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3 Musketiere – Dresser, Maske & Stage Management

Dass die Hinterbühne im Theater des Westens nicht zu den größten Deutschlands zählt, ist bekannt. Auch dass sich die Theatermacher in Berlins Traditionstheater immer wieder etwas Anderes ausdenken müssen, um alle Kulissen und Garderoben im Backstage-Bereich unterzubringen, ist seit unserem großen Bericht in blickpunkt musical 02/04 Ausgabe März-April 2004 nichts Neues mehr.

Für das pompöse Ausstattungsstück im Stil der klassischen Mantel & Degen-Filme wurden 350 Kostüme und 250 Paar Schuhe entworfen. Auch die Ideen für die 250 Perücken (110 davon sind in jeder Show im Einsatz) kommen vom Kostümdesigner Yan Tax, der auch schon „Tanz der Vampire“ und „Elisabeth“ mit seiner prachtvollen Arbeit in Szene setzte. Besonders stolz ist Yan Tax auf die Ballkleider, die in der Jagdszene und beim Geburtstagsempfang zum Finale zu sehen sind. An dem Ballkleid mit den aufgenähten Sternen haben 80 Hochschul-studenten vier Monate lang gearbeitet. In einigen Kleidern stecken bis zu 15 m Stoff, was zu dem beachtlichen Gewicht von 15 kg führt, die die Darstellerinnen während einigen Szenen mit sich herumtragen.

Ca. eine Stunde vor Showbeginn herrscht in den Garderoben in den oberen Stockwerken des Theaters emsiges Treiben: Haare müssen geschneckelt, Gesichter geschminkt und Mikroports befestigt werden. Für jeden Darsteller gibt es ein Basis-Make-up, das während der Show nur leicht verändert oder aufgefrischt wird. In ihrer Garderobe, die sie sich mit drei Kolleginnen teilt, treffen wir Simone Geyer, die als Swing und Zweitbesetzung von Königin Anna alle weiblichen Rollen spielen kann, und schauen ihr beim Verwandlungsprozess zu: Innerhalb von 30 Minuten wird aus einer jungen Österreicherin die vom Leben gezeichnete Mutter d’Artagnans.

„Als ich mich zum ersten Mal mit so vielen Falten im Gesicht gesehen habe, habe ich gedacht ‚Oh, das ist ja meine Oma!’ Schon interessant, wie stark diese Ähnlichkeit hervorkommt.“ Je nach Bedarf unterstützen zahlreiche Maskenbildner die Künstler, doch Simone Geyer hat wie viele ihrer Kollegen bei den „3 Musketieren“ schon lange Erfahrung im Musicalbereich und weiß mit den zahlreichen Tiegeln und Töpfchen auf ihrem Tisch umzugehen. Im Gegensatz zu anderen Shows wie „Cats“, „Starlight Express“ oder auch „Tanz der Vampire“ leidet die Haut unter dem täglichen Schminken nicht zu extrem: „Das Make-Up bleibt den ganzen Abend. Wir müssen uns nicht großartig umschminken. Die Mutter von d’Artagnan tritt im Stück nur in der ersten Szene auf. Danach kommen die Falten weg und ich spiele verschiedene Ensemblerollen, ohne noch einmal lange in der Maske sitzen zu müssen.“ Parallel zu der optischen Verwandlung im Gesicht, ändert sich auch auf dem Kopf von  Simone Geyer einiges: Ihr langes blondes Haar wird in kleine Schnecken gedreht und festgesteckt.

Darüber kommt ein wenig attraktiver Strumpf, der die ganze Konstruktion zusammen und flach hält. Kurz vor der Show werden dann Mikroport und Perücke auf dem Kopf fixiert.

Als Swing muss Simone Geyer die Texte von zehn Rollen ständig parat haben. „Wir erfahren meistens einen Tag vorher, welche Rolle wir am nächsten Tagen spielen.“ Den Text für eine Rolle zu beherrschen ist schon schwer genug, aber gleich für zehn? „Ja, in der Probenzeit ist das wirklich ganz schön hart. Man hat jeden Tag eine neue Premiere, singt einen Song zum ersten Mal – das kostet schon viel Kraft und Energie. Doch danach läuft alles wie am Schnürchen. Wir haben eine Mappe, in der wir die Details – also Positionen, Texte, Maske, Kostüme etc. – zu jeder Rolle genau

aufschreiben.“ Doch das meiste kommt dann doch über das aktive Spielen auf der Bühne: Je häufiger ein Swing eine Rolle spielt, desto sicherer wird er bzw. sie.

Während sich die Künstler zum gesanglichen und körperlichen Warm-Up begeben, setzen wir unseren Backstage-Forschungstrip fort und lassen uns als nächstes von Ina Merker in die Geheimnisse der Bühnentechnik einweihen. In unzähligen Hintergrundberichten wird immer über Maske und Kostüme berichtet, doch die „3 Musketiere“ fallen auch und gerade durch diverse technische Raffinessen auf. Als Bühnenmeisterin wacht Ina Merker während der Show darüber, dass alle Programme ordnungsgemäß ablaufen. Neben 531 Scheinwerfern im Bereich Lichttechnik und 100 Lautsprechern sowie den Mikroports der Darsteller im Bereich Tontechnik zählt dazu vor allem die elektronische Steuerung der Wände und Projektionsflächen. Änderungen finden für den Zuschauer unmerklich im Sekundentakt statt. „Von der Minute, in der die Vorstellung beginnt bis zu dem Moment, an dem alle Darsteller die Bühne wieder verlassen, müssen wir mit höchster Aufmerksamkeit dem Geschehen folgen. Das nimmt einen ganz schön in Anspruch, zumal schon ein Klimawechsel ausreicht, damit die Züge nicht mehr einwandfrei zu steuern sind. Da laufen wir dann schon mal durchs Haus und machen alle Fenster und Türen zu, um Zugluft zu verhindern.“ Das passt natürlich den Künstlern auf der Bühne weniger, denn denen ist erfahrungsgemäß sehr warm.

Bei den „3 Musketieren“ ist zudem sehr viel Maschinentechnik im Einsatz. „Bei eventuellen Computerproblemen während der Show muss – bevor die Zuschauer etwas merken – kurzfristig entschieden werden, ob etwas weggelassen wird.“ Hintergrund bei all diesen Entscheidungen ist natürlich die Sicherheit aller Beteiligten auf und hinter der Bühne.

Die ehemalige Tischlerin ist als Quer-Einsteigerin zum Theater gekommen und hat ihren Meister in Bühnentechnik parallel zum Job gemacht. „Mich hat schon immer begeistert, dass unsere Technik der Kunst hilft, ein optimales Bild zu erlangen. Die Faszination in den Gesichtern der Zuschauer zu sehen, ist der Dank für die harte Arbeit hinter dem Vorhang“ Tagsüber sitzt Ina Merker im Büro und kümmert sich um die erforderlichen Verwaltungsaufgaben. Täglich gibt es einen Technik-Check, bei dem alle Computerbefehle ausgeführt werden und eventuelle Fehler im Vorwege ausgeschlossen werden können. Einmal pro Woche wird die Technik auf Herz und Nieren geprüft: „Da wird dann jedes Kabel und jeder Knopf überprüft. Wir stellen fest, ob einzelne Kulissen zu schnell oder zu hart aufsetzen und können das dann direkt beheben.“ Abends ist sie dann mit neun Mitarbeitern auf der Bühne, um „die Show zu fahren“. Ein Kollege sitzt dann am Pult, um die Obermaschinerie zu steuern, einer kümmert sich um die Requisiten und die anderen sieben greifen je nach Szene ein, um das Bühnenbild möglichst schnell und geräuschlos zu verwandeln.

Im Vorfeld jeder neuen Produktion wird die Bühnentechnik schon frühzeitig mit hinzugezogen, um abzustimmen, welche technischen Umbauten notwendig sind, um die neue Show in ein bestehendes Bühnenportal zu bringen. „Beim Wechsel von „Les Misérables“ zu den „3 Musketieren“ haben wir in nur drei Monaten die Drehscheibe ausgebaut, das Loch in der Bühne verschlossen, die Bühnenschräge verändert und deutlich mehr Züge in die Obermaschinerie eingebaut. Wir hatten eine zusätzliche Technik-Crew, die nachts Probleme und Störungen behoben hat, da wir tagsüber schon Proben mit den Künstlern auf der Bühne hatten.“ Doch der letzte Produktionswechsel gehört schon zur Routine für Ina Merker: „Eine echte Herausforderung war der Umbau des Theaters und der Einbau von „Les Misérables“ vor zweieinhalb Jahren.“

Neben den so genannten „Schattern“, die die größte sichtbare Veränderung der Bühne herbeiführen, ist es das Schiff zu Beginn des zweiten Akts, das für die Techniker eine immense Arbeit bedeutet. Während bei den Schatten-Elementen eine reine Computersteuerung die meiste Arbeit übernimmt, ist beim Szenenwechsel zur Überfahrt d’Artagnans von Frankreich nach England echte Handarbeit gefragt. Die Darsteller sind noch gar nicht ganz von der Bühne herunter, da wird das Schiff schon auf die Hauptbühne gerollt und befestigt. Die stürmische See wird mit am Boden gespannter Seide simuliert, die mit Ventilatoren in Wellenbewegung versetzt wird.

Direkt hinter dem Vorhang – unsichtbar für die Zuschauer – wird die Auftaktszene des zweiten Akts vorbereitet, während auf der sehr kleinen Hinterbühne Requisiteure, Dresser und Darsteller scheinbar hektisch durcheinander laufen. An Erholung ist für die Beteiligten während der Pause kaum zu denken.

Da verschwinden schon mal Pferde im Bühnenturm oder Lanzen, Fässer und sonstige Requisiten im Fahrstuhl. Die Kleider des Damenensembles hängen aus Platzmangel zu Hauf unter der Decke. Eine Lösung, die sich bereits zu Zeiten von „Les Misérables“ bewährt zu haben scheint.

Während jedoch damals die so genannten Black Boxes – Umkleidekabinen für das Ensemble, in denen die Quick Changes während der Vorstellung stattfinden – noch auf Bühnenlevel befanden, gelangen die Herren nur über eine Treppe in ihre Garderobe. Viel effektiver kann man einen (viel zu kleinen) Raum kaum ausnutzen. Doch die Backstage-Mitarbeiter vom Theater des Westens beweisen mit ihren findigen Ideen einmal mehr: Platz ist in der engsten Hütte.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical