home 2015 Mitreißende Musik und eine bekannte Handlung allein genügen nicht immer

Mitreißende Musik und eine bekannte Handlung allein genügen nicht immer

Man ist sofort drin in der Handlung des 80er Jahre Klassiker „Flashdance“: die genauso robuste wie leichtfüßige Schweißerin Alex, ihr mit seinen Aufgaben sichtlich unzufriedener Boss Nick, die leichtgläubige Gloria und ihr gar nicht witziger Komikerfreund Jimmy. Die Handlung des Musicals wurde im Vergleich zum Film deutlich zusammengestrichen (Buch: Tom Hadley und Robert Cary). Man beschränkt sich auf die wesentlichen Charaktere und Hits, die Robbie Roth um weitere Songs ergänzt hat.

Die Schweißerin Alex, verdient sich nachts als Tänzerin in einem Club etwas Geld dazu, da es ihr großes Ziel ist, eine Ausbildung zur professionellen Tänzerin zu absolvieren. Ihr neuer Boss und späterer Freund Nick lässt seine Beziehungen spielen, damit sie in der renommierten Shipley Tanzakademie vortanzen darf. Dies gefällt der selbstbewussten Alex überhaupt nicht. Zu allem Überfluss stirbt auch noch Hannah, die ihr zeitlebens eine gute Freundin und strenge Ballettlehrerin gewesen war. Doch am Ende zeigt sie der Jury, was sie kann und wird mit Kusshand aufgenommen.

Parallel wird der Druck für ihre Freundin Gloria so stark, dass sie den Verlockungen des neuen Clubs unten an der Straße erliegt – egal wie schmierig dessen Betreiber C. C. auch sein mag. Sie träumt von einer großen Karriere als Showgirl, muss aber schnell feststellen, dass sie dort nur ein Animationsgirl ist. Nachdem ihr Freund Jimmy sie dann auch noch zugunsten seiner vermeintlich vielversprechenden Komiker-Karriere in New York verlässt, flüchtet sie sich in Drogen und Alkohol, bis Alex sie aus diesem Teufelskreis herauszieht.

Bei den Burgfestspielen in Bad Vilbel wird das Stück von Christian H. Voss inszeniert, der bereits im fünften Jahr für diese Bühne tätig ist. Das 18-köpfige Ensemble besteht aus Musical-Vollprofis, die allesamt ihre Stärken und Schwächen haben.  Es ist keiner darunter, der in allen drei Sparten überzeugt – und bei einem Musical, in dem Tanzen im Mittelpunkt steht, sind alle drei Sparten gleichermaßen erforderlich.

Die neuen Songs von Roth werden in der deutschen Übersetzung von Anja Hauptmann vorgetragen, während die Welthits wie „Maniac“, „Manhunt“, „Gloria“ und „What a Feeling“ im englischen Original gesungen werden. Diese Mischung fällt aber nicht weiter ins Gewicht. Erwartungsgemäß geht das Publikum bei den bekannteren Songs richtig mit, freut sich aber auch über das ein oder andere gut arrangierte Duett zwischen Nick und Alex.

Die Hauptdarsteller spielen alle gut und können überzeugen. Insbesondere Barbara Goodman gelingt eine herausragende Interpretation der Hannah: Mit viel Witz und Schlitzohrigkeit bringt sie Alex so weit, dass sie sich bei der Shipley Akademie bewirbt. Dass sie nicht einmal einen akzeptablen Sprechgesang über die Rampe bringt, ist zwar erschreckend. Doch irgendwie sieht man es ihr nach, da sie schauspielerisch einfach zu gut ist. Julia Waldmeyer gibt eine sehr sympathische Alex. Der Lockenkopf steht ihr sehr gut und sie weiß ihren Körper rollenkonform zu bewegen. Dass sie nicht an die weltbekannten Tanzszenen zu „What a feeling“ heranreicht, kann man ihr leicht verzeihen. Auch Jennifer Beals konnte diese Erwartungen 1983 nicht erfüllen. Als Stahlwerks-Boss Nick steht Tim Al-Windawe seinen Mann. Er harmoniert im Spiel gut mit Waldmeyer und hat es sichtlich nicht leicht, einen Stich bei der selbstbewussten jungen Frau zu machen, gesanglich hängt sie ihn jedoch ab. Die glücklose Gloria wird von Janice Rudelsberg verkörpert. Sie überzeugt schauspielerisch zu 100 %, es wird aber genauso klar, dass ihr Roths Kompositionen nicht liegen und sie auch Popnummern wie „ Maniac“ nicht souverän präsentieren kann. Der Möchtegern-Comedian Jimmy hat naturgemäß eine sehr dankbare Rolle und Marcel Kaiser füllt diese sehr gut aus. Auch gesanglich kann er als einer von Wenigen überzeugen.

Das Ensemble fällt vor allem dadurch auf, dass es sich nicht sonderlich geschmeidig bewegt und die Treffsicherheit von Tönen bei vielleicht 80 % liegt. Da wird einem so manches Mal recht mulmig.

Generell scheint auf den Gesang nicht allzuviel Wert gelegt worden zu sein, denn dass die Darsteller singen können, haben sie in anderen Produktionen deutschlandweit bereits bewiesen. Doch hier wirkt es manches Mal als würden dem Publikum diejenigen DSDS-Teilnehmer vorgeführt, die es keinesfalls in den Recall geschafft hätten („I love Rock’N’Roll“).

Auch choreographisch gibt es leider keine Highlights zu berichten. Till Nau hat sich bestimmt bemüht, seinen Kollegen die schwungvollen, mitreißenden Choreographien zu vermitteln. Doch schaut man genau hin, sind es nur zwei oder drei Darsteller, die diese auch perfekt umsetzen können.

Viel Potential wurde aber auch szenisch verschenkt. Ein exemplarisches Beispiel ist die bekannte „Wasserdusche“ zu „What a feeling“ – in Bad Vilbel fällt nur ein kleines Rinnsal auf Alex hinab und sofort schließt sich der Vorhang. Da waren viele Zuschauer zurecht enttäuscht.  Auch das finale Vortanzen irritiert: Der ganze Song wirkt langsamer und Waldmeyer scheint mit angezogener Handbremse zu tanzen, wo man volle Energie erwarten würde. Dennoch erkennt man Elemente aus der Originalchoreographie, die vom Publikum lautstark beklatscht werden.

Wenn man die diesjährige Inszenierung von „Singin’ in the Rain“ in Bad Vilbel gesehen hat, weiß man, dass dieselben Darsteller auch ganz anders können. Insofern kann man die Ursache für diese mäßige Umsetzung nur beim Kreativteam suchen. Schade, dass „Flashdance“ nicht überzeugen kann.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Burgtheater, Bad Vilbel
Besuchte Vorstellung: 2. Juli 2015
Darsteller: Julia Waldmeyer, Tim Al-Windawe, Janice Rudelsberg, Barbara Goodman, Marcel Kaiser
Musik / Regie: Robbie Roth / Christian H. Voss
Fotos: Burgfestspiele Bad Vilbel