home Interviews mit Darstellern 15 Jahre Heiße Ecke im Schmidt Theater – ein Lottogewinn mit Familienanschluss

15 Jahre Heiße Ecke im Schmidt Theater – ein Lottogewinn mit Familienanschluss

Seit 2003 haben mehr als 2 Millionen Zuschauer über 4200 Vorstellungen von „Heiße Ecke“ in Hamburg besucht. So lange lief nicht einmal der Dauerbrenner „Cats“ in der Musicalhochburg Hamburg. Einzig der „König der Löwen“ kann in der Hansestadt eine längere Spielzeit vorweisen. Grund genug, nach 12.624 zerdrückten Bierdosen und 25.248 verspeisten Würstchen (beides auf der Bühne) nachzufragen, was das Geheimnis des Erfolgs ist. Diese Frage haben wir Heiko Wohlgemuth, Songtexter, und Anja Majeski, seit 2005 festes Mitglied des „Heiße Ecke“-Ensembles, gestellt.

Zum einen liegt dies sicherlich am Thema selbst: Das Publikum kommt vom Kiez ins Theater, erlebt auf der Bühne 24 Stunden auf dem Kiez und wird danach wieder auf die Reeperbahn entlassen. „Die Menschen erkennen sich auch dank der vielen Aktualisierungen in ihrem Alltag wieder. „Heiße Ecke“ ist so echt und so nah dran am echten Leben, dass es manchmal schon erschreckend ist.“ meint Anja Majeski.  Die Authentizität der Charaktere lässt die Zuschauer einen Aha-Moment nach dem anderen erleben. Heiko Wohlgemuth erinnert sich genau: Das Stück war als Spielplanfüller für sechs Wochen geplant und entstand binnen weniger Wochen, „aber „Heiße Ecke“ war und ist die richtige Show zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die Show ist ein Lottogewinn für uns alle! Es ist ein ehrliches Stück, das sich seinen Ruf durch Mundpropaganda erarbeitet hat.“

Die viel zitierte „Schmidt“-Familie“ spielt gerade bei dieser Profuktion eine besondere Rolle. Viele Darsteller sind von Anfang an dabei oder sind nach Abstechern an andere Theater wieder ans Tivoli zurückgekehrt. „Man verbringt hier einen Haufen Lebenszeit miteinander. Die Darsteller verstehen sich gut. Es ist wie in einer Familie, man fordert sich heraus, wächst aneinander. Es gibt hier am Haus sehr wenig Eitelkeiten und Neid. Familie ist im Schmidt Theater kein leeres Wort!“ erläutert Wohlgemuth. Anja Majeski fügt hinzu: „Ich liebe dieses Stück und dieses Haus unsagbar. Es gibt viele kleine Momente, die mir im Gedächtnis geblieben sind, aber vor allem, das was hinter der Bühne passiert, macht es so besonders. Im Kern ist das Ensemble seit 15 Jahren zusammen, wir haben Hochzeiten, Schwangerschaften, Mütter, die gegangen und zurückgekehrt sind, erlebt, auch Abschiede von liebgewonnenen Kollegen gehören dazu, aber wir sind ein Netzwerk und immer alle füreinander da. Das Geheimnis ist, dass wir alle gern miteinander auf der Bühne stehen. Es ist zwar immer harte Arbeit, das Stück frisch zu halten und die Dynamik auf das jeweilige Publikum anzupassen, um es mitzuziehen, doch im Großen und Ganzen lieben wir uns alle sehr. Es sind die kleinen Momente, die es zu den großen macht.“

Auch die Flexibilität, die man den Künstlern sowohl auf als auch neben der Bühne lässt, trägt ein gutes Stück zum Erfolg bei. Ob es nun die kleinen inhaltlichen Anpassungen der Show an das (tages-)aktuelle Geschehen sind, oder neue Gags und kleine Fehler, die man hier einfach charmant in die Show integrieren kann. „Die Zuschauer sehen jeden Abend etwas Besonderes. Kaum eine Show ist wie die andere.“ bestätigt Wohlgemuth. Da steht dann auch schon mal Corny Littmann mit dem Textbuch auf der Bühne, weil er kurzfristig für einen Kollegen eingesprungen ist. Oder Wohlgemuth wird vom Familienessen im benachbarten Theaterrestaurant direkt auf die Bühne geholt, da ein Kollege erkrankt ist. (Die Familie hat das Essen dann auf dem Balkon während der Show fortgesetzt.) „Man muss hier nicht zwingend nach Schema F arbeiten.“ unterstreicht Wohlgemuth. „Nach so langer Zeit kann man sich auf seine eigenen Erfahrungen und die Kollegen verlassen. Man weiß, wo man Witze platziert, damit sie funktionieren und wird aufgefangen, wenn man nur 99% statt 100% geben kann, wenn es einem mal nicht so gut geht. Ich bin dadurch im Laufe der Zeit viel entspannter geworden und konnte die Figur der Hannelore weiterentwickeln, anstatt sie „nur“ von meiner Vorgängerin Carolin Spieß zu kopieren.“ ergänzt Majeski.

Spontaneität ist bei dieser Show und diesem Ensemble ein nicht zu vernachlässigendes Kernelement!

Auch wenn „Heiße Ecke“ für die Künstler auf und hinter der Bühne – wie Majeski sagt – im besten Sinne Alltag geworden ist, gibt es für alle auch ein Leben außerhalb der Frittenbude im Schmidts Tivoli. „Der Ausgleich ist sehr wichtig, um nicht bühnenblind zu werden.“ Für Anja Majeski ist dies neben Reisen und Quality Time mit Mann und Katze auch das sehr persönliche und emotionale Stück „90s Diaries“, das sie gemeinsam mit Sarah Matberg und Susi Banzhaf im Herbst 2016 im Schmidtchen auf die Bühne brachte und welches hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft dort noch einmal gespielt werden wird. Außerdem betätigt sie die Hobby-Bastlerin inzwischen auch als Ausstatterin an den Schmidt Theatern. Ihre kreative Energie kann sie beim Basteln der Requisiten für neue Stücke voll ausleben.

Heiko Wohlgemuth ist bekanntermaßen nicht „nur“ Autor und Songtexter, sondern steht auch selbst immer wieder gern im Schmidt Theater auf der Bühne. „Ich brauche die Bühne einfach!“ Und so pendelt er zwischen seinen beiden Lebensmittelpunkten Hamburg und Österreich regelmäßig hin und her. Wenn sein Kopf mal leer ist und er mit Meditation nicht weiterkommt, dann baut er Möbel. Auch diese lassen sich in Form von Kulissen hervorragend im Schmidt Theater (wie kürzlich bei „Tschüssikowski“) einsetzen. Aber apropos Österreich: wäre nicht Wien auch mal eine Option gewesen? „Wien hat sich nie ergeben, aber ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass ich etwas Besseres für mich finde als das Schmidt Theater. Ich wäre nicht der, der ich heute bin, ohne dieses Theater.“

Wenn das keine Liebeserklärung an die Schmidt-Familie ist! Ähnlich geht es aber auch Majeski, die sagt, dass sie sich nicht vorstellen kann, „Heiße Ecke“ vor der Derniere zu verlassen. „Ich habe immer gesagt, dass ich hier auch bis zu meiner Rente spielen würde. Dann wäre ich in Hannelores Alter und könnte die 50-60jährige Imbissbesitzerin noch glaubwürdiger spielen, als ich es 2005 mit Mitte Zwanzig konnte.“ sagt die Wahl-Hamburgerin lachend.

Auch und gerade im Jubiläumsjahr – das Schmidt Theater feierte am 8.8.2018 seinen 30. Geburtstag – spürt man sehr deutlich, dass es einen starken Zusammenhalt zwischen allen Kollegen und Kreativen auf und hinter der Bühne gibt. Viele von Ihnen sind quasi schon Inventar und aus den drei Häusern nicht mehr wegzudenken. Das gilt nicht nur für das Ensemble der erfolgreichen „Heißen Ecke“.

Michaela Flint
gekürzt erschienen in musicals – Das Musicalmagazin