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Billy Elliot

Endlich kann man Billy Elliot auch in Deutschland genießen!

Wenn sich schon kein Theaterproduzent traut, das im West End und am Broadway gleichermaßen erfolgreiche Tanzmusical nach Deutschland zu holen – die Kinobetreiber haben es getan: Im Sommer 2014 brachten sie eine Live-Übertragung von „Billy Elliot“ aus dem Victoria Palace Theatre in die deutschen Kinos. Und das Publikum riss ihnen die Tickets nur so aus der Hand.

Die Kameratechnik zeigt viele Details und man kann die ausdrucksstarke Mimik der Darsteller eindrucksvoll genießen. Manchmal ist es jedoch etwas zu viel der Technik, bspw. wenn die Kamera den Straußenfedertanz von Mrs. Wilkinson Ballettklasse von oben aufnimmt.

Doch dafür entschädigen herzrührende Szenen wie die Liegestützen des kleinsten Nachwuchsdarstellers, der diese unter lautem Fluchen absolviert. Auch Billy’s tanzende Großmutter („Grandma’s Song“) und die Grubenarbeiter, die mit den Ballettmädchen zu „Solidarity“ tanzen, gehören zu den Highlights der Show.

Wie viel Spaß den jungen Sängern und Schauspielern ihr Job macht, sieht man u. a. in der Szene, in der Michael und Billy sich durch den Kleiderschrank der Mutter wühlen und dabei die lustigsten Outfits anprobieren („Expressing Yourself“).

Eine unerwartet herausragende Performance liefert der Klavierlehrer ab: „Born to Boogie!“ sorgt für jede Menge mitwippender Knie im Kino. Stillsitzen fällt bei so viel geballter Energie wirklich schwer. Dass man nicht live im Theater dabei ist, vergisst man immer mehr. Die Aufnahmen sind von exzellenter Qualität und es gibt nur einige ganz wenige Anschlussfehler seitens der Kameraregie.

Die Szene, in der der kleine und der erwachsene Billy ihr Pas de Deux tanzen, gewinnt durch die Kamerafahrt noch an Intensität hinzu – Gänsehaut pur!

Widmet man sich kurz der Leistung der Akteure, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, muss man – neben Elliott Hanna, der einen sympathischen, glaubhaften Billy gibt, auf jeden Fall Deka Walmsley als Billy’s Vater und Ruthie Henshall als Tanzlehrerin Mrs. Wilkinson erwähnen. Beide spielend unglaublich berührend und authentisch. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Musiktheater in London auch heute noch eine ganz andere Qualität hat als in unserem Land.

Dass sich Briten auf der Bühne auch durchaus selbst auf die Schippe nehmen können, zeigt sich bei Billy’s Audition in der Royal Ballet School während sein Vater vor dem Safety Curtain nervös auf ihn wartet:

Er trifft auf einen anderen Vater, der ihn in lupenreinem Oxford English Mut zuspricht. Der Minenarbeiter aus Newcastle versteht aber nur Bahnhof.

Das wird auch nicht besser als ihm ein „ausnehmend gut bestückter“ Balletttänzer mit schottischem Akzent eine Zigarette anbietet. Man kann durchaus auf dieser kleinen Insel an Sprachbarrieren scheitern.

Dies zeigt sich auch wenn die Minenarbeiter wieder einfahren: Der A-Capella-Chor singt so blitzsauber und klar, dass dem Publikum ein Schauer nach dem anderen über den Rücken jagt.

Dieses Kinoerlebnis kann man nun auch zu Hause erleben. Die DVD ist ein Muss für jeden Musicalfan. Es darf gern mehr von diesen Stage-to-Disc-Exporten geben. Denn auf diesem Weg erreicht man ein breites Publikum, das nicht mal eben so nach London fliegt bzw. fliegen kann, um sich ein Musical anzusehen.

Michaela Flint

Regie: Stephen Daldry, Brett Sullivan
Darsteller: Elliott Hanna, Ruthie Henshall, Deka Walmsley, Ann Emery, Chris Grahamson, Liam Mower,  Zach Atkinson
Musik: Elton John
Verleih / Fotos: Universal Pictures