Celtic Tiger

Im ersten Akt werden historische Ereignisse wie die Unterdrückung der Bevölkerung durch die Kirche, die Konfessions-revolten und den unbändige Freiheitsdrang der Iren in den Mittelpunkt gestellt. Natürlich fehlt auch der irische Nationalheilige St. Patrick nicht, der ganz Irland im 5. Jahrhundert zum christlichen Glauben bekehrte. So ganz nebenbei soll er die Insel von allen Schlangen befreit haben, die sich bei „Celtic Tiger“ auf der Bühnenleinwand bedrohlich zischend räkeln.

Die beklemmenste Szene im ersten Akt ist „Bloody Sunday“, in der ein junger Fußballspieler durch einen herannahenden Panzer bedroht wird, der – natürlich als Leinwandprojektion – tatsächlich abfeuert. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so geschockt und ergriffen waren die Zuschauer.

Auf eine komplett andere Art mitgenommen wurde das Publikum durch „A Nation Once Again“ – das Finale des ersten Akts. Das Lied der irischen Freiheitskämpfer motivierte im Publikum befindliche Iren zum Aufstehen und andächtigen Mitsingen. Das ist Patriotismus pur.

Im zweiten Akt wird das moderne, unabhängige Irland gefeiert. Der Einfluss irischer Auswanderer auf der ganzen Welt wird dargestellt und dabei der Schwerpunkt Amerika, als Hauptziel irischer Auswanderer, besonders deutlich hervorgehoben. Hier sind durchaus auch autobiographische Elemente zu spüren, denn auch Michael Flatley wuchs als Sohn irischer Auswanderer in Amerika auf und lernte von dort aus seine irischen Wurzeln schätzen.

Michael Flatley hat die Show nicht nur kreiert und die Choreographie dazu erdacht, er tanzt auch trotz seines stattlichen Alters von inzwischen 48 Jahren viele Szenen und Soli mit. Allerdings hinterlässt die Zeit auch Spuren an dem brillanten Tänzer, daher beschränken sich seine Auftritte auf wenige eindrucksvolle Szenen, in denen er als Schauspieler nur wenig tanzt. Doch wenn er, wie beispielsweise beim Finale, sich selbst und sein riesiges Tanzensemble an die äußersten Grenzen treibt, tobt das Publikum. Flatley hat eine mitreißende Ausstrahlung, die darüber hinwegblicken lässt, dass es ihm in einigen Szenen an Spritzigkeit fehlt. Doch auch Flatley sei zugute gehalten, dass die seit einem Jahr andauernde Welttournee von „Celtic Tiger“ an den körperlichen Reserven zehrt.

Die wunderschönen Landschaftsbilder Irlands, die im Hintergrund der Tänzer auf eine Leinwand projiziert werden, die abwechslungsreichen Kostüme und die anspruchsvollen Choreographien, mal mit mal ohne Steppschuhe, sorgen für ein neues Show-Highlight irischer Tanzshows. Auch wenn die Musik nicht ganz so eingängig ist, wie bei „Lord of the Dance“, was vor allem an den wenig vorhandenen folkloristischen Elementen liegt, passt sie perfekt zu den jeweiligen Szenen. Und wenn zwei spärlich bekleidete Violinistinnen und ein mit einer Querflöte „bewaffneter“ Michael Flatley die Bühne betreten („Celtic Fire“), hält es niemanden mehr auf den Sitzen.

Dass das Finale die USA als Retternation und Land der unbegrenzten Möglichkeiten hochleben lässt, erscheint vor aktuellen politischen Hintergründen mehr als deplaziert, ist aber historisch für viele Iren sicherlich nachvollziehbar. Dennoch wäre auch hier sicherlich etwas weniger mehr gewesen.

Neben einem so noch nicht da gewesenen Indoor-Feuerwerk waren es die Tänzerinnen und Tänzer, die neue Standards setzten. Natürlich fehlte auch die etwas andere „lange Reihe“ nicht, die immer und überall mit Michael Flatley assoziiert wird.

„Celtic Tiger“ zeigt erneut die Kreativität und das Feingefühl von Michael Flatley bei der Ausarbeitung einer abendfüllenden Irish Dance Show. Ob „Celtic Tiger“ den Kultstatus von „Lord of the Dance“ wird toppen können, muss abgewartet werden. Potential dafür ist jedoch reichlich vorhanden. Die DVD zur Show ist jedenfalls bereits seit April im Handel erhältlich.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Color Line Arena, Hamburg
Premiere: 28. November 2006
Darsteller: Michael Flatley
Fotos: Marek Lieberberg Konzertagentur GmbH