthem“ aus „Chess“ sind alles andere als einfache Feel-Good-Songs. Ein sehr ausgedehnter „Phantom der Oper“-Block räumt diesem Klassiker leider zuviel Zeit ein. Doch mit „When I grow up“ aus „Matilda“ und „As long as he needs me“ aus „Oliver!“ kommen auch aktuelle West End Musicals zu Gehör. Bestechend sind die Ensemblenummern „Time Warp“, „Radio GaGa“ und „One Day More“ – diese Stücke entfalten ihre volle Wirkung erst mit einem richtig großen Chor.
Auch wenn einige Choreographien und Bewegungsabläufe (Sarah Aitken) für einzelne Chormitglieder sicherlich zu komplex waren und man vielleicht noch ein paar Stunden mehr an der optischen Synchronität hätte arbeiten können, entschädigt die gesangliche Qualität für vieles. Die Stimmung in der kleinen Kirche mit dem langen Namen war hervorragend!
Das Edinburgh Music Theatre ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Und wenn ich lese, dass sie bereits jetzt an ihrer Frühjahrsaufführung 2015 arbeiten („Chess“), werde ich sicherlich nichts unversucht lassen, mir diese anzusehen.
Michaela Flint
Darsteller: Edinburgh Music Theatre
Choreographie: Neil Metcalfe
Fotos: Katy Williams