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Herzlich willkommen im Leben von Familie Goodman, die alles andere als normal ist

Selten habe ich ein Album gehört, das bei mir sofort einen Ticketkauf-Impuls ausgelöst hat. Doch die Fürther Inszenierung von „Next To Normal“ kann mit einer herausragenden Cast aufwarten, die auf dem Live-Album jedes noch so kleine Gefühl authentisch zu Gehör bringt.

Man lernt Diana Goodman, gesungen von der großartigen Pia Douwes kennen, die sich in ihre Depressionen flüchtet, weil sie die Realität überfordert. Thomas Borchert spielt und singt ihren mal verzweifelnden, dann vor Hoffnung überschäumenden Ehemann Dan. Dieses Hin- und Hergerissensein nimmt man ihm auf jeden Fall ab!

Die aufmüpfige Tochter Natalie, die zeitlebens gegen ihren toten Bruder Gabe wetteifern muss und sich erst langsam freischwimmt, wird von der energiegeladenen Sabrina Weckerlin gesungen. Ihre Duette mit Pia Douwes strotzen vor Kraft und Druck. Natalies liebevoll-naiver Freund Henry wird von Dominik Hees interpretiert. Er kann sich gegen seine raumgreifenden Kolleginnen behaupten, auch wenn dies bei diesen Kolleginnen und Kollegen sicherlich kein Kinderspiel ist.

Bleiben noch Ramin Dustar, der als Doktor die eher lustigen Parts übernimmt und Dirk Johnston, der Dan als sein toter Sohn Gabe erscheint und ihn gehörig aus der Bahn wirft.

Das Doppel-Album lässt es an nichts vermissen. 39 Tracks sind keine Kleinigkeit, doch jeder trägt zu einem perfekten Live-Erlebnis bei. Die Band unter der Leitung von Christoph Wohlleben intoniert Tom Kitts Partitur mit viel Schwung. Man mag kaum glauben, dass die ganze Zeit über nur sechs Musiker zu hören sind. Die Rock-Pop-Stücke sorgen für wechselnde Stimmungsbilder und jeder Sänger hat in mindestens einem Solo die Chance, sich ganz einzubringen.

Ob nun Pia Douwes, die ja schon mehrfach unter Beweis gestellt hat, dass sie sich perfekt in starke, gespaltene Persönlichkeiten hineinfühlen kann, und die sowohl in verzweifelten Nummern als auch in gefühlvollen Momenten überzeugt. Oder Sabrina Weckerlin, die ihre Rockstimme als ewig sarkastische Rebellin in vollen Umfang einsetzen kann. Thomas Borchert verleiht dem bemühten Ehemann, der seine Ehe um jeden Preis zu retten versucht, viel Gefühl und Charme.

Wie es sich aus Sicht des verstorbenen Sohnes anfühlt, bei der Familie immer mehr in Vergessenheit zu geraten, bringt Dirk Johnston in gefühlvollen Balladen zu Gehör. Dominik Hees tritt als Henry in erster Linie in romantischen Duetten mit Sabrina Weckerlin in Erscheinung. Ihre Stimmen passen gut zueinander und es gelingt ihm die richtige Dosis Gefühl und Bestimmtheit in seine Stimme hineinzulegen. Ramin Dustar überzeugt in beiden Ärzterollen – sowohl als Wiener Original als auch als Rock-Star. Seine Wandlungsfähigkeit macht Spaß und vereint viele Lacher auf sich.

Dieses Live-Album sollte in keiner Sammlung fehlen, nicht nur weil man technisch nichts zu mäkeln hat oder weil die Emotionen ganz pur und authentisch beim Zuhörer ankommen. Man kann auch noch tiefer in die Geschichte dieser fast normalen Familie eintauchen, denn das Booklet liefert alle Texte mit, bei denen sich das Zuhören wirklich lohnt.

Die Aufnahme von „Next to normal“ in Fürth ist ein deutlicher Nachweis, dass Broadway-Importe sich auch fürs Stadttheater lohnen und nicht nur ensuite gespielt werden müssen, um landesweit Aufmerksamkeit zu erreichen.

Michaela Flint