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Chanson d’Amour

Gérard Depardieu als Sänger – Wagnis oder Erfolg?

In Cannes wurde die bittersüße Komödie „Chanson d’Amour“ gefeiert. Glaubt man den aktuellen Rezensionen der Kino-Presse kann sich der Zuschauer in dieser ungewöhnlichen Romanze verlieren. Aber reicht allein Gérard Depardieu als Zugpferd, um einen Film, der in einem in Deutschland eher unüblichen Genre – den Chanson-Ballhäusern – spielt, zum Erfolg zu führen? Auf jeden Fall machte die Ankündigung, Gérard Depardieu singen zu hören – er ließ es sich nicht nehmen selbst zu singen – sehr neugierig.

Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Der Ballhaussänger Alain Moreau (Gérard Depardieu) verliebt sich in die junge Maklerin Marion (Cécile de France). Die fühlt sich zwar geschmeichelt und beide verbringen auch eine gemeinsame Nacht, doch mehr gibt sie von sich nicht preis und erlebt das Publikum mit, wie der alternde Sänger zunächst wie ein Gockel um die junge Frau herumstolziert und versucht, ihre Liebe zu gewinnen, um dann um so tiefer in ein Loch zu fallen als er merkt, dass seine Liebe nicht erwidert wird.

Der Verleih beschreibt den Film so: „Mit Blicken, Gesten und Liedern erzählt er von der tiefen Verbundenheit zwischen einem Sänger und einer  jungen Frau, von der aufkeimenden Liebe zweier ungleicher Menschen, die weder lebbar noch in Worte zu fassen ist.“ Das trifft es ziemlich genau, denn das Gesehene in Worte zu fassen ist reichlich kompliziert.

Da ist zum einen der wieder bei Obelix-Ausmaßen angekommene Gérard Depardieu, der seine Rolle sehr authentisch spielt: Man freut sich mit Alain Moreau über jede noch so kleine Aufmerksamkeitsbekundung der Angebeteten; man leidet mit ihm, weil sie ihn nicht erhört. Schlussendlich hat man aber nur noch Mitleid mit dem Sänger, dem sein Leben komplett zu entgleiten scheint, nachdem auch seine Ex-Frau ihm eröffnet, dass wieder heiraten wird und er sich – demotiviert und perspektivlos – in den Alkohol flüchtet.

Gerettet wird er von der jungen Maklerin Marion, die aber zugleich auch Ursache für den Absturz ist. Cécile de France kommt sympathisch daher, allerdings wirkt ihre Figur doch zu sehr hinter dem Schutzwall aus früheren Verletzungen verschanzt. Nur in den Szenen mit ihrem kleinen Sohn zeigt sie tiefe Gefühle, ansonsten wirkt sie kalt, fast gleichgültig und scheint sich keine Gedanken über ihre Umwelt zu machen.

So unterschiedlich die beiden Darsteller und die Welten, in denen ihre Leinwandrollen zuhause sind, so unwahrscheinlich erscheint es, dass sich hier eine wirkliche Liebe entwickelt. Eine Freundschaft nimmt man dem ungleichen Paar gern ab.

Auch das damit verbundene Vertrauen ist zu spüren. Doch Liebe? Nein, nicht wirklich. Auch das Ende, wenn Marion, nachdem sie sich von Alain verabschiedet und ihm schon den Rücken gekehrt hat, doch noch einmal zurückkommt und beiden in einem innigen Kuss zum Finalsong versinken, vermag keine optimistischen oder gar euphorischen Gefühle für dieses Paar zu wecken.

Das Haupt-Manko dieses Films ist, dass mit Ausnahme von Alain Moreau kein Charakter soweit vorgestellt wird, dass man eine Beziehung zu ihm aufbauen könnte. Man versteht nicht, warum Marion sich so gefühlskalt gibt, warum sie sich von ihrem Sohn und dessen Vater getrennt hat, sie plötzlich mit ihrem Chef ins Bett geht. Genauso wenig lichtet

sich das Dunkel um die Scheidung von Moreau und dessen Frau, die aber weiterhin seine Agentin bleibt und einen neuen Mann an ihrer Seite hat, doch trotzdem mit ihrem Ex-Mann schläft. Das ist verwirrend? Ja, richtig. Wir blicken da auch nicht wirklich durch.

Einzig Alain Moreau wird vielschichtig skizziert: Er liebt seinen Job, auch wenn andere ihn wahrlich nicht darum beneiden, vor alten Vetteln oder bei Hochzeiten zu singen. Er führt ein Einsiedlerleben, obwohl er ein zutiefst romantischer und anlehnungsbedürftiger Mensch ist. Seine naiven Bemühungen um die junge Marion lassen ihn auch musikalisch aufblühen, er schöpft wieder Hoffnung und Lebenskraft. Doch der Sturz in die Gleichgültigkeit gegenüber seiner Musik und die Liebe zum Alkohol, dem er zuvor erfolgreich widerstanden hat, auch wenn alle um ihn herum gefeiert haben, machen ihn am Ende zu einem gebrochenen Mann. Gérard Depardieu vermag es, all diese Facetten glaubhaft zu zeigen.

Die Musik spielt in diesem Film eine wichtige Rolle – verdient doch der Hauptdarsteller seinen Lebensunterhalt mit Auftritten in Clubs und Bars als Chanson-Sänger. Die Welt des Chansons ist sehr speziell, in leichten Ansätzen vielleicht vergleichbar mit den deutschen Schnulzensängern der 60er und 70er Jahre. Man belächelt sowohl die wenig originellen Melodien, als auch die noch weniger kreativen Texte, die Gérard Depardieu in den Mund gelegt bekommt. Doch der gemütliche Franzose singt sich tapfer durch den Film, auch wenn seine gesanglichen Fähigkeiten noch ausbaufähig sind.

Alexandre Desplat hinterlässt in „Chanson d’Amour“ keine mitreißenden Melodien oder gar einen Ohrwurm, den man vor sich hinsummen könnte, obgleich er schon seit Jahrzehnten erfolgreich Filmmusiken komponiert. Für den Soundtrack von „The Queen“ war er in diesem Jahr sogar für den Oscar nominiert.

Um die Eingangsfrage zu beantworten: Es Liebesfilm kann nicht allein von einem Darsteller getragen, auch wenn dieser Gérard Depardieu heißt. Insofern ist dieser musikalische Film nicht wirklich mehr als ein netter Versuch, ein in Frankreich beliebtes Genre auf der Leinwand zu ehren.

Michaela Flint

veröffentlicht in blickpunkt musical
Ausgabe 02/07, März-April 2007

Regie: Xavier Giannoli
Darsteller: Mathieu Amalric, Cécile de France, Gérard Depardieu
Musik: Alexandre Desplat
Verleih / Fotos: Prokino Filmverleih
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