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Contact

Die erst im Oktober 2002 aufgesetzte Dance-Show »Contact« wird nur noch wenige Wochen im West End zu sehen sein. Die erste Londoner Co-Produktion der holländischen Stage Holding ist allerdings auch eher für ein spezielleres Publikum geeignet. Denn bei diesem Stück steht der Tanz als Form der Kontaktaufnahme im Mittelpunkt. Etwas befremdlich mag es daher auch erscheinen, dass die Musik im Queen’s Theatre vom Band kommt und das Ensemble auf der Bühne so gut wie gar nicht singt.

Das amerikanische Erfolgsstück beschreibt in drei voneinander unabhängigen Geschichten mögliche Arten des zwischenmenschlichen Kontakts. Die erste Szene heißt „Die Schaukel“ und basiert auf einem Gemälde von Jean-Honoré Fragonard aus dem 18. Jahrhundert. Ein Diener und sein Herr buhlen in dieser erotisch-frivolen Szene um eine wunderschöne junge Frau.

Szene 2 – „Hast Du Dich bewegt?“ – entführt das Publikum in ein italienische s Restaurant im New Yorker Stadtteil Queens im Jahr 1954. Die sehr unglücklich verheiratete Protagonistin flüchtet sich vor ihrem herrischen Ehemann in eine romantisch-komische Traumwelt. Dort tanzt sie als Primaballerina mit den anderen männlichen Restaurantgästen und flirtet vor allem mit den Kellnern zu großen Melodien von Tschaikowsky, Grieg und Bizet. Zwischendurch wird sie immer wieder durch die penetrante Frage ihres Mannes, ob sie sich bewegt habe, in die Gegenwart zurück katapultiert und muss sich mit ihrem traurigen Dasein abfinden.

Der Grund für den Erfolg des Stücks in den USA ist wohl der zweite Akt – „Kontakt“- der im heutigen New York spielt. Es wird die Geschichte von dem Werbefachmann Michael Wiley (erfrischend natürlich gespielt von Michael Praed) erzählt, der in seinem Privatleben so unglücklich ist, dass er sich trotz beruflicher Erfolge und gewonnener Trophäen das Leben nehmen möchte.

Auf wundersame Weise findet er sich in einem Nachtclub wieder, wo er sich in eine attraktive junge Frau in einem gelben Kleid (dargestellt von der atemberaubenden Leigh Zimmerman) verliebt, deren Herz er erobern möchte.

Der Weg zu seiner Herzdame führt aber nur über das Tanzen, dass der Hauptdarsteller von den im Nachtclub tanzenden Paaren eindrucksvoll vorgeführt bekommt. Zur Musik von Benny Goodman, den Beach Boys oder Robert Palmer bewegt sich das 13-köpfige Ensemble in verschiedensten Formationen – mal verspielt, mal provokant sexy — über die Bühne.

Susan Stroman zeichnet für die Choreographie dieser Inszenierung verantwortlich und äußerte in einem Interview die Hoffnung, dass das Stück von John Weidman das Publikum zum Tanzen anregen würde. Diesen Wunsch erfüllt ihr ein tanzorientiertes Publikum, das auf lange Handlungsstränge, Dialoge und Gesang verzichten kann, sicherlich gern.

Für den großen Rest stellt diese fulminate Tanzshow sicherlich nicht das Idealbild eines Musicals dar. Und die Tatsache, dass »Contact« nach nur sieben Monaten schon wieder abgesetzt wurde, deutet darauf hin, dass dieser Rest die Mehrheit des potentiellen Musicalpublikums im West End darstellt.

Aber neben neu inszenierten „alten“ Stücken und nur auf Kommerz ausgelegten Popmusicals birgt London auch ein großes Potential an neuen Musicals, die in so genannten Showcases in Off West End Theatern einem kleinen Publikum präsentiert werden. Ein solche „Test-Aufführung“ fand Mitte April für »Shadowless«, dem neuesten Werk von Jungkomponist Alexander S. Bermange, im Bridewell Theatre statt.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Queen‘s Theatre, London
Besuchte Vorstellung: März 2003
Darsteller: Michael Praed, Leigh Zimmerman
Choreographie: Susan Stroman
Fotos: Stage Entertainment UK