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Ziemlich beste Freunde

Schon als der Film von Olivier Nakache und Eric Toledano 2011 in die Kinos kam, war man als Zuschauer hin- und hergerissen: Klischees, die mit Füßen getreten werden, fast schon schamlos mitleidsloser Umgang mit einem Querschnittsgelähmten, unendlich schwarzer Humor und vor Sarkasmus triefende Dialoge. Mehr als einmal blieb einem das Lachen ob gesellschaftlicher Konventionen im Hals stecken.

Die Bühnenversion von Gunnar Dreßler, die seit 23. März in den Hamburger Kammerspielen zu sehen ist, steht der Filmvorlage ins nichts nach. Die Dialoge sind teilweise 1:1 aus dem Film entnommen und erreichen das Publikum treffsicher. Philippe drückt sich genauso verschwurbelt aus wie auf der Leinwand, während Driss sich im unverwechselbaren Straßenslang verständigt. Der einzige wesentliche Unterschied liegt darin, dass Hausdame Yvonne und Privatsekretärin Magali in einer Person vereinigt wurden. Dies tut dem Schwung des Stücks aber keinen Abbruch.

Als Driss wurde Patrick Abozen engagiert. Der Hamburger Schauspieler, der dem Publikum durch zahlreiche Theaterengagements und TV-Rollen bekannt ist, bringt den Wandel vom gleichgültigen Ex-Sträfling zum verantwortungsbewussten Freund sehr gekonnt über die Rampe. Als eigenbrötlerischer Philippe ist Fernsehstar Hardy Krüger Jr. zu sehen. Er steuert den Elektrorollstuhl fast den ganzen Abend selbst mit seinem Kinn und bewegt sich ansonsten rollenkonform nicht eigenständig. Eine beeindruckende Disziplin der ganz besonderen Art.

„Ziemlich beste Freunde“ zeigt eindrucksvoll wie zwei grundsätzlich verschiedene Männer voneinander lernen, sich weiterentwickeln und ergänzen um schließlich eine außergewöhnliche Freundschaft einzugehen. Je länger Philippe mit Driss arbeitet, desto mehr entspannt er sich. Trockene Sprüche wie „Meine Füße waren noch nie so gut frisiert!“, nachdem Driss Shampoo und Duschgel verwechselt hat, prallen auf Driss‘ scheinbar unangebrachte Kommentare wie „Ich soll Erfahrungen sammeln – der (Typ) spürt nichts!“ – eine Aussage, die er tätigt, nachdem er Philippe mit heißem Tee verbrüht hat.

Eine Szene, in der Krüger Jr. ganz klein wirkt, obwohl die beiden Protagonisten sich Statur und Größe durchaus ähneln, ist die Küchenszene, in der Philippe und Driss dank eines offenbar sehr wirkungsvollen Joints ganz entspannt über Philippes Sexualleben (Stichwort: rote Ohren) plaudern. Wie er da so zusammengesunken am Kühlschrank lehnt, wecke unweigerlich Mitleid. Abozen muss seinen Kollegen in einigen Szenen vom Rollstuhl ins Bett tragen – da bleiben Lacher nicht aus, da er sich rollengemäß doch recht tollpatschig dabei anstellt.

Dass Driss anstatt Funk & Soul in der Bühnenfassung ein Hip-Hopper ist, liegt sicherlich auch daran, dass Abozen hier einschlägige Erfahrungen hat. So beglückt er das Publikum mit Tanz- und Gesangseinlagen, mit denen er sich ganz sicher nicht verstecken muss. Dennoch verliert die Geburtstagsszene durch die nicht ganz massenkompatible Musikrichtung etwas an Spaß und Lebensfreude.

Driss liebevolle Oberflächlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Wenn er eine Angestellte namens Delphine kurzerhand mit Flipper anspricht, könnte man entweder grün werden vor Wut oder mit ihm zusammen über seinen eigenen Witz lachen. Das Publikum entscheidet sich mehrheitlich für Letzteres.

Gut gelöst sind auch die Außenszenen: Die Restaurantszene, in der Driss und Philippe zum ersten Mal miteinander kiffen,  wird kurzerhand in die heimische Küche verlegt. Der Paragliding-Ausflug wird durch ein über dem Publikum seine Bahnen ziehendes Flugzeug angedeutet und auch das finale Zusammentreffen von Philippe und seiner Eleonore findet im Wohnzimmer statt.

Eine Highlight-Szene aus dem Film ist die Rasur von Philippe, um ihn auf das anstehende Date mit Eleonore vorzubereiten. Mit reichlich Rasierschaum und zahlreichen Positionswechseln gelingt auch dieses Element vortrefflich. Natürlich fehlt auch die Hitler-Parodie von Driss nicht.

„Ziemlich beste Freunde“ funktioniert eindeutig nicht nur auf der Leinwand, sondern berührt auch auf der Theaterbühne tief. Die beiden Hauptdarsteller wirken sehr authentisch in ihren Rollen und sowohl Patrick Abozen als auch Hardy Krüger Jr. erreichen durch spitze Kommentare sowie eine beeindruckende Mimik zahlreiche Lacher.

Einen so entspannten Umgang mit Menschen mit einer lebenseinschränkenden Behinderung wünscht man sich!

Michaela Flint

Theater: Kammerspiele, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 13. Mai 2014
Darsteller: Patrick Abozen, Hardy Krüger Jr.
Regie: Jean-Claude Berutti
Fotos: Christian Schoppe