Nach „Caveman“ und „Cavewoman“ war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch eine schwule Version des heiteren Spiegelvorhaltens und Vergleichens von Klischee und Realität gibt. Seit 25. Oktober 2012 wird daher folgerichtig mit „Cavequeen“ das Leben von Otto-Normal-Homosexuellen mit einem Augenzwinkern vor einem erwartungsvollen Publikum ausgebreitet.
Otto Normal heißt hier allerdings Sven Bömmel und ist der beste Freund von Heike, genau der Heike, die Caveman Tom mit ihren Launen und Eigenarten in die Verzweiflung treibt. Sven wacht am Morgen nach einer offenbar rauschen Party anlässlich seines 40. Geburtstags splitterfasernackt in seinem Vorgarten auf. Neben einem Kater und der Frage wo seine Klamotten geblieben sind, sieht er sich zudem mit einem eifersüchtigen Freund konfrontiert, der ihm die Wohnungstür nicht öffnet und jegliche Kommunikation eigestellt hat. Und dann kündigt sich auch noch Mama zum Kaffeebesuch an…
Das Bekleidungsproblem ist schnell gelöst: Sven klöppelt sich einfach aus einer Zeitung ein äußert ansprechendes Ensemble aus Boxershorts und Trägershirt. Frustriert und mit zahlreichen Fragezeichen im Kopf stellt er sich die unvermeidliche Frage nach dem Sinn… Welch ein Glück, dass ihm die Antworten von Cavequeen, der „Urschwuppe aus der Ursuppe“ dargeboten werden.
Wir lernen, dass nicht alle Homosexuellen automatisch auch Sinn für Stil oder gar Interesse daran haben „Popos pimpern und sich gut anziehen sind nicht auf demselben Chromosom gespeichert!“). Wir hören von Gaysus, auf den sich viele gängige Schwulen-Klischees vereinigen lassen. Wir werden aufgeklärt, dass sich viele Frauen ihren „Personal Homo“ leisten, um mit ihm auf Veranstaltungen zu glänzen. Wir erfahren, dass auch das beste „Gaydar“ nicht immer 100 % zuverlässig Heteros und Homos unterscheiden kann. Außerdem räumt Sven mit dem Vorurteil auf, dass alle Schwulen Marianne Rosenberg anbeten und gesteht, dass Homosexuelle zwar sexuell sehr aktiv sind, deshalb aber noch lange nicht in epischer Breite über die Details berichten mögen. Über die offiziell nicht vorhandenen homosexuellen Profi-Fußballspieler hingegen, lässt sich Sven gern aus und schlägt damit problemlos die Brücke zu ernsteren Themen zu denen auf die ewig Gestrigen gehören, die nicht müde werden, homosexuelle Paare zu fragen, wer von beiden denn die Frauenrolle übernimmt.
Wie in den beiden heterosexuellen Vorlagen gezeigt, lachen wir alle gern über uns selbst und zwischenmenschliche Beziehungen liefern hierfür reichlich Anlass. Warum sollte das bei „Cavequeen“ also anders sein? Auch hier gibt es unzählige Vorurteile, Klischees und Problemchen, die sich humorvoll aufbereiten lassen.
Mit Nik Breidenbach wurde die ideale Besetzung für die schwule Plaudertasche Sven gefunden: Mal überdreht, mal zickig, dann plötzlich tiefsinnig und berührend, kommt er unglaublich sympathisch und authentisch über die Rampe. Breidenbach verschmilzt mit der Figur Sven und unweigerlich fragt man sich, wieviel von ihm selbst in dieser Rolle steckt. Wunderbar auch, wie er das Publikum mit einbezieht und so eine Nähe schafft, die man im Theater selten verspürt. Corny Littmann zeigt hier einmal mehr sein Fingerspitzengefühl als Regisseur und lässt seinem Schauspieler viel Raum, eigene Ideen einzubringen.
Buch und Texte von Mirko Bott, Mark Needham und Heiko Wohlgemuth sind kreativ, witzig und viele Sprüche erreichen das Publikum. Wenn Sven von schwulen Pinguinpaaren berichtet, die anstelle von Eiern Steine ausbrüten, löst dies genauso das gewünschte Bedauern aus wie seine Erzählungen vom Coming-Out, mit dem er seine Mutter weit weniger überrascht hat als erwartet.
Im Gegenteil, Svens Mutter geht mit der Homosexualität ihres Sohns fast schon zu offensiv um, was bei den Zuschauern die anstrebten Lacher erzielt.
Das Haar in der Suppe sind die so genannten Schwulenhymnen „I am what I am“, „In the Navy“ und „I will survive“, die szenisch großartig umgesetzt sind (Natürlich würde eine reine Schwulenarmee den Weltfrieden erhalten können!), aber leider sehr unsauber intoniert sind. Dass Nik Breidenbach singen kann, muss er nicht beweisen, also scheint die besondere Präsentation der Songs, die mehr gebrüllt als gesungen werden, gewollt. Diese Entscheidung kann jedoch nur bedauert werden.
In Sachen Kostüme bewegt sich „Cavequeen“ auf Minimalniveau: Der Zeitungszweiteiler mit Kapuzenjacke sowie Zebra High Heels reichen die meiste Zeit. Doch das Flamenco-Kleid von Cavequeen mit modischem Knochenhut und die glitzernde Silberrobe für die finale Milva-Parodie sind sehr sehenswert! Zudem macht Nik Breidenbach darin eine außerordentlich gute Figur.
„Cavequeen“ ist eine Bereicherung der Theaterwelt. Das Publikum lacht viel, singt und klatscht und denkt doch auch über einige Stereotype nach, von denen sich keiner wirklich gänzlich freimachen kann. Danke, dass diese Wissenslücke über unsere Vorfahren in Höhlen nunmehr geschlossen wurde.
Michaela Flint
Premiere: 25. Oktober 2012
Darsteller: Nik Breidenbach
Fotos: Oliver Fantitsch