home 2018 Schenkelklopf-Humor in bester „Lümmel“-Manier

Schenkelklopf-Humor in bester „Lümmel“-Manier

Dass William Danne ein Händchen für skurrile Charaktere hat, die einen wahlweise an Dieter Hallervorden oder die „Lümmel von der ersten Bank“ erinnern, ist dem Publikum der Hamburger Schmidt-Theater-Familie schon seit Jahren bekannt. Mit Freude erinnert man sich an „Schmidt in Love“ (2009), eine Revue in der welcher der gebürtige Sauerländer sein Händchen für Pointen, Comedy und Gesang schon kurz nach seiner Ausbildung nachdrücklich unter Beweis stellte.

Mit „Käthe holt die Kuh vom Eis“ bringt er nun seine Liebeserklärung an das bauernhöfische Leben im Sauerland, eingebettet in eine abstruse Handlung mit liebenswert-schrillen Charakteren, in Hamburg zur Aufführung. Die Hauptrolle der verzweifelt-vertrottelten Bäuerin Käthe hat er sich selbst auf den Leib geschrieben. Etwas weltfremd, aber mit reichlich sprichwörtlicher Bauernschläue ausgestattet, unternimmt Käthe einen letzten Versuch, der unausweichlichen Zwangspfändung zu entgehen, indem sie gestressten und überspannten Großstädtern ein paar Tage echtes Landleben mit Ausmisten, Melken und jeder Menge Landluft anbietet.

Zunächst taucht der Berliner Rascal auf, dem sein Vater zwei Wochen in Kuhschitt-Hagen (ja, so heißt das Dorf, in dem Käthe lebt) verordnet hat, um den wankelmütigen Studienabbrecher auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, ihm die Flausen auszutreiben und ihn dazu zu bringen, sich endlich einen richtigen Job zu suchen.

Wenig später erscheint die überdrehte Kindergärtnerin Leonie, die dringend Abstand von den schon fast extremistischen veganen Müttern ihrer Schützlinge braucht. Dass die schräge Blondine selbst nicht das hellste Licht auf der Torte ist, macht diese Figur nur umso amüsanter.

Es folgt Jürgen, der sich in der sauerländischen Einöde vor seinen offenbar zahlreichen Gespielinnen versteckt. Doch sein unablässig klingelndes Handy und seine Fixierung auf alles Sexuelle zeigen auf, dass ihm die Gunst der Damen im allgemeinen alles andere als unrecht ist.

Komplettiert wird die ungewöhnliche Land-WG durch „die freche Vivian“, eine Gerichtsvollzieherin, die insgeheim von einer Karriere als Sängerin träumt (was ihr Umfeld jedoch wenig gutheißen würde).

Das Aufeinandertreffen dieser so unterschiedlichen Charaktere wird mit jeder Menge Kalauern, Missverständnissen und Musik zu einem wahren Feuerwerk der Unterhaltung.

Leonie, die zum Gassenhauer „Heidi“ alle 423 Schafe im Publikum begrüßt und sich über kopulierende Keiler freut, hat die Lacher sofort auf ihrer Seite. Dass sie die Herausforderung eine Kaffeemühle zu bedienen auch mit Rascals Hilfe nicht meistert, ist zu putzig. Ihr Kennenlernen mündet in dem Duett „Heile Welt“, in dem Rascal pauschal gegen alles anstinkt und Leonie versucht, ihn von ihrem überschwänglichen Optimismus zu überzeugen. Dies gelingt ihr erst, als er die frische Milch trinkt und seine Laktoseintoleranz dazu führt, dass die Welt für ihn plötzlich rosarot wird.

Die beiden finden den Pfändungsbescheid und stellen Käthe zur Rede. Deren Patentlösung für alles („Immer wenn ich traurig bin, trink ich einen Korn“) wird umgehend vom Publikum lauthals mitgesungen. So trashig diese Szenerie daher kommt, so gut fühlt sich das Publikum unterhalten.

Gemeinsam mit dem unangenehm aufdringlichen Wiener Schmalzbubi Jürgen (mit Quakstimme und Vokuhila-Frisur) überlegen die drei, wie sie Käthes Hof retten können. Den Geistesblitz hat Leonie: „Es gibt keine veganen Märchen!“

Prompt beschließen sie, „Rotkäppchen“ als „Rotkäthchen“ in einer veganen Fassung für YouTube zu drehen und mit den Werbeeinnahmen Käthes Probleme auf einen Schlag zu lösen.

Es folgen aberwitzige Dialoge und jede Menge Situationskomik. Kurz vor der Pause wird das Publikum mit dem „Ententanz“ noch aktiv in das Geschehen mit einbezogen, bevor Fräulein Rottenmeier in Form der zunächst nicht als solche erkannten Gerichtsvollzieherin Vivian die Bühne betritt.

Im zweiten Akt geht es ähnlich skurril weiter. Ein Schenkelklopfer jagt den nächsten, das Publikum johlt. „Die freche Vivian“ verarbeitet ihre Betriebsfeier-Schmach mit einem entsprechenden Auftritt im „Rotkäthchen“-Video und kann (oder will?) sich den Avancen von Jürgen irgendwann nicht mehr widersetzen, der sich sprichwörtlich auf die prüde Beamtin stürzt, nachdem er endlich einsieht, dass Leonie sich in Rascal verguckt hat.

Natürlich wird das schräge vegane Märchen ein viraler Hit und Käthe kann sich vor Anfragen nicht mehr retten. Ende gut, alles gut! Genauso muss es doch sein, oder?

Die Darsteller haben allesamt sichtlich Freude an diesem Stück. William Dannes sauerländische Wurzeln hört man sehr deutlich und seine Interpretation der schrulligen Bäuerin ist herausragend. Evangelos Sargantzo gibt den ziellosen Großstadt-Twen sehr überzeugend und kann auch dessen sanfte Seiten gut herausarbeiten. Katrin Taylor hat als durchgeknallte Erzieherin eine sehr dankbare Rolle und füllt diese in jeder Sekunde aus. Ihre zuckersüße, tumbe und leicht nervige Mischung kommt bei den Zuschauern sehr gut an. Der schnöselige Frauenheld Jürgen geht Johann Anzenberger sehr leicht von der Hand. Er ist in Optik und Auftreten ein echter Antimann und erinnert sicherlich nicht zufällig an den Hausmeister aus den „Lümmel-Filmen“. Dass „Pig-Woman“ alias „die freche Vivian“ alias Raphaela Groß-Fengels auf diesen windigen Wiener abfährt, komplettiert die absonderlichen Zufälle dieser Show.

William Danne zeichnet neben dem Buch auch für die Regie verantwortlich und hat hier einen sehr guten Job gemacht, denn so schräg die Protagonisten auch sein mögen, sie sind dennoch glaubwürdig. Neben bekannten Mitklatsch-Hits hat Christian Burkhardt mit „Komm zu Käthe“ und „In dieser heilen Welt“ zwei Songs für dieses Musical komponiert, die ansteckend sind und sich perfekt in das Gesamtkonzept einfügen.

„Käthe holt die Kuh vom Eis“ ist unterhaltsames Boulevard-Theater, von dem es heutzutage immer weniger gibt. Die Begeisterung des Publikums zeigt ganz klar, dass es hiervon nie genug geben kann.

Michaela Flint
gekürzt erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Schmidt Theater, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 30. Juli 2018
Darsteller: William Danne, Evangelos Sargantzo, Katrin Taylor, Johann Anzenberger, Raphaela Groß-Fengels
Regie / Musik: William Danne / Christian Burkhardt
Fotos: Morris Mac Matzen