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Frank Nimsgern über Maricel, „Daddy Cool“ und den „Ring des Nibelungen“

Neben Darius Merstein-MacLeod und Henrik Wager gehörte auch Frank Nimsgern zu den Gästen, die sich Maricel zur Bereicherung ihres Soloprogramms „Stärker“ eingeladen hatte, das am 12. August im Ebertbad Oberhausen über die Bühne ging. Da der Komponist von „Poe“, „Hexen“ und „Paradise of Pain“ zurzeit als Musical Director und Co-Composer / Arranger die Deutschlandpremiere von „Daddy Cool“ vorbereitet, gab es mehr als genug spannende Themen, über die er berichten konnte.

Michaela Flint: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Maricel?

Frank Nimsgern: Ich las zum ersten Mal von Maricel als ich auf einer Zugfahrt die Kritiken zu „Hexen“ las und mir beim Blättern eine CD-Besprechung von Maricels CD „Stärker“ ins Auge fiel. Ich kannte sie überhaupt nicht – und dass, obwohl ich gerade erst 500 Künstler gecastet hatte, fand sie aber vom Typ her sehr attraktiv. Da sie außerordentlich gelobt und als neuer Stern am deutschen Musicalhimmeln bezeichnet wurde, habe ich Kontakt zu ihr aufgenommen. Unser erstes Gespräch war wie eine Filmszene aus einem Tarantino-Film: Als ich Maricel anrief, war sie gerade in einem Baumarkt. Es war kurz vor 20 Uhr und mit einem Mal schrie sie mir ins Ohr, dass sie eingesperrt würde und man sie retten müsste. Erst später erfuhr ich dass es der Baumarkt war…

Wir haben uns menschlich sofort sehr gut verstanden und danach einige Songs zusammen erarbeitet. Ich halte Maricel für eine der ganz großen Stimmen in Deutschland. Für dieses Konzert in Oberhausen hatte sie mich angerufen und gefragt, ob ich drei Songs spielen könnte. Daraus wurden dann zehn Songs mit 200 Seiten Noten und Henrik Wager wurde von mir dazu genötigt umzublättern (lacht) – ich denke ein Höhepunkt in seiner Karriere.

Michaela Flint: Hatten Sie viel Probenzeit für Maricels Konzert?

Frank Nimsgern: Nein. Ich hatte eine zweistündige Probe für alles. Die meiste Kommunikation fand ja via E-Mail statt, weil ich für „Daddy Cool“ viel unterwegs war. Maricel hatte mir die Noten gemailt – ganze 150 MB – was meinen Provider lahm legte!! Das war ein Klassiker. Trotzdem – Maricel hat diesen natürlichen Enthusiasmus, den ich vor 10 Jahren hatte und leider immer öfter wieder in mir suchen muss. Deutschland hat eine hervorragende Theater- und Musicallandschaft, aber ich würde mir schon wünschen, dass mehr neue Stücke und Stoffe gefördert werden. Jede „Evita“- oder „Hair“-Produktion hat ihre Berechtigung, aber es Zeit, dass auch neue Autoren und andere Stücke gespielt werden. Theater und Sponsoren sollten sich in dieser Hinsicht ruhig mehr trauen.

Michaela Flint: Mit Ihren Stücken gehören Sie aber doch durchaus zu den erfolgreicheren neuen Komponisten, die regelmäßig gespielt werden.

Frank Nimsgern: Ja, und ich möchte ich auch nicht beschweren. 90 % der neuen Musicals werden als Flop geboren. Meine Stücke hatten für Theaterverhältnisse immer sensationelle Auslastungen – und das mit einem Sechzigstel des Budgets. Aber im Prinzip war einer meiner Höhepunkte meiner bescheidenen Karriere vor sechs Jahren, dass „Paradise of Pain“, „Poe“ und „Elements“ zeitgleich in Deutschland aufgeführt wurden und man mir den deutschen Fernsehpreis verlieh. Seitdem ist aber der Markt erheblich „kleiner“ geworden. Ich kenne eine ganze Menge Musicalkünstler, die heutzutage Jobs annehmen, die sie vor zwei bis drei Jahren nicht gemacht hätten. Der Markt ist deutlich enger und monopolistischer geworden, alle müssen sich anpassen. Es gibt eben zu wenig Neues.

Michaela Flint: Die Forderung nach mutigeren Theatermachern hört man immer häufiger. Was würden Sie sich wünschen?

Frank Nimsgern: Vorab und ganz wichtig: Deutschland hat eine der besten Theaterstrukturen der Welt und ich bin sehr sehr dankbar, hier arbeiten zu dürfen. Eine tolle Gelegenheit war das Schlossparktheater und „Pinkelstadt“. Daraus hätte wirklich etwas werden können. Es ist sehr schade, dass dieses Konzept nicht weiter verfolgt wurde. Ich bin sehr froh, dass ich die Gelegenheit hatte, einige meiner Stücke im Friedrichstadtpalast uraufzuführen. Sowohl „Elements“ als auch „Hexen“ liefen dort sehr gut. „Paradise of Pain“ ist bis heute das erfolgreichste Stück am Staatstheater Saarbrücken gewesen, obwohl es Ecken und Kanten hatte. Unabhängig von allen Trends und Prognosen haben wir bis dato von allen „meinen Werken“ über 1,3 Millionen Tickets verkauft. Man sieht, es geht doch!

Trotzdem denke ich, die Intendanten sollten ihre zahlreich vorhandenen Möglichkeiten nutzen und nicht nur wieder die „üblichen verdächtigen“ Musicals spielen, um ihre Auslastungszahlen zu verbessern, obwohl auch sie eigentlich im Herzen lieber „Woyzeck“ sehen wollen.

Das pluralistische kreative Stadt-/Staatstheater ist meiner Meinung nach die Rettung. Damit kann sich ein Musicalfan auch für den „Fliegenden Holländer“ begeistern und der Wagnerianer zum Beispiel für „Poe“. Die Trennung „wir Kunst – ihr Unterhaltung“ halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Mozarts „Don Giovanni“ wurde als Volksoper und Komödie geplant und heute ist sie die Oper schlechthin.

Sind wir doch mal ehrlich, da ich dank meines Vaters (Opernsänger und Grammy Award Gewinner, Anm. d. Red.) wirklich aus einem klassischen Musikstall komme: Bevor ich nicht großen Dirigenten oder meinem Vater meine ersten Orchesterpartituren gezeigt hatte, wurde auch nicht ernst genommen.

Michaela Flint: Sie tanzen zurzeit auf den sprichwörtlich vielen Hochzeiten. Sie sind Musical Director für „Daddy Cool“, reisen für die Auditions um die halbe Welt, arbeiten an einem neuen eigenen Stück und treten „nebenbei“ noch bei Konzerten wie diesem auf…

Frank Nimsgern: Das ist auch gut so. Ich liebe diese Vielseitigkeit und unterstütze Events wie dieses Konzert sehr gern. Wenn man in so einer festen Struktur ist wie bei „Daddy Cool“ ist es ganz besonders wichtig, dass man den direkten Kontakt zum Publikum, also das Spielen, nicht verliert. Immerhin ist das der Grund, warum ich einmal Musiker geworden bin. Außerdem ist es für mich eine Gelegenheit, wieder Bodenhaftung zu bekommen. Ich habe neben größeren Produktionen immer an kleineren Inszenierungen mitgearbeitet.

In letzen Jahr lief „Hexen“ im Berliner Friedrichstadtplast mit täglich 1.400 Zuschauern, habe „Arena“ in einem kleinen Theater mit 300 Plätzen 60 Mal gespielt und „Poe“ in München und Saarbrücken 70 Mal geleitet und gespielt.. Das hält frisch und lässt meine „instrumental skills“ auch nicht einschlafen. Dadurch, dass ich immer wieder die Perspektiven gewechselt habe, habe ich in den letzten Jahren am meisten gelernt. Ich bin froh, einer der wenigen Komponisten zu sein, die ab und an mit auf der Bühne stehen. So lerne ich, wie die Darsteller das Stück fühlen und wie der Kontakt zum Publikum ist. Man kann nicht über die Liebe schreiben, wenn man sie nicht erfahren hat oder aktiv lebt.

Michaela Flint: „Daddy Cool“ feiert am 21. September Weltpremiere in London. Was genau ist Ihr Anteil daran?

Frank Nimsgern: Gemeinsam mit Frank Farian schreibe ich den so genannten Additional Underscore für die Show, also alles, was nicht Boney M ist. Für die deutsche Produktion bin ich zudem auch für alles andere verantwortlich, was mit Musik zu tun hat: Ich bin mit bei den Castings, werde die musikalischen Proben leiten und das Stück nach der Deutschland-Premiere auch die ersten Monate dirigieren.
Ich bin sehr stolz, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Frank Farian hat mit Künstlern wie Boney M, Milli Vanilli usw. über 120 Millionen Alben verkauft. Eine heutzutage kaum vorstellbare Zahl. Natürlich ist „Daddy Cool“ kein hoch anspruchsvolles Stück mit einer ausgeklügelten Handlung, aber es ist so konzipiert, dass man es selbst dann versteht, wenn man der englischen Sprache nicht mächtig ist.

Michaela Flint: Kannten Sie Frank Farian schon vor diesem Projekt?

Frank Nimsgern: Ich arbeitete in seinen Studios als ich noch für Chaka Khan komponiert und eingespielt habe, aber außer „Hi/Bye“ war keine Kommunikation mit ihm möglich. 10 Jahre später saß Frank Farian eines Tages bei „Poe“ im Publikum, weil Peti van der Velde (damals in der Cast) für „Daddy Cool“ angefragt wurde. Danach kam er in die Kantine und hat mir erzählt, dass er zum ersten Mal im saarländischen Staatstheater war – und das in meinem Stück – und war extrem angetan, von unserer Arbeit. Wir haben dann lose Kontakt gehalten und irgendwann rief er mich wegen „Daddy Cool“ an. Seitdem bin ich Vielflieger: Miami, London, Amsterdam, Paris, Stockholm, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin – alles in den letzten zwei Monaten.

Michaela Flint: Wie ist der aktuelle Stand für Deutschland?

Frank Nimsgern: Nachdem die Premiere und auch die Previews in England sehr nach hinten geschoben wurden, bin ich froh, dass es nun in fünf Wochen wirklich losgeht. Die deutsche Produktion ist anders. Sie wird als Tourproduktion konzipiert und daher wird daran noch weiter gearbeitet. Wir haben die ganze Zeit unabhängig von London gearbeitet. Eigentlich sollte die Premiere bei uns im Dezember sein, aber es sieht so aus, als würde die Deutschlandpremiere erst im kommenden Frühjahr in Berlin stattfinden. Die Castings sind aber zu 80 % abgeschlossen und wir sind sehr froh, neue Talente gefunden zu haben.

Michaela Flint: Im Frühjahr haben Sie erwähnt, dass ihr nächstes eigenes Stück bereits in Arbeit ist. Wie kommen sie damit voran? Können Sie uns schon verraten, worum es geht?

Frank Nimsgern: Mein nächstes Musical wird im Dezember 2007 in der Oper Bonn uraufgeführt. Es heißt „Der Ring“ und erzählt die Geschichte vom Ring des Nibelungen – leicht gekürzt und in Farbe (lacht). Den Text schreibt der von mir sehr geschätzte Daniel Call. Es ist ein schwieriges Thema mit einer genialen und unschlagbaren Vorgabe von Richard Wagner, aber man wächst an seinen Aufgaben. Call und mir geht es ganz bestimmt nicht darum, irgendetwas „besser“ zu machen (da dies unmöglich ist), aber der Stoff ist so zeitlos und archaisch , dass die Neuinterpretation zwingend war. Allerdings werden wir nicht nur die Geschichte vom Helden Siegfried erzählen, sondern dass, was vorher geschehen ist und was danach passiert. Diese Ursprungs-Story war übrigens auch die Basis für den „Herrn der Ringe“ von J.R.R. Tolkien und viele andere Filmblockbuster wie zum Beispiel “Matrix“. Den Entwicklungsprozess unsers „Rings“ kann man auf meiner Website nach“surfen“.

Michaela Flint: Das klingt nach einer spannenden Geschichte. Wir wünschen Ihnen für die kommenden Monate viel Erfolg und freuen uns auf Ihre nächsten Auftritte auf der Bühne.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical