home 2003 Das Beste was Musicals in Deutschland zu bieten haben

Das Beste was Musicals in Deutschland zu bieten haben

Unter diesem Titel präsentierte die Stage Holding das Beste, was ihre Produktionen hergaben. Zumindest wurde vollmundig angekündigt, dass in der Köln Arena „die bekanntesten und größten Highlights der erfolgreichsten Musicals unserer Zeit in absoluter Top-Besetzung“ präsentiert werden sollten. 100 Künstler waren angekündigt, darunter ein 30-köpfiges Orchester und die Stars der einzelnen Produktionen.

Allerdings war das, was geboten wurden, dass letztlich nur als Mittelklasse einzustufen. In knapp 30 Songs wurden mehr oder weniger bekannte Stücke der Stage Holding International beworben. Darunter waren allein vier Stücke aus „Mamma Mia!“ sowie je zweimal „Der König der Löwen“ und „Elisabeth“. Das diese Selbstgänger noch einer so intensiven Werbung benötigen, erscheint im Rahmen einer Best Of-Gala etwas unangebracht.

Stücke wie „Tanz der Vampire“, „42nd Street“ oder „Les Misérables“, die allesamt über ausreichend Hitpotential verfügen, wurden mit je einem Song abgespeist. Da erstaunte es sehr, dass „Aida“ – ebenfalls eher als Problemkind der Stage Holding – gleich mit drei Songs vertreten war.

Allerdings verwunderte sowohl die Auswahl der Songs als auch die Besetzung. Warum singt nicht Zoser-Erstbesetzung Kristian Vetter „Eine Pyramide mehr“, sondern Drew Sarich (dessen Leistung allerdings tadellos war und sehr beeindruckte)? Warum wurde nicht Amneris’ Paradestück „Mein Sinn für Stil“ präsentiert – immerhin war Maricel ja Bestandteil der Gala? Und wo war die neue Aida Judith Lefeber? Stattdessen mühte sich Ana Milva Gomes mit der Vertretung ab. Hätte man dafür nicht vielleicht Florence Kasumba einsetzen können? Immerhin hat sie diese Rolle zwölf Monate lang gespielt.

Und ob Stücke wie „Gypsy“, „Smokey Joe’s Café“ oder „Copacabana“ wirklich zu den erfolgreichsten Musicals unserer Zeit zählen, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Genug der Kritik. Immerhin hatte diese Gala auch einiges positives zu bieten: Uwe Kröger brillierte als Tod aus „Elisabeth“ genauso wie als Kardinal Richelieu aus „3 Musketiere“. Dass diese Rolle zur Deutschlandpremiere ab 3. April 2005 von Uwe Kröger gespielt werden würde, stand bereits lange vor der Gala fest. Jedoch konnte sich das Publikum davon überzeugen, dass ihm der machthungrige Kardinal gut zu Gesicht steht. In zwei weiteren Stücken aus dem holländischen Erfolgsmusical „3 Musketiere“ stand Felix Martin als D’Artagnan im Mittelpunkt. Mit viel Energie und Leidenschaft verkörperte er den Möchtegern-Musketier und macht Lust auf mehr. Dennoch ist sicher, dass der sympathische Künstler die Vampire in Hamburg ein weiteres Jahr als alternierender Graf anführen wird. Die Rolle des jugendlichen Draufgängers, der nicht nur den Respekt der drei Musketiere, sondern auch das Herz von Constanze erobert, wird der ehemalige alternierende „Aida“-Radames Patrick Stanke spielen.

Von den „Stars“ der neun großen deutschen Musicalproduktionen war nur ein Bruchteil anwesend: Thomas Borchert wurde immerhin durch Felix Martin vertreten. Jessica Kesslers Part bei „Totale Finsternis“ übernahm Maricel, der die Rolle des jungen Mädchens jedoch nicht wirklich zu liegen schien. Isabel Dörfler stand stellvertretend für ihre Kollegen von „42nd Street“ auf der Bühne. Jasna Ivir und Carolin Fortenbacher repräsentierten die beiden „Mamma Mia!“-Ensembles. Von „Les Misérables“ war außer Uwe Kröger niemand mit von der Partie. Lediglich aus „Starlight Express“ reisten mit Bernie Blanks und Lothair Eaton die beiden Erstbesetzungen an.

Darüber hinaus ging die Besetzung der Rollen teilweise recht seltsame Wege: Maricel lieferte mit „Nur für mich“ eine genauso wenig überzeugende Leistung ab wie Carolin Fortenbacher als Grizabella oder die junge Muse des Phantoms der Oper. Und ob Jasna Ivir als Elisabeth mit „Ich gehör nur mir“ wirklich glücklich war?

Die wirklichen Highlights waren – neben der gelungenen Präsentation von vier Stücken aus „3 Musketiere“ – die kurzen Sequenzen, die sich die Darsteller scheinbar selbst ausgesucht hatten. So zog Isabel Dörfler beim Titelsong von „Cabaret“ alle Blicke auf sich und auch „Hello, Dolly!“ mit Carolin Fortenbacher als Titelfigur war gefällig inszeniert. Den aufreizendsten Auftritt hatte jedoch Felix Martin als Frank’N’Furter mit „Sweet Tranvestite“. In dieser Rolle hatten ihn sicherlich die wenigsten der rund 14.000 Zuschauer pro Show vermutet. Genau solche Schmankerl sind es, die ein Publikum von einer Best Of-Gala erwarten können muss!

Drew Sarich hatte sichtlich Spaß daran, dem Publikum einen Ausblick auf das vielleicht doch noch irgendwann zu Bühnenreife gelangende Scorpions-Stück „Wind of Change“ zu präsentieren, und rockte „Like a Hurricane“ über die Bühne.

Jasna Ivir schlüpfte für die Gala noch einmal in die Rolle der Rosie. Sie lieferte zusammen mit Moderator Sebastian Deyle und „Komm und wag’s mit mir“ eine der lustigsten Nummern des Abends ab.

Generell war der zweite Akt viel straffer und abwechslungsreicher zusammengestellt als der erste. Aber ob „Best of 2004“ sich in dieser Form für eine Tour oder Fortsetzung anbietet? Sicherlich nicht. An der Umsetzung gab es nichts zu mäkeln, denn Ton, Licht und Inszenierung waren durchweg gut. Doch die Ankündigungen der Stage Holding ließen wesentlich mehr erwarten. Hinzu kommt, dass die Eintrittspreise von bis zu 70 € die Erwartungen sicherlich zusätzlich nach geschraubt hatten. Im Großen und Ganzen jedoch, hielt die Leistung nicht das, was Preis und Werbung versprachen.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Color Line Arena, Hamburg
Besuchte Vorstellung: Dezember 2003
Darsteller: Carolin Fortenbacher, Jasna Ivir, Maricel, Felix Martin, Drew Sarich
Fotos: Stage Holding