home 2005 Die Geburtsstunde eines Kult-Musicals?

Die Geburtsstunde eines Kult-Musicals?

Bei der neuesten Schöpfung von Frank Thannhäuser (Inhaber von Imperial und Royal Theater) muss die Frage gestattet sein, ob er diesmal an die Erfolge seines Kult-Hits „Hossa“ anknüpfen kann. Die Antwort hierauf ist ein eindeutiges Jein.

„Movie, Movie“ steht in der 11-jährigen Musical-Tradition des Imperial Theaters und greift auf ein bewährtes Team an Künstlern und Kreativen zurück. So kommt einem die Gestaltung der Bühne im Royal Theater nicht unwesentlich bekannt vor und auch die Darsteller von „Movie, Movie“ gehören beinahe schon zum Inventar von Frank Thannhäusers Theatern.

Die Show möchte eine musikalische Liebeserklärung an 100 Jahre Kino sein und bedient sich dafür eines bunten Straußes an Musik, Tanz und Moderationen.

Von Seiten der Ausstattung ist „Movie, Movie“ eine beachtliche Weiterentwicklung des bisherigen Imperial-Standards.

Während die Bühne gewohnt schillernd und funkelnd daher kommt, ist das, was der Zuschauer an Kostümen sieht aller Ehren wert. Man könnte schon fast von einer wahren Kostümschlacht sprechen, führt man sich vor Augen, dass es sich um ein kleines Theater handelt, dass ohne eine zehnköpfige Kostüm- und Maskenabteilung auskommen muss. Herausragend ist die Verwandlung von Susi Banzhaf in Scarlett O’Hara und das Pin Up Girl und auch das von ihr sicherlich weniger geliebte Meerhexe-Ursula-Kostüm im Disney-Medley zeugt von einer sehr fleißigen und kreativen Kostüm“abteilung“.

Ausgehend von einer zunächst etwas langatmigen und ins Alberne abdriftenden Stummfilm-Sequenz wird über die 50er Petticoat-Jahre, Marilyn und Marlene, 007, Disney und Science Fiction nichts ausgelassen. Immer unterstützt von einer Leinwand im Hintergrund, die wahlweise Filmplakate oder Helden des Kinos zeigt, entwickelt sich aus dem etwas beschwerlichen Beginn eine recht amüsante Show.

Hervorzuheben ist die „Hero“-Szene, in der Katja Thiede vor den übergroßen Konterfeis der Superhelden zeigt, was sie kann. Die Stimmung dieser Szene ist perfekt eingefangen und sorgt für wohlige Erinnerungen beim Publikum. Auch das obligatorische Disney-Medley überzeugt vor allem durch mutige Songauswahl: Nicht die Klassiker, die jeder kennt, wurden von ausgewählt, sondern beispielsweise „Arme Seelen in Not!“ aus Arielle. Schlichtweg große Klasse. Das gleiche kann man über Steffi Connahs Interpretation von „Lili Marleen“ sagen: Einsame Spitze und nicht zu toppen. Ihre warme, volle Stimme mit dem Bildern im Hintergrund – perfekt.

007, dem weltbekannten Spion im Dienste Ihrer Majestät wird ebenfalls eine (leider viel zu lange) Passage gewidmet. Verdient haben es die zahlreichen Sängerinnen von James Bond Titelsongs allemal, doch zum Schluss hin wird diese Szene trotz des ausgezeichneten stimmlichen und körperlichen Einsatzes aller Beteiligten schlichtweg zu zäh. Auch Sebastian Kraft, der am Schluss dieser Sequenz als Austin Powers natürlich auch mit dabei sein muss, vermag den Kaugummi-Charakter dieser ansonsten sehr gut gedachten Szene nicht zu retten.

In diesem bunten Kartenspiel an Äras und Filmhelden geht ab und an der rote Faden ein wenig verloren. Nur so ist es wohl auch zu erklären, dass dem Western-Genre eine eigene Sequenz gewidmet wurde, die mit Lucky Luke (Luciano Di Gregorio) zwar noch ganz nett anfängt, aber im großen und ganzen komplett überflüssig ist. Oder können Sie sich an Ohrwürmer aus einem Western erinnern?

In Sachen Choreographie hat Sebastian Kraft erneut viele eigene Ideen umgesetzt, aber auch Anleihen bei Choreographen vom West End gemacht: So erinnert nicht nur der Regenschirm von Mary Poppins verdächtig an den Merchandise-Artikel des Londoner Musicals, auch die Choreographie von „Supercalifragilistic“ ist eine Light-Variante dessen, was das Ensemble in London jeden Abend mit rasanter Geschwindigkeit zum besten gibt. Wer diesen Vergleich nicht ziehen kann, der ist von dieser Choreographie im Hamburger Royal Theater überwältigt, denn die Geschwindigkeit zollt dem weniger tänzerisch versierten Zuschauer enormen Respekt ab. Kein Wunder also, dass genau diese Szene auch als eine der Zugaben gegeben wurde.

Eine weitere Zugabe sind die 70er Jahre Disco-Funk-Filme: Schade, dass sich Thannhäsuer dagegen entschieden hat, diese Showstopper in die Show einzubauen und sie stattdessen an den Schluss setzt. Die Qualität des Dargebotenen mindert dies jedoch nicht im Ansatz.

Insgesamt ist diese Filmrevue eine sehr gute und längst überfällige Idee, dadurch dass jedoch viele Konzepte vermischt wurden, wirkt sie ganz mit fast 3 Stunden eindeutig zu lang und phasenweise etwas unstrukturiert und unruhig. Mit etwas Straffung an der ein oder anderen Stelle wird diese Show ganz sicher rund, auch wenn sie am Ende nicht an „Hossa“ wird anknüpfen können.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Theater am Holstenwall, Hamburg
Premiere: Herbst 2005
Darsteller: Susi Banzhaf, Sebastian Kraft
Buch / Regie: Frank Thannhäuser
Fotos: Imperial Theater