home 2017 Abstriche in der Inszenierung, aber die Oberhausener Cast ist erstklassig!

Abstriche in der Inszenierung, aber die Oberhausener Cast ist erstklassig!

Nach Hamburg und Stuttgart macht Phil Collins „Affenzirkus“ nun in Oberhausen Station. Das Metronom Theater ist viel kleiner als die Neue Flora oder das Apollo Theater, nicht nur was den Zuschauersaal betrifft, sondern auch hinsichtlich der Bühnengröße. Doch die Kreativen haben sich etwas einfallen und Tarzans Dschungel links und rechts der Bühne weit ins Auditorium wuchern lassen. Die Gorillas können so über Brücken und Tunnel durch den Saal toben.

Unverändert, wenn auch aus geringerer Höhe als in Hamburg und Stuttgart, springen die akrobatischen Dschungelbewohner hinunter und schwingen über den Köpfen des Publikums hin und her. Aufgrund des arenaartigen Zuschauerraumes im Metronom, der ohne Rang auskommt, wurden laut Stage Entertainment neue Flugelemente kreiert und die Flüge noch rasanter gestaltet. Dies fällt besonders beim ersten Auftauchen der Gorillas sichtbar ins Gewicht. Das an diesem Samstag Abend voll besetzte Haus ist begeistert!

Schade ist jedoch, dass anstatt der fransigen Seitenwand-Verkleidung, welche die Höhlen der Gorillas stilisiert, aber effektvoll verdeckten, nun eine an Blättersilhouetten erinnernde Dekoration der Rück- und Seitenwände eingesetzt wird. Dies ist zwar vermutlich deutlich „tourfähiger“, macht den Dschungel aber weniger geheimnisvoll. Gleiches gilt für die fehlende 9m Spinne, die in Oberhausen nur noch durch 3-4 große Spinnenbeine symbolisiert wird, die von hinten durch das Netz kommen. Dass Terks „Höhle“ nicht mehr von oben abgeseilt wird, sondern stattdessen eine Art Thron auf einem Regal in die Szene geschoben wird, ist natürlich ebenfalls dem kleineren Umfeld geschuldet. Doch hiermit geht leider viel Charme und Effekt verloren.

Durch die Anpassungen verändert sich auch die Wirkung weiterer Szenen. Dazu gehört beispielsweise auch Janes erste Erkundung des Dschungels: Der Boden der Bühne ist nicht mehr durch wallende Stoffbahnen bedeckt, und die Blumen „fallen vom Himmel“ anstatt aus dem Bühnenboden nach oben zu wachsen und sich zu voller Pracht zu entfalten. Auch der Wasserfall, der in einen See auf der Bühne mündet, gerät deutlich kleiner. Und Tarzans Spiele mit dem Feuer wirken irgendwie deplatziert.

Die Besetzung in Oberhausen liest sich jedoch wie das „Who is Who“ der deutschen Musicalszene: Alexander Klaws als Tarzan, Sabrina Weckerlin als Kala, Patrick Stanke als Kerchak. Das allein weckte schon hohe Erwartungen. Hinzu kommen Japheth Myers und Massimiliano Pironti, die ihre Rollen als Professor Porter und Terk schon in Hamburg bzw. Stuttgart gespielt hatten. Tessa Sunniva van Tol (Jane) und Patrick Imhof (Clayton) komplettieren die Riege der Hauptdarsteller.

Sabrina Weckerlin zeigt schon in den ersten Szenen viel Einfühlungsvermögen und mütterliche Sorge. Ihr Zusammenspiel mit dem jungen Tarzan ist sehr sympathisch und „Dir gehört mein Herz“ interpretiert Weckerlin unendlich sanft und zärtlich.

Als brummiger Silberrücken Kerchak kann Patrick Stanke leider nicht ganz überzeugen. Er wirkt zu jung für den Sippenchef und reicht auch gesanglich kaum an die Dominanz und Stärke heran, die man von diesem erwartet. Die Szene, in der Kala und Kerchak sich über Tarzans Zukunft entzweien, ist aber von beiden sehr gut gespielt und macht klar, dass beide starke Charaktere sind, die sich keinesfalls einfach so unterordnen.

Massimiliano Pironti ist schön verspielt und albert herum, ohne den Bogen zu überspannen. Auch gesanglich kann er die überbordende Energie des halbstarken Gorillas Terk gut über die Rampe bringen. Das wird auch in der Auftaktszene zum zweiten Akt („Chaos im Lager“) deutlich, in der Terk mit anderen Gorillas zur großen Freude der Zuschauer jede Menge Unheil anrichtet.

Tessa Sunniva van Tol ist eine sehr selbstbewusste Jane, die in der männerdominierten Forscherwelt problemlos ihre Frau steht. Ihre holländische Herkunft kann sie nicht gänzlich verhehlen, doch fällt diese in den Gesangspassagen nicht ins Gewicht. Insbesondere ihr Duett mit Klaws („Auf einmal“) ist wunderbar harmonisch. Van Tol ist eine sehr gute Wahl, da sie nicht so süßlich ist wie manche ihrer Vorgängerinnen, sondern man sich sehr gut vorstellen kann, wie sie später an Tarzans Seite den Dschungel auf Vordermann bringt.

Janes schusselig-liebevollen Vater gibt erneut Japheth Myers. Er hatte diese Rolle im Laufe der Jahre perfektioniert und man nimmt ihm den alternden, überaus britischen Forscher in jeder Sekunde ab.

Auch Alexander Klaws bringt viele Jahre Erfahrung als Tarzan mit. Während er jedoch im ersten Akt noch vergleichsweise unauffällig bleibt, setzt er mit „Fremde wie ich“ in der zweiten Hälfte eine Hausmarke. Wenn er für sich feststellt: „Ich bin ein Mensch“ kann man fast eine Stecknadel fallen hören, so sehr haben sein Song und seine Interpretation die Zuschauer gefesselt.

Hinzu kommt noch die ausgeprägte Athletik, die Klaws im Vergleich zu Hamburg noch weiter ausgebaut zu haben scheint. Nicht nur seine eingesprungenen Vorwärtsrollen sind beachtlich!

Dass es in Disney’s „Tarzan“ weniger um die Liebesgeschichte zwischen Affenmann und Forschertochter geht, sondern vielmehr um die enge Bindung der Gorillafamilie und insbesondere von Kala zu ihrem menschlichen Sohn, wird zum Ende hin glasklar: zum einen als sich Kala von Tarzan verabschiedet, der sich entschlossen hat mit Jane nach England zu gehen („Dir gehört mein Herz“), und danach als Kerchak stirbt und Kala von ihm Abschied nimmt („Wie Sonne und Mond“). Die Emotionen, die vor allem Weckerlin in diesen Szenen zeigt, sind greifbar.

Am Ende bleibt Tarzan natürlich mit seiner Jane im Dschungel, der Professor segelt mit seinem Gefangenen Clayton (von Imhof sehr ruppig-norddeutsch gespielt) nach England zurück und die Gorillasippe ist glücklich über ihren neuen Anführer.

„Tarzan“ ist eine abwechslungsreiche und inhaltsvolle Disney-Show, die auch in der optisch angepassten Oberhausener Fassung Spaß macht. Jedoch macht vor allem die sehr gute Besetzung und die detaillierte Herausarbeitung der Charaktere diese Inszenierung sehens- und empfehlenswert.

Michaela Flint

Theater: Metronom Theater, Oberhausen
Besuchte Vorstellung: 7. Januar 2017
Darsteller: Alexander Klaws, Tessa Sunniva van Tol, Sabrina Weckerlin, Patrick Stanke, Japheth Myers, Massimiliano Pironti, Patrick Imhof
Musik / Regie: Phil Collins / Bob Crowley
Fotos: Stage Entertainment