Michaela Flint: Wieso haben Sie „Love Never Dies“ so schnell verfilmen lassen?
Andrew Lloyd Webber: Das war eher ein Zufall. Ich hatte die Szenen, die für die Presse gedreht wurden, einem Redakteur von Universal Pictures gezeigt, mit dem ich mich eigentlich getroffen hatte, um die Verfilmung des 25-jährigen Jubiläums vom „Phantom der Oper“ zu besprechen. Aber er war sofort begeistert und wollte die komplette Show in Melbourne aufzeichnen.
Michaela Flint: Musste Universal Pictures Überzeugungsarbeit leisten oder fanden Sie die Idee, die Melbourne Produktion von „Love Never Dies“ zu filmen, direkt gut?
Andrew Lloyd Webber: Ehrlich gesagt, war ich sofort angetan von der Idee. Die Londoner Produktion von „Love Never Dies“ hat nicht funktioniert und in Melbourne haben wir eine komplett andere Show auf die Bühne gebracht. ich fand es toll, eine Aufzeichnung von dieser Produktion zu haben, mit der ich nicht wirklich viel zu tun hatte.
Michaela Flint: Sie haben den Kreativen in Australien freie Hand gelassen, was die Produktion von „Love Never Dies“ betraf. Wie kam es dazu?
Andrew Lloyd Webber: Simon Phillips, der „Love Never Dies“ in Melbourne inszeniert hat, kam zu mir und sagte, er würde das Stück gern komplett neu umsetzen, mit neuem Design, einem dunkler ausgearbeiteten Phantom, usw. Ich habe einige Ideen mit ihm durchgespielt und am Ende kam das heraus, was wir in Australien jetzt sehen.
Michaela Flint: Gerade das neue Set und auch das modifizierte Staging machen die Verfilmung besonders spannend…
Andrew Lloyd Webber: Ich wusste vorher gar nicht, dass man technisch schon so weit ist, ein Musiktheaterstück in einer solchen Intensität aufzunehmen. Gerade durch die Nahaufnahmen werden das Drama und die Leidenschaft, die dieses Musical ausmachen, nahezu greifbar. Dieser hohe filmische Standard eröffnet viele Möglichkeiten für die Aufnahme von Live-Shows. Die Darsteller singen in jeder Szene live, was dem Ganzen eine Dynamik verleiht, die ich so bisher noch nicht gesehen habe. Auch die Szenen, die für Close-Ups nachgedreht wurden, sind komplett durchgespielt und nicht gestückelt, wie sonst im Film üblich.
Michaela Flint: Was sieht man im Film, was man als Theaterbesucher nicht sieht?
Andrew Lloyd Webber: Man erlebt eine Nähe zu den Darstellern, die man im Theater nicht erzeugen kann. Wir hatten das Glück, dass Ben Lewis und Ann O‘Byrne zudem sehr gut mit der Kamera interagieren konnten, was dieses besondere Element noch mehr betont.
Michaela Flint: Ist „Love Never Dies“ in Ihren Augen vollendet?
Andrew Lloyd Webber: Ja, ich denke nicht, dass es eine bessere Produktion davon geben wird – unabhängig davon, ob das Stück noch am Broadway gespielt wird oder nicht. Man muss abwarten, ob der Film es schafft, einen Broadway-Produzenten von diesem Musical zu überzeugen.
Michaela Flint: Gab es für Sie je einen Zweifel daran, „Love Never Dies“ auf die Bühne zu bringen?
Andrew Lloyd Webber: Nein, ich habe soviel Leidenschaft in dieses Stück gesteckt, dass ich eine Bühnenfassung nie in Frage gestellt habe. Wahrscheinlich habe ich mehr von mir selbst in diese Show eingebracht als in irgendeine andere. Aber ich wusste direkt bei der Londoner Generalprobe, dass es so kein Erfolg werden würde. Von daher war ich sehr glücklich, dass es in Melbourne eine zweite Chance bekommen hat.
Michaela Flint: Jeder kennt Sie als Vollblut-Theatermenschen. Wechseln Sie jetzt das Fach?
Andrew Lloyd Webber: Es war für mich unglaublich spannend, Teil des Entstehungsprozesses dieses Films zu sein. Ich habe viel beim Schreiben des Scripts mitgewirkt und die Möglichkeiten, die man im Film hat, die perfekte Szene einzufangen und die Schnelligkeit, mit der man im Film zum gewünschten Ziel kommt, hat mich sehr beeindruckt. Am liebsten würde ich alle meine Shows auf diese Weise aufzeichnen lassen, beispielsweise eine Vorstellung von „Sunset Boulevard“ mit einer herausragenden Besetzung. Das würde mir viel Spaß machen. Aber ich bin und bleibe ein Theatre Animal.
Michaela Flint: Durch die DVD werden sicherlich viel mehr Zuschauer die Möglichkeit bekommen, „Love Never Dies“ anzuschauen. Was sollten diese über das Stück wissen?
Andrew Lloyd Webber: „Love Never Dies“ ist mein persönlichstes Werk. Die Cast spielt wundervoll und die Inszenierung kann ich mir nicht besser vorstellen. Egal, ob sie das Original „Phantom der Oper“ gesehen haben oder nicht, „Love Never Dies“ wird Ihnen gefallen. Es ist ein komplexeres Stück mit sehr emotionaler Musik. Es hat mich dahin gebacht, wo ich jetzt stehe.
Michaela Flint