home 2004 „Company“ – Musicalgenuss in bester „Gesellschaft“

„Company“ – Musicalgenuss in bester „Gesellschaft“

Stephen Sondheims 70er Jahre Komödie über die Vor- und Nachteile von Single-Dasein, Eheleben und Freundschaft in der Großstadt auf die Bühne zu bringen, ist ein sehr ehrgeiziges Projekt. „Company“ lebt von Sondheims abwechslungsreichen Kompositionen und nicht minder anspruchsvollen Dialogen, die von Michael Kunze neu adaptiert und vom Ensemble liebevoll auf Hamburg angepasst wurden.

Der Hamburger Chor Music Alive besteht aus 23 Mitgliedern, die das Stück in zwei Besetzungen einstudiert haben. Die Premiere am 18. Juni 2004 im Rudolf-Steiner-Haus war sehr gut besucht und das Publikum sehr gespannt, was der Musicalchor anzubieten hatte.

Während der erste Akt durch etwas zähe Dialoge durchaus Längen hatte und die Darsteller mit einigen Passagen zu kämpfen hatten, erfreut der zweite Akt durch eine dichte und ausgewogene Gewichtung von Schauspiel, Gesang und Komik. Vom ersten Akt bleibt vor allem das Männertrio Harry (Thomas Subat), Dennis (Robert Becker) und Lothar (Jens Paape) mit „Leid tut’s Dir immer“ (im englischen: „Sorry Grateful“) haften. Das Solo von Hauptperson und Dauer-Single Robert (einfühlsam gespielt von Oliver Meinert) „Irgendwer wartet“ („Someone“) stimmt nachdenklich und spricht so manchem aus dem Herzen.

Im zweiten Akt beweisen die Künstlerinnen und Künstler, dass sie sich auch vor choreographierten Ensemble-Nummern nicht scheuen. „Herz an Herz“ („Side by Side“) ist ein mitreißender Opener und Mecki Fiedlers Choreographie ist hervorragend auf das große Ensemble abgestimmt. Auch im zweiten Akt zieht Oliver Meinert als Robert mit seinem flehenden „Lebendig zu sein“ („Being alive“) alle Aufmerksamkeit auf sich. Er spielt sensibel und aufmerksam, dann wieder offensiv und unbeschwert. Die verschiedenen Facetten eines mehr oder weniger überzeugten Single-Mannes bringt er glaubhaft zur Geltung. Gesanglich erstaunt er durch eine warme, volle Stimme – lediglich in den hohen Passagen verfällt er ins Falsett. Unweigerlich fragt man sich, warum der sympathische Hamburger nicht schon auf anderen Bühnen zu sehen war…

Einzelne Szenen erheiterten das Publikum ungemein. Da ist zum Beispiel die Karate-Szene, in der ein Ehepaar (Gabriele Becker und Thomas Subat als Sarah und Harry) Robert die Vorzüge seines gemeinsamen Lebens vorführt und sich dann in Stunt-reifen Karatewürfen vergisst. Außerdem sorgen die hysterische Braut Elfie (Kirsten Spohr), die ihre Schnellsprech-Szene bewundernswert souverän meistert, und ihr über beide Ohren verliebter ‚treu-doofer’ Bräutigam Cem (Sascha Kraft) für Stimmung. Das joint-geschwängerte Lachen von Dennis (Robert Becker) wirkt ansteckend und das sichere Spiel von seiner spießigen, fluchenden Frau Jenny (Natalie Nutz, die auch ausgezeichnet singt) machen beide zu Sympathieträgern des Abends.

Music Alive überzeugt besonders in den großen Ensemble-Szenen, doch auch viele Solisten müssen sich nicht hinter Profis verstecken. Dort, wo es an Stimmvolumen oder Ton-Treffsicherheit mangelt, wird es durch ein mitreißendes Schauspiel wettgemacht. Dass der Sound im Rudolf-Steiner-Haus nicht perfekt ist, fällt auf, aber wenn man bedenkt, dass die Darsteller selten mit Mikroports arbeiten und diese erst zwei Tage vor der Premiere zum ersten Mal nutzen konnten, wird dies verzeihbar.

Der Perfektionsanspruch von Regisseur und Musikalischem Leiter John Lehman schlägt auch bei den Kulissen zu Buche: Niemand hat bei einer so kleinen Produktion ein so ausgeklügeltes Bühnenbild erwartet: Im Hintergrund entwickelt sich das von Oliver Meinert kreierte Company-Logo innerhalb der Skyline von Hamburg (mit Michel und Petri-Kirche), davor sind alle beweglichen Bühnenelemente im Stil von Piet Mondrian gehalten, was bei den zahlreichen Umbauten für ein stimmiges, aber nie langweiliges Gesamtbild sorgt.

Bei den Kostümen hat man auf Alltagskleidung zurückgegriffen, was die Darsteller auf der Bühne fassbar macht und eine leichte Identifikation mit dem Gezeigten ermöglicht. Besonders authentisch kommt Yvonne (Aglaia Kaphengst) daher, deren elegantes Auftreten ihre Erhabenheit über die Problemchen der anderen Paare nur unterstreicht (einfach köstlich in der Bar-Szene, in der sie „Auf all die gnädigen Frau’n“ („The Ladies Who Lunch“) anstößt). Bei Oliver Meinert hat man unweigerlich das Gefühl, er wache jeden Morgen in einem frisch gestärkten Hemd auf, so aalglatt wirkt sein Bühnen-Outfit.

Insgesamt hat das Publikum eine ansprechende Veranstaltung erlebt. Wenn es an der ein oder anderen Stelle gehakt hat, lag es vor allem an dem unausgewogenen Buch von George Furth, das auch für Profis eine Herausforderung darstellt. Music Alive muss sich jedenfalls nicht verstecken. Man darf hoffen, dass sich auch in Zukunft Gelegenheiten und Spielstätten finden, um diese zeitlose Sondheim-Produktion aufführen zu können.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Rudolf Steiner Haus, Hamburg
Premiere: 18. Juni 2004
Darsteller: Chor Music Alive e.V.
Musik / Regie: Stephen Sondheim / John Lehman
Fotos: Chor Music Alive e.V.