„Life is…“ ist eine bunte Musicalrevue von und mit Hardy Rudolz. Das beliebte Ex-Phantom hat es sich mit seinem Werk zur Aufgabe gemacht, dem Publikum zu erläutern, wo die vielfältigste Theaterform ihre Wurzeln hat.
Folgerichtig beginnt er bei amerikanischen Klassikern wie „Showboat“, mischt diese mit Jazz- und Soul-Elementen aus dem Süden des Landes und kommt so zu den ersten Book-Musicals wie „Der Zauberer von Oz“.
Dann werden in atemberaubendem Tempo mehr oder weniger bekannte Musicalkomponisten und -autoren erwähnt, von denen Kurt Weill und Leonard Bernstein durch zwei eigene Songs besondere Bedeutung verliehen wird.
Zum Ende des ersten Akts befindet sich das Publikum mit der „West Side Story“ in den 50ern und damit am Geburtszeitpunkt des heute so populären Bühnenmusicals.
Während im ersten Akt Titel aus „42nd Street“ und „Crazy For You“ anklingen, sind es im zweiten Teil des Abends große Ensuite-Produktionen, die zeigen, was der Regisseur Rudolz unter „Leben“ versteht. Dazu zählt die Liebe als Leitthema, aber auch Enttäuschung und Ängste, Lernen und Erfahrungen sammeln kommen zum Tragen. Sehr angenehm und für den ein oder anderen Zuschauer überraschend mag es sein, dass Rudolz nicht nur auf bekannte Titelmelodien zurückgreift, sondern vielmehr mit wunderschönen, meist vernachlässigten, Nummern die Vielseitigkeit des Lebens an sich darstellt. Hierzu zählen der ‚Hochzeitsgesang’ aus „Les Misérables“, ‚Ein Häuschen im Grünen’ aus „Der Kleine Horrorladen“ sowie ‚Touch a Touch me’ aus der „Rocky Horror Show“ allesamt keine Ohrwürmer im eigentlichen Sinne. Auch „Mozart!“(‚Gold von den Sternen’), „Aspects Of Love“ (‚Love Changes Everything’), „Elisabeth“ (‚Zwei Boote in der Nacht’) und Sondheims „A Little Night Music“ (‚Send in The Clowns’) finden ihren Platz im zweiten Akt.
Das Ensemble, bestehend aus je drei Damen und Herren, wird lediglich von zwei Pianisten begleitet, was einigen Stücken abträglich ist, jedoch der Konsequenz von Gleichberechtigung von Musik und Gesang Rechnung trägt. Leider schaffen es nicht alle sechs Darsteller gleichermaßen, einen Vorteil hieraus zu ziehen. Charlotte Heinke singt durchgehend textsicher und überzeugend. Sie stiehlt als heimliche Leading Lady den beiden anderen Damen (Tamara Wörner und Stefanie Kock) regelrecht die Schau.
Lediglich Hardy Rudolz, der sich sympathischerweise nicht als Solist im Ensemble hervortut, und Tamara Wörner haben einige Szenen, in denen man spürt, was in den beiden Sängern steckt.
Joachim Quirin leistet auf einem anderen Gebiet des Allround-Genres gute Arbeit: Seine choreographischen Einlagen und die Anspielungen auf die Mannigfaltigkeit des Vaudeville-Theaters unterstreichen sein Talent als Entertainer.
Gänzlich blaß bleiben Stefanie Kock und Rüdiger Reschke, denen es trotz zahlreicher Soli nicht gelingen mag, das Publikum in ihren Bann zu ziehen.
Das Premierenpublikum honorierte die Leistung der sechs Künstler, verfiel aber zu Recht nicht in frenetischen Beifall. Dafür wirkte das Gesamtkonzept zu unausgegoren… Zugegeben, „Life is…“ ist eine lange überfällige Revue, die versucht, der beliebtesten Unterhaltungsform der letzten Jahrzehnte Tribut zu zollen und mit den unzähligen Vorurteilen aufzuräumen. Doch einer der Gründe, warum bisher noch niemand einen „musicalischen“ Rundumschlag gewagt hat, liegt sicherlich in der Vielseitigkeit dieses so speziellen Genres. Wo anfangen? Bei den Broadway-Shows der 20er und 30er Jahre? Oder doch erst mit der „West Side Story“ Und welche modernen Stücke müssen/können Beachtung finden? Nimmt man nur Musicalhits mit auf, die eh schon jeder kennt oder wartet man mit weniger bekannten Melodien auf und riskiert die Missgunst des Publikums?
Das sind sicherlich alles Fragen, mit denen sich auch Hardy Rudolz herumgeschlagen hat, als er aus seiner Idee, die Geschichte des Musical auf einer Bühne zu erzählen, in die Tat umsetzen wollte.
Während der erste Akt dicht und schlüssig die Anfänge des heutigen Musiktheaters nachzeichnet, ist die Unschlüssigkeit und der fehlende rote Faden im zweiten Akt deutlich spürbar. Und warum sehr viel Sondheim, Gershwin und Bernstein zu hören ist und im Verhältnis nur sehr wenig Boublil/Schönberg oder Andrew Lloyd Webber präsentiert wird, bleibt Rudolz’ Geheimnis. Nicht wenige im Publikum hätten es sicherlich begrüßt, anstatt „Mein Körper und ich“ oder dem „Vater Baby Song“ von Roberts/Pietro eine Passage aus dem „Phantom der Oper“ als Parademischform von Operette und Musical zu hören.
Das „belehrende“ Element des Abends verbleibt übrigens nicht auf der Bühne. Denn auch im Programm wird das Leitthema aufgegriffen und es gibt ausführliche Artikel zum Entstehen und der Bedeutung von Musical-Klassikern sowie ein sehr informatives Glossar, in dem die wichtigsten Fachbegriffe wie „Try-Outs“ und „Korrepetitor“ genau erläutert werden.
Michaela Flint
veröffentlicht auf musicalzentrale.de
Theater: Kammerspiele, Hamburg
Premiere: 5. September 2004
Darsteller: Hardy Rudolz, Tamara Wörner
Regie: Hardy Rudolz