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Aleksander di Capri über Stadttheater, Journalisten und Chancen

Aleksander di Capri setzt sich Ziele. Dass diese durchaus nicht ins Wolkenschloss der kleinen Cosette gehören, sondern sehr realistisch sind, beweist er mit der Übernahme des Jean Valjean bei „Les Misérables“ in Lüneburg. „Ché auf der „Evita“-Tour war meine erste Erstbesetzung in einer Hauptrolle, Jean Valjean ist die zweite. Es geht alles in die richtige Richtung.“

Bereits als er sich vor zwei Jahren für „Les Misérables“ in Berlin bewarb hatte man ihm gesagt, dass er für die 1.Besetzung Jean Valjean leider noch zu jung sei. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hatte er sich bei den Auditions für die Lüneburger Produktion für Marius und Enjolras beworben. „Ich weiß, dass ich ein sehr junger Jean Valjean bin, aber ob es wirklich funktioniert, kann man eben erst sehen, wenn man die Gelegenheit dazu bekommt. Die Regisseurin Helga Wolf und der musikalische Leiter Urs Theuss haben den Jean Valjean in mir gesehen und mir diese Chance gegeben.“ Die Lüneburger Regisseurin war nicht die erste, die dieses Potential in Aleksander di Capri erkannte. Schon Ken Caswell, der Regisseur der Duisburger Inszenierung, erkannte vor zehn Jahren, dass ein Jean Valjean in dem Absolventen schlummert. „“Les Misérables“ ist eines meiner Lieblingsstücke. Ich wusste schon damals, dass ich irgendwann den Valjean spielen würde. Dass ich das schon mit 31 Jahren erreicht habe, ist eine große Ehre für mich. Sollte ich in einigen Jahren erneut die Chance bekommen, diese Rolle in einer Großproduktion zu spielen, habe ich eine phantastische Basis, auf der ich aufbauen kann.“

Noch bis Juni steht der Hamburger 4-6 Mal pro Monat in Lüneburg auf der Bühne. Sein paralleles Engagement bei „Tanz der Vampire“ ist Mitte Januar zu Ende gegangen. Ein neues Engagement hat Aleksander di Capri bisher nicht unterschrieben. „Ich möchte die nächsten Monate einfach nutzen, um mal auszuspannen.

Nach mehr als zwei Jahren „Tanz der Vampire“ tut es einfach gut, nicht jeden Abend auf der Bühne stehen zu müssen, irgendwo hinfahren zu können, sich auszuruhen und neue Projekte in Angriff zu nehmen.“

Die Auftritte im Stadttheater sind für Aleksander di Capri eine spannende Abwechslung und das Arbeiten mit einem Amateur-Chor und einem Ensemble, das neben „Les Misérables“ noch in zahlreichen Theaterstücken und Opern in Lüneburg zu sehen ist, eine besondere Herausforderung: „Viele Kollegen aus dem Ensemble müssen ihre Energie auf verschiedene Stücke aufteilen. Das ist natürlich eine ganz andere Herangehensweise als bei mir, Valerie Link, Stephanie Sturm und ich sind nur für unsere Hauptrollen da und hatten im Vorfeld auch wesentlich mehr Zeit, uns auf diese Rollen vorzubereiten. Die braucht man für eine Hauptrolle aber auch.“ Auch in Sachen Stimmtechnik musste er sich umgewöhnen: „Die Tonanlage ist natürlich eine ganz andere. Hier muss ich an leisen Stellen viel deutlicher singen und sprechen, damit man mich im ganzen Saal auch wirklich versteht. Auf großen Bühnen wird auch ein Flüstern mit der Anlage perfekt in den Saal übertragen und jeder hört es. Hier musste ich mich ein wenig umstellen, aber inzwischen funktioniert es einwandfrei.“

„Les Misérables“ hat nicht nur gute Kritiken bekommen. Viele verglichen die Lüneburger Inszenierung mit den Großproduk-tionen in Berlin, London oder New York. Auch wenn Aleksander di Capri sich auch nicht so positive Kritiken durchliest, lässt er sich nicht von ihnen irritieren. :“Mir persönlich ist das egal, weil es mich in meinem Handeln nicht beeinflusst“ Was Ihn am meisten ärgert, sind Vergleiche. „Das Problem ist, dass es im Musicalbereich sehr wenige Journalisten gibt, die ihren Job wirklich gelernt haben. Jeder kann sich in ein Stück setzen und schreiben, was ihm gefällt und was nicht. Manchmal werden mir Fragen gestellt, auf die ich schon gar nicht mehr antworte, weil sie so abstrus sind. In Berlin oder London sind bei den „Les Misérables“-Produktionen Millionen im Spiel. Die haben viel größere Bühnen, mehr technische Möglichkeiten. Die Kritiker sollten sich das Stück von der Seite anschauen, was ein Stadttheater mit denen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus diesem Stück gemacht hat. Wo berührt es einen und warum? Natürlich hat ein Regisseur in einer Großproduktion mit einer Drehbühne ganz andere Möglichkeiten und auch die riesigen Barrikaden beeindrucken, aber das kann man doch nicht ernsthaft vergleichen.

Für mich zählen nur Kritiken, in denen ich merke, dass dort jemand geschrieben hat, der sich mit der Materie auskennt, oder sich wenigstens damit auseinandergesetzt hat, aber nachdem man sich manche Kritiken durchliest, ist das bei einigen schon zuviel verlangt.“

Damit stößt Aleksander di Capri in das gleiche Horn wie Uwe Kröger, der diese Marotten der schreibenden Zunft ebenfalls schon angeprangert hatte (vgl. Interview). Dennoch wird niemand umhin kommen, einzugestehen, dass Aleksander di Capri seinen Weg macht und das erreicht, was er sich vornimmt. „Ich bin sehr froh, dass ich schon lange auf der Bühne stehe. Ich kann nur schwer sagen, wo das hinführen wird. Ich möchte ja auch nicht irgendetwas spielen, nur damit ich einen Job habe. In den nächsten Wochen nutze ich auf jeden Fall die Zeit und schaue mich um.“ Und das ganz sicher nicht nur in Deutschland. Aleksander di Capri spricht viele Sprachen, ist vielseitig einsetzbar und wer weiß, vielleicht findet das nächste Interview in London statt. Kontakte dahin hat er auf jeden Fall schon geknüpft.

Mehr Informationen unter www.alexcapri.de

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical