Das Ohnsorg-Theater ist eine Institution in Hamburg. Nicht zuletzt durch Heidi Kabel und die TV-Übertragungen unzähliger Stücke ist das kleine Theater auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Doch hätte man dieses Haus je für Musicals auf dem Zettel gehabt? Wohl eher nicht…
Aber es funktioniert bestens! Selbstredend wird dort jedoch nicht eine x-beliebige Inszenierung des Musical-Klassiker „La Cage aux Folles“ gezeigt. Nein, Hartmut Cyriacks und Peter Nissen haben sich des Stoffs angenommen und ihn Wort für Wort ins Plattdeutsche übertragen. Und Wort für Wort heißt wirklich jedes Wort: Sowohl die Dialoge als auch die Songtexte sind auf Plattdeutsch. Wer das Stück nicht kennt und kein Platt versteht, wird abgehängt. Und da muss ich mich leider auch outen: Obwohl mit ganzer Seele und von Geburt „Hamburger Deern“ habe ich höchstens 50 % verstanden. Das war mir durchaus unangenehm. Ein Hoch auf Institutionen wie das Ohnsorg-Theater, die unsere wunderbaren alten Dialekte und Sprachen pflegen und für junge Generationen zugänglich machen! Und wie kann man sich unbekannten Themen besser nähern als mit Musik oder in diesem Fall Musical?
Mit Hardy Rudolz hat man einen (nicht nur) in Hamburg seit Jahrzehnten bekannten Darsteller für die Rolle des Georg verpflichtet. Als Alwin steht Erkki Hopf auf der Bühne, den regelmäßige Besucher des Ohnsorg-Theaters aus verschiedenen Stücken kennen.
Ihr Diener Jakob wird von Nils Owe Krack gegeben und erinnert mehr als nur vage an Agador (Hank Azaria) aus „The Birdcage“ mit Nathan Lane und Robin Williams. Sein Habitus ist wunderbar schräg und er agiert wunderbar zickig. Das Liebespaar, Jan-Michael und Anne, an dessen anstehender Hochzeit sich die ganze Aufregung entzündet, wird von Christian Richard Bauer und Arja Sharma gespielt. Annes Eltern wiederum gehören zum Haus: Wolfgang Sommer und Edda Loges standen schon in zahlreichen Ohnsorg-Stücken auf der Bühne.
Was dem Zuschauer als erstes ins Age sticht, ist die kleine feine Drehbühne (Félicie Lavaulx-Vrécourt), mit der im Handumdrehen drei komplett unterschiedliche Welten erschaffen werden: Die Bühne von Georgs und Albins Club, Albins Garderobe und das heimische Wohnzimmer des Paares. Das Bühnenbild drängt sich nicht in den Vordergrund, setzt aber genau die richtigen Akzente. Die Stufe hinter dem Sofa ist perfekt für Albins ausschweifende Monologe.
Die Kostüme (Frank Thannhäuser) schwanken zwischen witzig, zweckmäßig und trashig. Sie haben viel BlingBling und Schischi – aber genau diese Mischung findet man auch in jedem Nachtclub.
Mit Rudolz und Hopf stehen starke Charaktere auf der Bühne, das mag erklären, warum auf die Choreographien nicht so viel Wert gelegt wurde. Auch wenn beispielsweise der Tanz von Georg und Alwin charmant und voller Liebe ist, wirken die Tanzszenen im Allgemeinen etwas altbacken. Beim Titelsong „Dat Narrenhuus“ bietet das Ensemble ausnehmen trashige CanCan-Tänze dar.
Darüber blickt man jedoch gern hinweg, wenn man den Altmeister Rudolz mit dem Jungspund Bauer gemeinsam singen hört. Weder hat Rudolz etwas von seinem Gesangstalent eingebüßt, noch muss sich Bauer verstecken. Mit seinem klaren, sauberen Tenor lässt er allemal aufhorchen.
Leider verfügt Hopf nicht über eine so trainierte Stimme. Er singt eher gepresst, mit einer leichten Tendenz zum Sprechgesang, weshalb beispielsweise „Ik bün, wat ik bün“ auch nicht als der Showstopper rüberkommt, der er sonst ist. Dafür ist er ein exzellenter Schauspieler: Wenn er Georgs „männlichen“ Gang nachahmen soll oder ihm beigebracht wird, wie „Mann“ richtig sitzt, ist das schreiend komisch. Auch wenn Jakob in schönster „Dinner for One“ Manier sein Kellnertalent zum Besten gibt, ist das Gelächter groß.
Die gesamte Inszenierung von Frank Thannhäuser erinnert mehr an den Film „The Birdcage“ als an das tatsächliche Musical von Harvey Fierstein. Das Kaffeegeschirr mit vermeintlich griechischen Olympioniken bei der Ausübung ihres Sports ist dafür nur ein weiteres Indiz. Dennoch ist „Dat Narrenhuus“ kurzweilig und versprüht jede Menge guter Laune. Den Finalsong „Die schönste Tiet is hüt“ hat man noch lange nach dem Verlassen des Theaters auf den Lippen.
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Besuchte Vorstellung: 24. Mai 2015
Darsteller: Hardy Rudolz, Erkki Hopf
Regie: Frank Thannhäuser
Fotos: Jutta Schwöbel