home Interviews mit Darstellern Ramin Karimloo – Phantom und kein Ende in Sicht?

Ramin Karimloo – Phantom und kein Ende in Sicht?

Im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums von „Phantom der Oper“ hat sich auch Ramin Karimloo den Fragen der Presse gestellt. Seit seinem West End Debüt 2002 als Enjolras in „Les Misérables“ hat sich der 34-jährige Kanadier mit Hauptrollen in „Love Never Dies“, „Phantom of the Opera“ und seit Anfang 2012 als Jean Valjean in „Les Misérables“ einen festen Platz in der Riege der ganz großen Musicalnamen erarbeitet.

Michaela Flint: Wenn man wie Sie, das Phantom der Oper sowohl in der Originalproduktion als auch in der Fortsetzung „Love Never Dies“ viele Male gespielt hat, freut man sich dann darauf, erneut diese berühmte Maske zu tragen?

Ramin Karimloo: Auf jeden Fall. Diese Rolle ist ein wichtiger Teil meiner bisherigen Karriere und ich fühle mich sehr geehrt, Teil dieser Jubiläums-Aufführungen zu sein. Ich bin mir sicher, dass wir viel Spaß haben werden und das neue Soundsystem in der Royal Albert Hall wird alle Zuschauer begeistern.

Michaela Flint: Wie umfangreich war für Sie die Vorbereitung auf diese Vorstellungen?

Ramin Karimloo: Als ich vor einem halben Jahr gefragt wurde, habe ich sofort begonnen, die Stücke wieder aufzufrischen und zu lernen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die eine Rolle immer gleich spielen. Ich habe mich seit dem letzten Mal weiter entwickelt, also lege ich die Figur auch etwas anders an.

Vieles wird zwar gleich sein, weil wir die Charaktere immer noch so sehen wie früher. Es gibt aber dennoch viele Kleinigkeiten, die ich neu entdecke, wenn ich die Songs durchgehe oder das Buch noch einmal lese. Insofern ist es auch diesmal der Beginn von etwas Neuem für mich.

Michaela Flint: Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie das „Phantom der Oper“ zum ersten Mal gesehen oder gehört haben?

Ramin Karimloo: Im Dezember 1992 auf einem Schulausflug in Toronto. Ich hatte überhaupt keine Lust dazu und dachte, es sei eine langweilige Oper. Mann, habe ich mich geirrt – es war großartig! Colm Wilkinson spielte damals das Phantom und ich hatte bis dahin niemals jemanden so singen gehört. Mich hatten die Künste bis dahin nie sonderlich gefesselt, aber ich wusste, dass es genau das sein würde, was ich später machen wollte.

Michaela Flint: Wollen Sie damit sagen, dass das „Phantom der Oper“ Sie zum Musical gebracht hat?

Ramin Karimloo: Defintiv. Nachdem ich diese Show gesehen hatte, begann ich mich für Musik zu interessieren und ich verfolgte die Karrieren von Daniel Day-Lewis, Al Pacino und Robert de Niro, weil ich so werden wollte wie sie. Ich entschied mich, Schauspieler zu werden und erinnere mich, dass ich die Rolle des Phantoms unbedingt spielen wollte. Ich wusste schon damals, wie ich das Phantom spielen würde und dass ich ein jüngeres Phantom spielen würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals Londons jüngster Phantom-Darsteller sein würde.

Michaela Flint: Für diese Rolle muss man auch exzellent singen können, es ist wahrlich keine reine Schauspielrolle, oder?

Ramin Karimloo: Stimmt, leider braucht man hierfür viele Fähigkeiten. Aber ich mache mir darüber nicht allzu viele Gedanken. Für mich ist das Herz der Figur das Wichtigste. Ich versuche nicht, perfekt zu sein. Jede Aufführung ist anders.

Michaela Flint: Was genau ist das Herz dieser so rätselhaften Figur?

Ramin Karimloo: Das Phantom ist sehr kompliziert: Oberflächlich betrachtet, ist er ein entstellter Mörder. So sehen ihn die Leute. Doch tatsächlich ist er ein Opfer der sozialen Umstände, was mir das Herz bricht. Denn vieles, was geschieht ist die Konsequenz daraus, wie er behandelt wird und hätte vermieden werden können. In Wirklichkeit ist er ein leidenschaftlicher, genialer Komponist mit vielen Charaktereigenschaften. Im tiefsten Inneren ist er immer noch ein Kind, das nie erwachsen wurde, weil es keine Eltern oder andere liebenden Menschen um sich hatte. Man hat sein Gesicht gesehen, ihn misshandelt, weggesperrt und wie ein Tier behandelt. Ich denke, wenn man jemanden so behandelt, wird er sich später auch wie ein Tier verhalten.

Michaela Flint: 2004 standen Sie für ein Jahr als Raoul auf der Bühne des Her Majesty‘s Theatre. Haben Sie damals schon auf die Rolle des Phantoms spekuliert?

Ramin Karimloo: Absolut. Ich wollte diese Rolle unbedingt spielen. Aber damals war es wichtiger, dass ich mein Handwerk lerne. Ich war noch nicht reif für das Phantom. Aber Raoul ist eine tolle Rolle, was leider allzuoft übersehen wird. Mit Laurence Connor, dem neuen Regisseur, konnte ich einen viel lebhafteren und leidenschaftlicheren Raoul erschaffen. Dadurch konnten sich die Zuschauer noch mehr mit ihm identifizieren.

Michaela Flint: Ihr erster Auftritt als Phantom war eher ungewöhnlich…

Ramin Karimloo: Oh ja. Ich bin für einen Kollegen eingesprungen und habe die imposante Kronleuchter-Szene komplett ruiniert, weil ich mir den Fuß eingeklemmt hatte, der Engel nicht hochgefahren werden konnte und damit der Kronleuchter seine Position nicht verlassen durfte. Es tut mir immer noch sehr leid, aber ich konnte meinen Fuß nicht befreien und daher konnte die Szene nicht wie geplant umgesetzt werden. Ich war erst 26 oder 27 Jahre als das passierte und es ist mir immer sehr unangenehm…

Michaela Flint: Wie lange dauert Ihre Verwandlung von Ramin zum Phantom der Oper?

Ramin Karimloo: Normalerweise dauert es nicht so lange. Die Maske selbst ist auch nicht das Problem. Es ist die Gesichtsprothetik, die sehr aufwändig ist und die ich auch ganz sicher nicht vermissen werde. Ich habe diese Rolle in beiden Produktionen jetzt insgesamt vier Jahre gespielt und meine Haut wird sich sehr über die Erholung freuen.

Da die Jubiläums-Vorstellungen in Hi-Definition gefilmt werden, wird auf die Maske besonderen Wert gelegt. Chris Tucker, der ursprüngliche Designer der Show, wird höchstpersönlich Hand anlegen, so dass es in etwa zwei Stunden dauern wird, bis ich die weiße Maske aufsetzen kann.

Michaela Flint: Was denken Sie ist das Erfolgsgeheimnis des „Phantoms der Oper“?

Ramin Karimloo: Das Stück kam einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort raus. Man kann dieses Stück mit heutigen Musicals nicht vergleichen, da sich viel im Musicalbusiness verändert hat. Das „Phantom der Oper“ hat unglaubliche, sehr bewegende Musik – nur wenige Akkorde reichen, um die Zuschauer zu berühren. Außerdem ist das Buch perfekt. Es ist nicht zu kompliziert, die Leute können eine Beziehung zu den Handelnden herstellen. Ganz besonders natürlich zum Phantom und seinem wahren Inneren. Hinzu kommt noch Cameron Mackintoshs großartige Produktion: In Sekunden verwandelt sich das Bühnenbild in eine komplett neue Szenerie. Rundherum ein perfektes Musical.

Michaela Flint: Wie war die Zusammenarbeit mit Andrew Lloyd Webber?

Ramin Karimloo: Es ist etwas ganz Besonderes, fast schon surreal. Wir haben bei „Love Never Dies“ eng zusammen gearbeitet und nehmen so seit drei, fast vier Jahren am Leben des anderen teil. Es war schon seltsam, tagsüber am Sequel zu arbeiten und abends in der Originalshow als Phantom auf der Bühne zu stehen. Andrew hat mich immer motiviert und unterstützt. Ganz besonders im Studio hat er mich immer wieder ermutigt, mich selbst einzubringen. Er hat mich nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt. Gerade durch diese Zusammenarbeit bin ich zu einem besseren Musiker geworden.

Michaela Flint: Werden Sie das Phantom in Zukunft noch einmal spielen oder sind diese Jubiläums-Vorstellungen Ihr Abschied von dieser Rolle?

Ramin Karimloo: Man sagt zwar, sag niemals nie, aber ich muss mich vom Phantom verabschieden, denn wohin kann ich mit dieser Rolle noch kommen? Das ist nicht einfach ein Job für mich, sondern meine Passion. Ich muss an genau diesem Punkt gehen, um wiederkommen zu können. Ich muss gehen, um mein Handwerk weiter zu verbessern. Ich habe wunderbare Angebote und ich möchte austesten, was daraus werden kann und wie ich mich von dort aus weiterentwickeln kann.

Michaela Flint: Meinen Sie, die „Phans“ werden das verstehen?

Ramin Karimloo: Ich habe in den letzten Jahren viel Unterstützung durch unsere Fans erfahren. Ich betrachte bestimmte Rollen wie die des Phantoms und überlege, wie ich damit ein noch größeres Publikum und noch mehr Unterstützer erreichen kann. Bisher ist alles sehr gut gelaufen und ich bin den Fans sehr dankbar, denn ohne sie hätte ich diese Karriere nicht machen können.

Am 9. April 2012 erscheint Ramin Karimloos Debüt-Album „Ramin“, auf dem sowohl Musical-Hits als auch eigene Songs zu hören sein werden. Mehr Informationen unter www.raminofficial.com

Michaela Flint