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Das NDW-Party-Musical

Schon beim ersten Hören des Musicaltitels klingelt irgendetwas. Genau genommen ist es der bekannte Synthesizer-Sound der 80er Jahre, der einem sofort in Erinnerung kommt: der typische Klang der Neuen Deutschen Welle.

Genau diese Musikrichtung bestimmt den Stil von Wolfgang Adenbergs neuestem Werk. Allerdings bekommt man diese beiden Komponenten nicht auf Anhieb zusammen: Wolfgang Adenberg, der Autor und Übersetzer, der schon in so vielen Musicals sein melodisch-textliches Feingefühl bewiesen hat und NDW, die kaum harmonische Deutsch-Rock-Pop-Synti-Musik der frühen 80er Jahre? Wer denkt sich denn so etwas aus?

Tatsächlich ist es Wolfgang Adenberg selbst, der die Spaßmusik in Form eines Musicals auf die Bühne bringen wollte. Mit dem Contra-Kreis-Theater in Bonn hat er die passende Umgebung gefunden, um in gut zweieinhalb Stunden die zugegebenermaßen vollkommen an den Haaren herbeigezogenene Geschichte von Fred zu erzählen. Nicht, dass es wirklich eine Handlung mit Tiefgang gibt – das erwartet aber auch niemand vor dem Hintergrund der Neuen Deutschen Welle.

Auf dem Jupiter gibt es keine größeren Superstars als Fred und die Marinas. Niemand weiß, dass Fred all seine Hits einer abgestürzten Raumkapsel von der Erde verdankt, in der er alte Schallplatten und einen Synthesizer gefunden hat. Als dieser Synthesizer plötzlich den Geist aufgibt, steht Freds Zukunft auf dem Spiel. Also muss er eine Zeitreise ins Berlin von 1981 unternehmen, um ein neues Keyboard aufzutreiben. Die Bruchlandung im Wannsee wird von der aufstrebenden Band „Carbonara“ beobachtet, die sich aus Marcus, Tina, Andi, Erika und Hubert zusammensetzt. Die Namen der Bandmitglieder kommen nicht von Ungefähr…

Der Plot ist so unterirdisch wie die Songtexte der mehr als 20 NDW-Songs und so kommt, was kommen muss: Hubert, der Keyboarder von „Carbonara folgt der Sennerin vom Königssee auf die Alm und Fred, der zufällig auf die Gruppe stößt, ersetzt ihn. Und das sogar sehr erfolgreich – sehr zum Leidwesen von Bandleader Marcus und zur ausgesprochenen Freude von dessen Backgroundsängerin und (Ex-)Freundin Tina.

Es kommt zu Eifersüchteleien, Neid und verletztem Stolz bei allen Beteiligten. Am Ende wendet sich jedoch alles zum Guten: Fred fliegt mit Tina und der verbliebenen Marina zum Jupiter zurück. Die zweite Marina bleibt bei Marcus, der sich Hals über Kopf in sie verliebt hat und „Carbonara“ landet einen Hit nach dem anderen.

Im Mittelpunkt dieser wirklich völlig abstrusen Story steht Leon van Leeuwenberg als Fred, der mit Charme, einer gehörigen Portion Komik und herrlich roboterhafter Gestik seine Rolle als Außerirdischer gut ausfüllt. Seine vielseitig einsetzbare Stimme findet sich auch in den schrägen Melodien der Neuen Deutschen Welle zurecht. Elisabeth Ebner liefert als Tina eine solide Leistung ab, dreht aber leider erst zum Finale mit „99 Luftballons“ so richtig auf.

Als Marcus, der die meiste Zeit sehr wenig Spaß hat, kann Marko Formanek kaum etwas von seinem gesanglichen Talent zeigen. Zudem haftet das Buddy-Image auch hier an ihm: Er trägt doch tatsächlich Schnabelschuhe, die problemlos aus dem „Buddy Holly“-Fundus stammen könnten.

Caroline Kiesewetter und Tobias Fries geben als Erika und Andi eine tolle Rhythmusgruppe ab. Alle Instrumente werden von den Darstellern live gespielt, was das NDW-Gefühl noch authentischer macht.

Regina Mück und Susanne Hanke machen sich als nervtötende Fred-anbetende Marinas sehr gut und sorgen für viele Lacher im Laufe des Abends. Bleibt noch Daniel Große Boymann, der als schuhplattlernder Hubert nicht nur optische, sondern vor allem beim Finale auch stimmliche Akzente setzt.

„Fred vom Jupiter“ wurde von Horst Johanning (Regie) und Pit Fischer (Bühnenbild) charmant und mit den einem kleinen Theater zur Verfügung stehenden Mitteln originell umgesetzt. Zu keinem Moment kommt Langeweile auf, die Kostüme sind absolut 80er-like und so kann sich eigentlich niemand beschweren.

Die Dialoge von Wolfgang Adenberg sprühen vor Selbstironie und sind top-aktuell („Welcher Idiot kommt schon auf die verrückte Idee und würde Queen-Songs ins Deutsche übersetzen?“). Auch wenn die Witze manchmal Kalauercharakter haben und in anderem Zusammenhang als Negativpunkt auffallen würden, bei dieser Show passt das niedrige Niveau perfekt.

„Fred vom Jupiter“ hält, was der Titel verspricht: Ein Gute-Laune-Abend mit seichter Unterhaltung bei dem Mitsingen und -klatschen unbedingt und zu jedem Zeitpunkt während der Vorstellung erwünscht ist. Bei diesem Musical stimmt zudem das Preis-Leistungsverhältnis. Was will man mehr!

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Contra Kreis Theater, Bonn
Besuchte Vorstellung: 4. März 2005
Darsteller: Leon van Leeuwenberg, Marko Formanek
Buch / Regie: Wolfgang Adenberg / Horst Johanning