home 2008 Liebevolle Inszenierung in Lüneburg

Liebevolle Inszenierung in Lüneburg

Es ist gar nicht so einfach, ein so viel gespieltes Stück wie „Der Kleine Horrorladen“ von Alan Menken und Howard Ashman neu, spannend oder einfach nur anders zu inszenieren.

Das Besondere an der erfrischend kurzweiligen Produktion im Theater Lüneburg ist, neben den durchweg überzeugenden Darstellern, vor allem das Bühnenbild. Mit einfachsten Mitteln wurde sehr effektvoll die Skid Row erschaffen. Die Häuserfront scheint plastisch und greifbar, obwohl sie – wie an Theatern eben üblich – nur „gemalt“ ist. Barbara Bloch nutzt die vorhandenen Mittel gezielt und bezieht jeden Quadratzentimeter der Bühne in ihr Idee vom Blumenladen, Zahnarztpraxis und eben der Skid Row mit ein.

Was beim „Drumherum“ noch vortrefflich gelang, scheint bei Audrey II etwas sparsamer dosiert. Dadurch wirkt die gefräßige Pflanze jedoch weniger einschüchternd als vielmehr belustigend. Hier hat man in anderen Inszenierungen schon weitaus einfallsreichere Puppenmacher am Werk gesehen. Vor allem die lange dünne Zunge, die aus dem Maul des Monsters hervorsticht wie ein Phallus, stört das Bild des hinterlistigen Welteroberers sehr.

Helga Wolf hat jedoch auf der Regieseite wieder ganze Arbeit geleistet. Nach einer amüsanten „Camelot“-Inszenierung im vergangenen Jahr, hat sie den Kultklassiker entstaubt, ihn in die 90er Jahre verlegt und ermöglicht es dem Zuschauer so, sich noch besser mit den verschiedenen Charakteren identifizieren zu können. Natürlich kann auch sie an der grundsätzlichen Rahmenhandlung nichts ändern, jedoch legt sie die Charaktere etwas anders an als man es gewohnt ist.

So ist Mr. Mushnik (R. A. Güther) zwar nach wie vor geizig und schubst Seymour herum, aber er ist doch wesentlich weniger fies und berechnend als man es von dem alternden Blumenhändler gewohnt ist. Auch Audrey (Sigrid Brandstetter) erfährt eine Wandlung: Ihre Stimme ist wesentlich weniger „quieckend-schrill“ und sie scheint nicht ganz so naiv. Dafür hat Brandstetter das Lispeln der Blondine absolut perfektioniert. Der von Audrey schmerzvoll geliebte Zahnarzt ist schräg, durchgeknallt und vollkommen respektlos gegenüber seiner Freundin, aber so sehr sich Olaf Paschner auch abmüht, einen bleibenden Eindruck hinterlässt er leider nicht. Ganz im Gegensatz zu den Soulgirls (Nina Baukus, Jessica Fendler, Victoria Fleer). Die drei Sängerinnen kommentieren das Geschehen frech und spielen sich die Bälle hierbei vortrefflich zu.

Bleibt noch Seymour, der von Kristian Lucas sehr erwachsen gespielt wird. Es sind zwar natürlich immer noch die charmant-trotteligen Züge zu erkennen, aber die Figur des Seymour hat wesentlich mehr Tiefgang und wirkt dadurch weitaus realer.

Audrey und Seymour von einem naiv-kindlichen Liebespaar zu einem durchaus erwachsenen und des eigenmächtigen Denkens und Lebens fähigen Paar zu machen, zeigt eine andere Facette des „Kleinen Horrorladens“. Allerdings muss man auch zugestehen, dass durch diese Minderung der klischeehaften Überzeichnung der Charaktere auch etwas von der ursprünglichen Schrulligkeit des Stoffes verloren geht.

Gesanglich lässt es keiner an etwas vermissen. Herausragend ist, wie eigentlich immer in diesem Musical, Audrey II, in Lüneburg gesungen von Melvin Edmondson. Wenn die Monsterpflanze anfängt zu singen, könnte sie das Haus rocken. Wäre da nicht die gnadenlos zusammengestrichene Band. Richtiger Rocksound klingt anders… Schade, dass die musikalische Leitung hier eindeutig zuviel kreative Eigenleistung zeigt.

Doch trotz dieses kleinen Wermutstropfens ist „Der Kleine Horrorladen“ in Lüneburg eine Reise wert. Wir freuen uns schon auf die nächsten Musicals aus der inzwischen bewährten Kombination des Theaters in Lüneburg und Helga Wolf.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Theater Lüneburg
Premiere: Februar 2008
Darsteller: Sigrid Brandstetter, Kristian Lucas
Buch / Musik: Howard Ashman / Alan Menken
Fotos: Theater Lüneburg