Elf Jahre nach seiner letzten Show als Deutschland beliebtester Rusty kehrt der smarte Amerikaner wieder auf die Bühne des Starlight Express Theaters in Bochum zurück: Am 02. Juni feierte vor ausverkauftem Haus seine 3. Premiere als junge Dampflok Rusty. „Dass das meine dritte Rusty-Premiere in Bochum ist, darüber habe ich gar nicht nachgedacht. Ich war super aufgeregt und unheimlich nervös, aber es hat gut geklappt. Es war zwar nicht perfekt, aber ich war zufrieden und das Publikum hat Spaß gehabt. Die Stimmung in der Halle war gestern einfach bombastisch!“
Wir treffen Bernie Blanks einen Tag später – noch sichtlich gerührt von den vielen Emotionen, die ihm am Vorabend entgegenschlugen. „Schon bei der ersten Szene – die Mädels und ich fuhren von der dritten Etage herunter– kam eine Welle von Aufregung und Liebe aus dem Publikum. Schon da war ich emotional ganz hin und weg.“
Eineinhalb Stunden vor Showbeginn müssen sich alle Darsteller von „Starlight Express“ im Theater eingefunden haben. Dieses so genannte Sign-In gilt auch für Hauptdarsteller. Und so sitzt Bernie Blanks um 19 Uhr zusammen mit Richard Woodford (Electra), Lothair Eaton (Papa) und Kapa Kitchen (Caboose) in der Gemeinschaftsgarderobe und beginnt seine tägliche Vorbereitungsroutine mit dem Schminken.
„Wir schminken uns alle selbst. Am Anfang bekommen wir noch Hilfe von den Maskenbildnern, die die eine Seite des Gesichts vorschminken und wir „üben“ dann an der anderen Hälfte. Aber im normalen Alltag machen wir dann alles allein. Die Maskenbildner kontrollieren uns aber alle paar Wochen und geben Verbesserungstipps. Zum Glück geht das bei mir recht schnell, bei Electra dauert das jeden Tag mehr als 30 Minuten.“
Plötzlich kommt Choreographin Debbie Hearnden in die Garderobe und instruiert jeden Darsteller bei welchen Bewegungen die Details noch besser ausgearbeitet werden müssen oder wo sich während der letzten Show Fehler eingeschlichen hatten. Auch das gehört zur täglichen Routine dazu.
Keine 20 Minuten später ist die optische Verwandlung abgeschlossen und es geht weiter zum 10-minütigen obligatorischen Vocal Warm Up. Das Skate Warm Up machen weder Bernie Blanks noch Richard Woodford mit: „Das heißt nicht, dass ich unaufgewärmt auf die Bühne gehe, aber eben ohne Skate Warm Up. Meine Show ist so schon schwierig genug und ich brauche viel Kraft dafür.“ erklärt Bernie Blanks sehr einleuchtend.
15 Minuten vor der Show schlüpft der durchtrainierte 40-Jährige in sein Kostüm und versteckt seine braune Wuschelmähne unter dem Helm, den er in seiner ersten Szene – einer rasanten Abfahrt von der obersten Ebene quer durch den gesamten Saal – tragen wird. Knapp drei anstrengende Stunden später ist auch die letzte Zugabe gegeben und das begeisterte Publikum durch „Abklatschen“ befriedigt. Bei keiner anderen Show kommen Künstler und Zuschauer so dicht zusammen, dass sie einander die Hand reichen!
Wenige Minuten später steht der populäre Hauptdarsteller schon an der Backstage-Door und gibt fleißig Autogramme, lässt sich mit Fans fotografieren. „Starlight Express“ hat ganz besondere Fans: von 8 bis 80 Jahren ist alles vertreten und jeder hat seine Meinung zu dem Musical und „seinen“ Darstellern. „Manbekommt auch während der Show viel von den Fans mit. Das ist fantastisch! Wenn sie mir dann nach der Show noch etwas Nettes zu sagen haben, find ich das super! Natürlich bekomme ich auch manchmal negatives Feedback… Ich bin mit einem sehr guten Sprichwort aufgewachsen: „If you don’t have something nice to say, keep your mouth shut!” Das sagt alles. Ich würde auch nie zu jemand hingehen, den ich gerade auf einer Bühne gesehen habe und ihm sagen, was mir nicht gefallen hat.“
Dass es den in Spanien geborenen Bernie Blanks immer wieder nach Bochum zieht, liegt vor allem daran, dass er sich in Deutschland sehr wohl fühlt. „Das hängt damit zusammen, dass ich gerade als junger Mann viele Jahre in Deutschland verbracht habe, in denen ich mich sehr entwickelt habe und von meinem Umfeld geprägt wurde. Als ich die letzten Monate in Amerika war, ist mir wieder sehr bewusst worden, dass ich dort nichts vermisse und mir Deutschland insgesamt viel besser gefällt.“ Das Angebot des Produzenten, die Rolle von Rusty erneut zu übernehmen, war zwar verlockend, aber leicht hat er sich die Entscheidung nicht gemacht: „Als ich den Anruf in den USA erhalten habe, musste ich wirklich lange überlegen. Fast einen Monat habe ich mir Zeit gelassen, aber schließlich hat die Nostalgie gesiegt. Ich dachte mit, dass ich eine solche Chance wohl kaum noch einmal bekommen würde. Außerdem haben in den letzten zwölf Jahren so viele Leute gefragt, wann ich endlich wieder als Rusty auf der Bühne stehen würde. Da habe ich mir einen Ruck gegeben und nun bin ich wieder hier.“
Was genau macht den Reiz aus, diese Rolle gerade in Bochum zu spielen? „Ich habe in einigen anderen Produktionen von „Starlight Express“ mitgespielt und viele gesehen, aber die hier in Bochum ist einfach die beste: Die Bühne, die Kostüme, die Halle – alles ist perfekt für „Starlight Express“. Nur einen Tag nach seinem letzten Gala-Auftritt auf der CeBit im Februar begannen die kräftezehrenden Proben. Auf das Erlernte von früher konnte der ehemalige Kunstturner kaum zurückgreifen: „Ich musste alles neu lernen. Schließlich ist es zwölf Jahre her, dass ich das das letzte Mal gespielt habe. Also habe ich habe mit den anderen neuen Darstellern jeden Tag drei Stunden Skate-Training gehabt und die neuen Choreographien gelernt. Es gibt ja nicht nur die beiden ‚neuen’ Songs, viele der alten Choreographien sind verändert worden. Und wenn ich eine Show beendet habe, vergesse ich das meiste ganz schnell… Deshalb brauchte ich die Zeit, um alles wieder zu lernen.“
Doch der ‚neue’ „Starlight Express“ mit den zusätzlichen Rollbahnen und Songs gefällt ihm sehr gut. „Ich mag die neuen Songs und die neue Bühne ist auch superklasse. ‚Crazy’ ist eine lustige Nummer, die nicht nur dem Publikum sehr gut gefällt. Aber gerade diese Szene ist echte Knochenarbeit.“ Bei „Starlight Express“ kommt es ganz besonders darauf an, dass sich die Darsteller an die vereinbarten Timings halten. Viel Platz für Bewegungsspielraum oder gar Improvisation bleibt da nicht. „Alle Wege sind absolut ausgetimed und man muss sich genau an die Absprachen halten, damit keine Unfälle passieren. Viel Freiraum gibt es bei den Rennen also nicht.“ Doch auch nach unzähligen Shows als Dampflok versucht Bernie Blanks der träumerischen Dampflok seinen eigenen Stempel aufzudrücken: „Ich hoffe, das ich den Rusty ganz anders spiele als alle anderen und mein gewisses Etwas auch für dass Publikum spürbar ist. Es ist mein Job als Schauspiele und Sänger, mein eigenes Ich und meine eigenen Ideen mit einzubringen. Und dazu gibt es auch bei „Starlight Express“ geeignete Szenen.“ Wer eine Rolle so oft – auch außerhalb Deutschlands und auf diversen Galas übernommen hat – muss sich auch die Frage gefallen lassen, wie viel Bernie Blanks in Rusty steckt? Die Antwort kommt prompt: „Ich bin Rusty! Total! Deshalb habe ich auch so viel Freude daran, diesen kleinen Jungen zu spielen, der all diese Enttäuschungen erlebt und leidet, aber trotzdem immer noch Kraft und Hoffnung schöpfen kann. Genauso bin ich persönlich auch.“
„Starlight Express“ ist nach wie vor eine der anstrengendsten Shows im Musicalbusiness – wenn nicht sogar die anstrengendste! Das man hierfür einen Ausgleich braucht, ist selbstverständlich. Für Bernie Blanks ist regelmäßiger Sport Ausgleich und Meditation zugleich: „Drei bis vier Mal pro Woche ins Studio ist meine Art zu meditieren. Das ist für mich super entspannend. Außerdem lese ich viel und schreibe sehr gern. Ich schreib einfach alles auf, was mir auf der Seele liegt: meine Gedanken, Gedichte, Erfahrungen… Das ist ein schöner Ausgleich zur Bühnenarbeit.“
Wenn der eigene Name so sehr mit einer bestimmten Rolle verwachsen ist, wird dieser Part dann automatisch zur Traumrolle? „Nein. Rusty ist weder meine Lieblingsrolle noch ist „Starlight Express“ mein liebstes Musical. Rusty passt einfach zu mir. Ich hatte sehr viel Glück mit dieser Rolle und natürlich viel Erfolg. Von allen Rollen, die ich in meinem Leben bisher gespielt habe, ist Rusty vielleicht die Nummer 2. An erster Stelle steht ganz klar Jesus in „Godspell“. Das war ein Engagement, dass mir sehr viel Spaß gemacht hat und mir auch persönlich viel gebracht hat.“
Bernie Blanks hat nichts verlernt oder ist gar eingerostet. Charmant führt er das Ensemble an: mal bemitleidenswert und getriezt von den Diesel-Loks, mal den Tränen nahe auf der Suche nach dem Starlight Express, dann wieder kämpferisch vor seinem großen Rennen, wo er es allen zeigt und dabei immer (un)glücklich verliebt in seine Pearl. Bernie Blanks beherrscht alle diese Facetten und zieht so alle Sympathien auf sich. Gerade seine kleineren schauspielerischen Einlagen, wenn er als Außenseiter abseits der anderen Züge steht und schmollt oder frustriert drein schaut, sorgen dafür, dass alle anderen – auch der immer wieder geniale Richard Woodford als Electra, Chris Barron als stimmgewaltiger Greaseball und Kapa Kitchen als wunderbar hinterhältiger Bremswagon Caboose – neben ihm verblassen. Derartige Comebacks darf es in der deutschen Musical-Szene gern öfter geben, doch es ist zu vermuten, dass die Allerwenigsten nach mehr als 10 Jahren noch die gleiche gesangliche Qualität bieten und dies mit der hinzugewonnenen (Bühnen-)Reife so überzeugend kombinieren können wie Bernie Blanks.
Mehr Informationen unter www.bernieblanks.de
Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical