home Filme Das Phantom der Oper

Das Phantom der Oper

Das Phantom der Oper als Leinwandversion

Lange haben die Fans auf ein neues Film-Musical aus dem Hause Lloyd Webber gewartet. Nach „Cats“ und „Joseph“ fiel die Wahl auf „Das Phantom der Oper“.

Ähnlich wie in der Bühnenfassung wird die Geschichte des Operngeistes aus der Erinnerung von Raoul erzählt. Alles beginnt mit der Auktion im Pariser Opernhaus. Regisseur Joel Schumacher hält diese Szene ganz im Stil der Schwarz-Weiß-Filme aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Erst nachdem der an den Rollstuhl gefesselte Vicomte de Chagny die kleine Affen-Spieluhr ersteigert hat und den Klängen der weltbekannten Melodie vom „Maskenball“ lauscht, taucht Schumacher das Geschehen in Farbe: In einer der herausragendsten Verwandlungs-szenen (nach James Camerons „Titanic“-Wiederauferstehung versteht sich) des modernen Films fegt ein Sturm durch die spinnenverwebte, baufällige Oper. Man spürt förmlich wie dem Gemäuer wieder Leben eingehaucht wird. Intensiv werden der Zuschauerraum, die Bühne und selbstverständlich der Kronleuchter in schillernden Farben dargestellt.

Die Umwandlung wird mit der Illumination der – damals noch mit Fackeln im Boden realisierten – Bühnenbeleuchtung komplettiert und der Zuschauer findet sich mitten im emsigen Probenbetrieb eines Opernhauses wieder.

Schon der erste Auftritt von Minnie Driver als extrem komplizierte Carlotta zeugt von dem guten Gespür der Casting-Firma. Herrlich eitel, arrogant und vollkommen von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt, setzt sich die Diva in Szene und macht unnachdrücklich klar, nach wessen Pfeife hier alle zu tanzen haben. Das die Schauspielerin nicht selbst singt, sondern ihr Gesang von Margaret Preece synchronisiert wurde, fällt da kaum ins Gewicht.

Patrick Wilson erscheint etwas jung und milchgesichtig, um als Mäzen einer berühmten Oper durchzugehen, aber für seine Rolle als Jugendliebe des Ballettmädchens Christine Daaé ist er wiederum sehr passend gewählt. Die weiche Stimme des typischen Musicaltenors steht im Einklang mit seinem zumeist soften Auftreten.

Andrew Lloyd Webber hatte in einem Interview erwähnt, dass sich die Dreharbeiten so lange hinaus gezögert haben, weil er warten wollte bis die von ihm auserwählte Christine-Darstellerin reif genug wäre. Da kann man nur sagen: Das Warten hat sich gelohnt: Emmy Rossum bedient mit ihren Kulleraugen, dem runden Gesicht und dem Schmollmund das klassische Kindchenschema. Mit ihre Grazie und den langen braunen Locken ist sie die perfekte Visualisierung der Christine. Doch die junge New Yorkerin sieht nicht nur gut aus und spielt sehr charmant und überzeugend – sie singt den anspruchsvollen Part der zwischen der Liebe zu zwei extrem unterschiedlichen Männern sehr gut. Im Gegensatz zu vielen Bühnen-Christines neigt sie nicht zum Schreien, sondern hat ihre Stimme jederzeit voll im Griff.

Dass man für sie als ein Bühnen-Kostüm ein weißes Ballkleid auswählte und sie mit Swarovski-Sternen im Haar schmückte, ist schwer zu verstehen. Dieses Kostüm gehört unabdingbar zu Kaiserin Elisabeth und macht in dem gleichnamigen Musical noch Sinn. Doch diese offensichtliche Verquickung der beiden jedes auf seine Weise beeindruckenden Bühnenwerke erscheint deplatziert.

Monsieur André und Monsieur Firmin sind mit Simon Callow und Ciaran Hinds sehr gut besetzt. Beide passen zu der Vorstellung der mit den unheimlichen Geschehnissen überforderten Theatermacher und das Zusammenspiel der beiden funktioniert gut. Die gestrenge Ballettlehrerin Mme. Giry wurde mit einer bestechend spielenden Miranda Richardson besetzt. Obwohl Mme. Giry keine wirklich große Rolle ist, entdeckt man Gefühle und meint hinter der strengen Fassade die Verletzlichkeit einer in würde alternden Frau zu erkennen. Ihre Tochter Meg wurde mit Jennifer Ellison besetzt. Kurz gesagt: Die erste Meg, die ihren Part wirklich singt und nicht quakt oder piepst.

Bleibt noch der eigentliche Hauptdarsteller, Gerard Butler. Hier verwundert die Wahl doch sehr, da der schottische Schauspieler („Herrschaft des Feuers“, „Tomb Raider II“) kein ausgebildeter Sänger ist. Er gibt zwar sein Bestes, doch überzeugt er vor allem schauspielerisch durch sein elegantes Auftreten und die Macht (vor allem als Tod während des Maskenballs), die er ausstrahlt. Gerade beim Phantom hätte man von der Maskenabteilung mehr erwarten können, denn die „entstellte Fratze“ sieht lange nicht so furchtbar aus, wie im Theater.

Aber neben dieser Verharmlosung gab es auch einige dramaturgische Veränderungen, die dem Film etwas mehr Tiefgang bringen als dem Bühnenmusical. Eingefleischte Fans und Leser von Susan Kays Roman über das Leben von Eric, dem späteren Phantom der Oper, werden sowohl das todbringende Spiegelkabinett unter der Bühne als auch seine Rettung als ausgestelltes „Monsterkind“ durch Mme. Giry wieder erkennen. In diesem Zusammenhang sind auch kleinere Textänderungen absolut nachvollziehbar und sinnvoll.

Dramaturgische Ergänzungen wie den Fechtkampf zwischen Phantom und Raoul auf dem Friedhof oder den erst Tage nach dem Maskenball fallenden Kronleuchter (auf der Bühne fällt er direkt in der Szene davor) kann man verzeihen, etwas anders sieht es aus wenn eine der pompösesten Massenszenen auf der Bühne zu einer langweiligen Tanzsequenz verharmlost wird. Der bunte Maskenball findet für Schumacher nur in weiß, schwarz, gold und silbern statt. Andere Farben haben nur die Protagonisten an. Die Intensität des Opern-Karnevals geht hierdurch komplett verloren. Das wird auch durch die Vielseitigkeit und die vielen kleinen Details der Kostüme wettgemacht. Hier bleibt definitiv ein fader Beigeschmack zurück.

Zu dick aufgetragen sind die explodierenden Fensterscheiben und der Großbrand der Pariser Oper, nachdem das Phantom Christine in seine Katakomben entführt hat. Das sieht zu sehr nach Hollywood-Maschinerie aus und weniger nach dem gerade in dieser Szene erforderlichen Feingefühl für die tiefen Emotionen der Hauptpersonen.

Doch der größte Kritikpunkt ist die Tatsache, dass man den Film nicht durchsynchronisiert hat, sondern scheinbar einfach die deutsche Tonspur über das Bildmaterial gelegt hat. Bei den gesungenen Passagen fällt dies vor allem in den vielen Nahaufnahmen sehr stark auf und beeinträchtigt den Genuss. Damit soll die Leistung der deutschen Sänger (Uwe Kröger – Phantom, Jana Werner – Christine, Carsten Axel Lepper – Raoul, Jasna Ivir – Carlotta)  in keinster Weise abgewertet werden, aber dieses Manko hätte sicherlich im Vorwege verhindert werden können.

Die Frage, ob sich ein Besuch des Films über „Das Phantom der Oper“ lohnt, kann abschließend nicht beantwortet werden. Auf der einen Seite sind Bühnenmitschnitte, die, wie bei „Cats“ und „Joseph“ geschehen, durch kleinere filmische Kniffe aufgewertet werden sicherlich wesentlich authentischer und geben den Zuschauern das Gefühl, im Theater zu sitzen. Andererseits bietet aber gerade das sagenumwobene und vielfach verfilmte „Phantom der Oper“ ausreichend Potential für einen richtigen Musikfilm, wie ihn Schumacher und Lloyd Webber umgesetzt haben.

Michaela Flint

veröffentlicht in blickpunkt musical
Ausgabe 02/05, März-April 2005

Regie: Joel Schumacher
Darsteller: Gerard Butler, Minnie Driver, Miranda Richardson, Emmy Rossum, Patrick Wilson
Musik: Andrew Lloyd Webber
Verleih / Fotos: Concorde Filmverleih