home Creators-Wettbewerb, Interviews mit Kreativen Neue Musicals braucht das Land!

Neue Musicals braucht das Land!

Im Juli 2014 wurde im Hamburger Schmidt Theater ein neuartiger Wettbewerb für Musical-Autoren und -Komponisten aus der Taufe gehoben. Die Idee dazu stammt von Theaterchef Corny Littmann selbst. „musicals“ sprach mit dem umtriebigen Regisseur und Schauspieler über die Hintergründe von CREATORS.

Corny Littmann: Gleich zu Beginn möchte ich es Wichtiges loswerden, das offenbar viele nicht verstanden haben: Es geht im ersten Schritt nicht darum, ein fertiges Stück einzureichen. Vielmehr geht es darum, eine Idee bestehend aus zwei Spielszenen und drei unterschiedlichen Songs zu präsentieren. Aus dem Exposé sollte die grobe Geschichte hervorgehen; die beiden Spielszenen sollten die Figuren verdeutlichen. Die Musiktitel dürfen gern in einer nicht orchestrierten, nicht ausarrangierten Arbeitsfassung eingereicht werden.

Es geht um die Präsentation einer Idee, die erst im zweiten Schritt und mit der entsprechenden Zeit – zwischen der Präsentation und den Showcases im Herbst liegen ja mehrere Monate – zu einer ersten Stückfassung ausgearbeitet wird. Und in der Regel ist diese erste Stückfassung nicht die letzte.

Michaela Flint: Sie selbst sind Quereinsteiger in die Theaterszene. Für CREATORS sind ausdrücklich Profis aufgerufen sich zu beteiligen. Würden Sie sagen, dass es essentiell ist, den Beruf eines Autors oder Komponisten von der Pike auf zu lernen?

Corny Littmann: Ganz und gar nicht. Es gibt unentdeckte Talente, die niemals eine Autorenschule besucht haben und Komponisten, die ihr Handwerk nie traditionell gelernt haben. Es ist für den Wettbewerb nicht ausschlaggebend, welche Ausbildung man gemacht hat. Es ist jeder aufgerufen, sich am Wettbewerb zu beteiligen, der eine Idee hat und diese mit drei Songs und zwei Spielszenen präsentieren möchte.

Corny Littmann

Michaela Flint: Gibt es aus Ihrer Sicht ein Erfolgsrezept, um ein neues Stück in der deutschen Musicallandschaft zu etablieren?

Corny Littmann: Der Untertitel unseres Wettbewerbs heißt „Neue Musicals braucht das Land“. Daraus geht ja gewissermaßen schon hervor, dass neue Musicals es schwer haben. Warum haben sie es schwer? Zum einem, da große Veranstalter auf erfolgreiche Stoffe aus dem Ausland setzen. Das fing mit „Cats“ und „Phantom der Oper“ an, aber die Liste ist endlos. Diese Veranstalter haben wenig Vertrauen, was auch vor dem Hintergrund des Erfolges eines Stücks wie „Ich war noch niemals in New York“ sehr verwunderlich ist. Dass daraus nicht der Schluss gezogen wurde, in erster Linie für den deutschen Markt zu produzieren , ist schade.

Der zweite Grund ist, dass es wirklich nur sehr wenige musicalbegeisterte Intendanten in deutschen Stadttheatern gibt. Vielfach wird wahllos zwischen Oper, Operette und Musical hin- und hergetauscht. Letzteres füllt ja immerhin die Kassen. Dazu muss jedoch das in den Stadttheatern angestellte Musiktheater-Personal diese drei Sparten bedienen können; doch allzu häufig kann es die Ansprüche des Publikums gar nicht erfüllen. Wie auch? Kein Sänger kann Oper, Operette und Musical abdecken. Oper und Operette – ja, Operette und Musical geht auch, aber alles drei zusammen ist völlig unmöglich.

Musical als eigene Kunstform wird an den deutschen Stadttheatern herzlich wenig gepflegt. Es ist aber nicht nur eine Frage des Personals am Theater, sondern auch der Möglichkeiten eines Theaters, qualifiziertes Personal stückweise dazu zu engagieren. Das Problem liegt also in der Struktur der Theater selbst.

Michaela Flint: Es liegt also nicht nur am mangelnden Mut oder der fehlenden Neugierde der Intendanten?

Corny Littmann: Die fachlichen Kapazitäten sind in den meisten Häusern nur teilweise vorhanden. Es gibt mutige Intendanten, wie Reinhard Simon in Schwedt, der eine witzige Fassung der „Heißen Ecke“ sehr erfolgreich aufgeführt hat. Er hat in Kauf genommen, dass es musikalisch nicht unbedingt ein Glanzlicht war und auf die Geschichte gesetzt. Aber sowas ist eine ganz große Ausnahme.

Michaela Flint: Was hat den Ausschlag gegeben, den CREATORS-Wettbewerb genau jetzt zu starten?

Corny Littmann: Zum einem macht es uns ungeheuren Spaß zu forschen und nach Neuem zu suchen. Zum anderen bringen Schmidt Theater und Schmidt’s Tivoli heutzutage die meisten Eigenproduktionen der deutschen Musicallandschaft auf die Bühne. Dies wollen wir natürlich auch mit diesem Wettbewerb deutlich machen: Hier werden neue Musicals auf die Bühne gebracht – und das sehr erfolgreich!

Als Theaterproduzenten wissen wir aber aus eigener Erfahrung, dass es einen wesentlichen Unterschied macht, ob man bedrucktes Papier und eine CD vor sich liegen hat oder ob man die Chance hat, ein Stück ausschnittweise auf der Bühne zu sehen. Dieser Wettbewerb ist ein guter Weg – auch für uns – neue Stücke greifbar, erfahrrbar, erlebbar zu machen.

Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt – gerade auch mit der sehr prominenten Jury und der Verbindung zum Deutschen Bühnenverein und dem Fachmagazin „musicals“ – viele interessierte Intendanten, Dramaturgen und Theaterleiter zwei Tage nach Hamburg zu locken, die sich darüber freuen, dass sie sich endlich einmal etwas Neues anschauen können.

Insofern ist es für alle Beteiligten – sowohl Autoren und Komponisten als auch Theaterleiter und Dramaturgen – eine Win-Win-Situation. Die Autoren und Komponisten haben die Möglichkeit, ihr Werk vorzustellen; andere können es in einer Arbeitsfassung sehen und sich entscheiden, ob sie dieses Stück bearbeiten und uraufführen möchten.

Michaela Flint: Was wünschen Sie sich, was das Ergebnis von CREATORS sein soll?

Corny Littmann: Ich wünsche mir, dass ganz viele von den Stücken, die jetzt eingereicht werden, an einem deutschen Theater uraufgeführt werden. Ich wäre richtig stolz darauf – und das Wort Stolz gebrauche ich nur selten –, wenn wir nach Mannheim, Düsseldorf oder wo auch immer reisen und sagen könnten, wir sind als Geburtsthelfer dabei gewesen. Das wäre für mich das Schönste überhaupt!

Michaela Flint: Wir danken Ihnen für dieses Interview und sind gespannt, auf die Teilnehmerbeiträge für CREATORS.

leicht modifiziert erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Fotos: Stefan Malzkorn / Oliver Fantitsch