home 2012 Liebevolle Reise in die amerikanischen 1950er Jahre

Liebevolle Reise in die amerikanischen 1950er Jahre

Wer kennt sie nicht: die romantisch-kitschige Geschichte von Sandy und Danny, die sich in den Sommerferien verlieben, per Zufall auf der gleichen Highschool landen und nach einigen Wirrungen zueinander finden. John Travolta und Olivia Newton-John hat „Grease“ unsterblich gemacht. Schon sechs Jahre bevor der Film 1978 in die Kinos kam, feierte die Bühnenfassung am New Yorker Broadway große Erfolge.

In den 1990er Jahren hat David Gilmore die altmodische Highschool-Romanze entstaubt und im Londoner West End zur Aufführung gebracht. Seine Inszenierung hat er bereits 2011 für das deutsche Publikum nochmals überarbeitet und seither schickt Semmel Concerts die T-Birds und Pink Ladies durch deutschsprachige Lande.

Am 26. Januar 2012 wurde in Köln der Tourstart 2012 gefeiert. Die Besetzung hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht verändert, doch das tut dem Spaß und der Spielfreude keinen Abbruch. Da jedem die Handlung bekannt ist, haben sowohl Darsteller als auch Musiker leichtes Spiel bei dieser Show. Die Songs sind Selbstgänger, das Ensemble sehr charismatisch und das Publikum freut sich auf einen Abend leichtfüßiger Unterhaltung – und das vollkommen zurecht!

Die beiden Hauptfiguren Danny und Sandy werden von Lars Redlich und Joana Fee Würz gespielt. Joana Fee Würz hat die Hauptrolle mit Jahresbeginn übernommen und gibt die süße, naive Sandy glaubwürdig. Es ist eine Freude ihrer schönen, klaren Stimme zuzuhören. In den Schatten gestellt wird sie nur von Lars Redlich, der als Danny über die nötige Bühnenpräsenz verfügt, um nicht nur vielen Schülerinnen, sondern auch Gästen im Publikum den Kopf zu verdrehen. Dass er schon seit einem Jahr in dieser Rolle zu sehen ist, kommt ihm hierbei sicherlich zugute. Optisch schlägt Redlich das Film-Vorbild um Längen und auch gesanglich kann sich John Travolta gern Nachhilfe bei Lars Redlich holen. Seine schmachtende Liebeserklärung „Sandy“ bringt Steine zum Erweichen.

Zusammen mit Stefan Rüh als Kenickie und den übrigen T-Birds bringt Redlich jede Menge Schwung in den Musical Dome. „Greased Lightning“ und „Those Magic Changes“ machen unglaublich viel Spaß! Dass sich in den Reihen der T-Birds und Pink Ladies wahre Perlen verbergen, hört das Publikum vor allem bei „Mooning“ – gesungen von Tim Edwards alias Roger und „There are worse things I could do“, hinreißend interpretiert von Denise Obedekah als Rizzo.

Omri Schein sticht als Eugene aus der Menge der Rydell High Schüler hervor, da er seine Rolle so wunderbar herzerfrischend spielt, dass man den strebhaften, stetig bemühten, aber immer scheiternden, Außenseiter einfach nur in den Arm nehmen möchte.

Eher etwas unauffällig kommt Jennifer Pöll als Frenchy daher. Sie gibt angehende Kosmetik-Schülerin lange nicht so quietschbunt wie sie sein könnte. Eine Ausnahme ist der Auftritt des Teen Angel, dem Frenchy sehr süß und schüchtern an den Lippen hängt. Alexander di Capri übernimmt die Rolle des stark an Elvis erinnernden Teen Angel mit Bravour. „Beauty School Dropout“ ist eines der schönsten Stücke des Abends. Auch die Anforderungen, die seitens der Regie an Vince Fontaine gestellt werden – aalglatt, egoistisch, eitel – erfüllt di Capri einwandfrei.

Szenisch ist die Verwandlung in die Umgebung der Rydell High School in den 1950er Jahren sehr gelungen.

Einige perfekt ausgesuchte Requisiten machen aus der Bühne eine Sportumkleide, ein Mädchenzimmer oder die Aula der High School. Auch die Kostüme wirken authentisch.

Die Bühnenfassung von „Grease“ ist kurz, fast schon zu kurz. Nach nur zweieinhalb Stunden ist die Geschichte von Sandy und Danny im Schnelldurchlauf erzählt. Nebenhandlungen wie die nicht ganz leichte Beziehung von Rizzo und Kenickie oder Frenchy und dem Teen Angel finden nur in einem einzelnen Song statt. Das Autorennen und die damit verbundene Feindschaft zweier Jungenbanden fehlt gänzlich. Der Fokus liegt ganz klar auf den Songs und den beiden Hauptdarstellern. Das mag bei einem Tanzmusical legitim sein, vergibt aber jede Menge Chancen auf eine runde Story. Einen wirklichen roten Faden sucht man vergebens. Warum tanzt Danny beim Highschool-Ball mit Cha-Cha? Was für eine Vergangenheit haben die Cheerleaderin Patty und Danny? Warum bändelt Sandy plötzlich mit dem Sportstar der Highschool an? Wieso hat Frenchy mit einem Mal pinkfarbene Haare? Zur Beantwortung all dieser Fragen wäre der ein oder andere Dialog sicherlich hilfreich gewesen.

Obgleich man sehr dankbar sein kann, dass die Songs nicht übersetzt, sondern im englischen Original gesungen werden, verwundert der ein oder andere sprachliche Ausfall doch sehr. Rizzo hätte an einem „Gangbang“ vor 60 Jahren ganz sicher keinen Spaß gehabt. Auch Darsteller, die in feinster Angus Young Manier über die Bühne rocken, sind der Zeit doch um zwei Jahrzehnte voraus.

Zudem wurden im Vergleich zum Film viele Songs an anderer Stelle platziert. Im Film werden viele Stücke im Rahmen des Balls gespielt, der auf der Bühne fast zu kurz kommt. Dafür erhalten aber einige Songs im Gegenzug ein stärkeres inhaltliches Gewicht wie bspw. das wunderschöne „Mooning“ von Roger und Jan. Unter anderem ändert sich aber bei „There are worse things I could do“ die Aussage des Songs (Rizzo schüttet damit in der Bühnenfassung Sandy ihr Herz aus – im Film ist sie traurig und allein, beobachtet „ihren“ Kenickie). Dass der Ball in der Bühnenshow auf ein Mindestmaß reduziert wird, ist mehr als bedauerlich. Gerade hier wäre viel tänzerisches und gesangliches Potential enthalten gewesen.

Alles in allem kommt der Zuschauer aber musikalisch voll auf seine Kosten, denn die bekannten Hits wie „Greased Lightning“, „Hopelessly devoted to you“, „Sanday“ und natürlich „You‘re the one that I want“ zünden erwartungsgemäß und man möchte unweigerlich das Tanzbein schwingen.

Daran trägt natürlich die Live-Band einen großen Anteil. Die Musiker haben den Rock‘N‘Roll im Blut und so hält es am Schluss keinen mehr auf den Sitzen; jeder macht beim Hand-Jive mit und das Premierenpublikum wird zu Rock‘N‘Roll Party Kings and Queens.

Dieses klassische Gute-Laune-Herz-Schmerz-Musical ist auch 40 Jahre nach seiner Uraufführung einen Besuch wert. Man verlässt das Theater beschwingt, tanzend und lachend. Eine schönere Auszeichnung kann man sich für Künstler und Kreative kaum wünschen!

Michaela Flint

Theater: Musical Dome, Köln
Tour-Premiere: 26. Januar 2012
Darsteller: Alexander di Capri, Tim Edwards, Lars Redlich, Joana Fee Würz, Stefan Rüh
Regie / Choreographien: David Gilmore / Melissa Williams
Fotos: Herbert Schulze