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Rockmusical ohne viel Tamtam

Die Idee zu einer konzertanten Aufführung von Andrew Lloyd Webbers Rockmusical kam Bernd Steixner (Musikalischer Leiter von „Les Misérables“ und Initiator der JCS-Konzertreihe) nachdem er Jesper Tydén auf dessen Solokonzerten mehrfach bei „Gethsemane“ auf dem Piano begleiten durfte: „Ich habe ihn daraufhin einfach gefragt, ob er nicht Lust hätte, die ganze Partie des Jesus zu singen.“

Bernd Steixner hatte von Anfang an eine ganz genaue Vorstellung, wen er für welche Rolle besetzen würde. Ob allerdings auch alle Zeit hatten, das Projekt neben ihren Engagements durchzuführen, war unklar. Letztlich war es, was die Künstler auf der Bühne anging, doch alles viel leichter als erwartet: „Alle von mir gefragten Darsteller waren von der Idee sofort begeistert. Und obwohl ich ihnen keine feste Gage garantieren konnte, machten alle aus Liebe zu „Jesus Christ Superstar“ mit. Es ist schon toll, wenn man sich seine Traumcast selbst zusammenstellen kann.“ beschreibt Bernd Steixner den Audition-Prozess, der keiner war. Mit Jesper Tydén als Jesus, Alex Melcher als sein Widerpart Judas, Ann Christin Elverum als Maria Magdalena, Alex Lycke als Pilatus, Perrin M. Allen als Herodes, Tom Tucker als Kaiaphas, Seth Lerner als Annas, Michael Kelley als Simon und Veit Schäfermeyer als Petrus hatte Bernd Steixner nahezu ausschließlich Darsteller um sich geschart, mit denen er bereits in Essen bei „Elisabeth“ oder bei „Les Misérables“ im Theater des Westens zusammen gearbeitet hat.

Dennoch liefen die Proben für die Konzertreihe eher unkonventionell ab, da es bis zum ersten Auftrittsdatum am 15. November in Hamburg keine gemeinsamen Proben gab. „In Hamburg kamen zum ersten Mal alle zusammen. Bernd Steixner hat vorher mit den Sängern und Musikern einzeln oder in kleinern Gruppen geprobt.“ erinnert sich Jesper Tydén. Auch die Background-Chöre waren in Hamburg, Essen und Berlin jeweils andere und wurden unabhängig von den Protagonisten einstudiert.

Aufgrund der begrenzten Zeit aller Beteiligten, lag es nahe, „Jesus Christ Superstar“ konzertant auf die Bühne zu bringen: „Der Schwerpunkt liegt hierbei natürlich auf der Musik. Für uns als Darsteller bedeutet das, dass man mit einfachsten Mitteln, d. h. mit wenig Technik, versuchen muss, die Story wiederzugeben und nicht nur einzelne Songs. Da es keine regiegeführten Szenen gibt, ist man im Acting etwas freier.“ erläutert Jesper Tydén die speziellen Erfordernisse von „Jesus Christ Superstar – in concert“.

Die Aufführung in Hamburg stellte zudem eine besondere Herausforderung dar, da kaum einer der beteiligten Künstler oder Musiker bisher in der Neuen Flora auf der Bühne gestanden hatte. „Es war eine große Belastung, da so viel Unvorhergesehenes passieren kann. Außerdem gab es auch keine ‚szenischen’ Proben.“, erzählt Hauptdarsteller Jesper Tydén. „Aber das Publikum war super motivierend. Da hat sich die ganze Anspannung mit einem Schlag gelöst.“

Die Begeisterung des bedauerlicherweise überschaubaren Neue Flora-Publikums schien grenzenlos. Der Funke sprang schon nach den ersten Szenen auf die Zuschauer über. Denn allen Beteiligten auf der Bühne war ihr Engagement und die Leidenschaft für das Rockmusical deutlich anzumerken. Am überzeugendsten war die Judas-Interpretation von Alex Melcher. Er legte in alle Leidensfacetten des Jesus-Verräters so viel Intensität, dass er damit alle anderen an die Wand spielte. Jesper Tydén hatte vor allem in den ruhigeren Szenen kleine Schwierigkeiten damit, der explosiven Leistung von Alex Melcher etwas entgegenzusetzen. Jedoch betonte er die starke, kämpferische Seite von Jesus und machte so einiges wieder wett.

Schlichtweg grandios waren Michael Kelley als Simon und Alex Lycke als Pilatus. Beiden gelang eine perfekte Intonierung. Wer braucht da schon opulente Kostüme und Bühnenbilder?

Gleiches gilt für Tom Tucker, Seth Lerner und Veit Schäfermeier, die als Kaiaphas, Annas und Petrus eine hervorragende Besetzung abgaben. Besonders deutlich wurde die Leistung durch die Berücksichtigung des Songs ‚Then We Are Decided.’ „Dieser Song wurde – ebenso wie ‚Could we start again, please?’ – für die Verfilmung von „Jesus Christ Superstar“ hinzugefügt. Ich finde es ganz spannend, dass durch dieses Duett die Beziehung zwischen Kaiaphas und Annas deutlich gemacht wird und somit die Motive für ihr Handeln klarer werden.“ begründet Bernd Steixner die Wahl der Filmversion für die Konzertreihe.

Perrin M. Allen (ehem. Musikalischer Leiter von „Mamma Mia!“) ließ es sich nicht nehmen, aus seiner Rolle als König Herodes, die einzige bühnenfüllende Szene zu machen. Er rockte durch das Theaterparkett und zeigte auf der Bühne, dass er wesentlich mehr kann als „nur“ den Dirigentenstab zu schwingen. Dafür erntete er minutenlangen Szenenapplaus – nicht zuletzt auch deshalb, weil viele seiner Hamburger Kollegen mit im Publikum saßen.

Ann Christin Elverum wurde ein Opfer der an diesem Abend eher mäßigen Tontechnik: Ein nicht einwandfrei funktionierendes Mikrophon, machte es ihr unmöglich, sich gegen die laute Rockband durchzusetzen. Sie schien durch diese Unwägbarkeiten derart eingeschüchtert, dass sie nicht mehr als eine solide Leistung ablieferte, womit sie jedoch die Herzen der Zuschauer nicht wirklich erreichen konnte.

Alex Melcher zeigte am deutlichsten seinen Unmut über die Tücken des Sounds und brachte den Titelsong ‚Jesus Christ Superstar’ noch aggressiver zur Geltung als eigentlich erforderlich. Man spürte förmlich wie er sich den Frust aus der Seele sang. Bernd Steixner entschuldigt diese Mängel: „Es war ein großes musikalisches und logistisches Puzzle, das an diesem Tag zusammengefügt wurde.Ganz besonders schwierig war es für unsere beiden Tontechniker, denn die hatten natürlich nur die Probe am Nachmittag um sich mit der Situation vertraut zu machen. Da muss man dann schon kleine Abstriche in Kauf nehmen.“

Das Publikum nahm diese Schwächen nicht übel und applaudierte noch als die Darsteller und Musiker längst in die Katakomben der Neuen Flora entschwunden waren. Auch der Initiator zeigte sich sehr zufrieden: „Von der musikalischen Seite bin ich sehr zufrieden. Es war uns allen klar, dass ein solches Projekt gewisse Risiken birgt. Ich hatte zwar vorher mit fast allen Beteiligten geprobt, aber erst an diesem Tag kamen zum ersten Mal alle zusammen. Das verursacht natürlich am Tag selber einen unglaublichen Stress und man kann das nur wagen, wenn man sich auf seine Leute 100 %ig verlassen kann. Die Musiker haben ihre Sache wirklich großartig gemacht, das konnte man glaube nicht nur hören sondern auch sehen. Über die Sänger brauche ich kein Wort zu verlieren. Ich bin so stolz, diese Riege zusammen auf einer Bühne zu haben! Ich möchte keinen einzelnen hervorheben, denn ich denke alle waren perfekt für ihre Parts.“ Dem bleibt nichts hinzuzufügen.

Die große Leistung aller und der unermüdliche Einsatz haben sich gelohnt. Allerdings ist es sehr bedauerlich – um nicht zu sagen unentschuldbar – dass von Seiten der Stage Holding nicht mehr getan wurde, diese Eigeninitiative zu unterstützen. Denn die ansonsten recht gut geschmierte Werbe- und PR-Maschinerie wurde für diese Konzertreihe nicht zur Verfügung gestellt. Dass ein Großplakat im Foyer nicht ausreicht, um ein 2000 Plätze Theater zu füllen, dürfte jedem klar sein. Ein solch minimalistisches Marketing erstickt jeden Ehrgeiz im Kein und wird dem Anspruch und der erbrachten Leistung aller Beteiligten in keinster Weise gerecht.

Michaela Flint

Theater: Neue Flora, Hamburg
Premiere: 15. November 2007
Darsteller: Alex Melcher, Jesper Tydén
Idee / Musik: Bernd Steixner  / Andrew Lloyd Webber