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Auf und davon! – Nackt über die Alpen

Ein schwer bepackter und gestresster Kristian Bader stürmt auf die Bühne des Tivoli und klagt direkt sein Leid über die beschwerliche Anreise per Subcharter von Mallorca, die am nächsten Tag anstehende Urlaubsreise mit seiner Frau und die vorangegangene Reiseplanung.

Frauen nehmen gern etwas mehr mit in den Urlaub. Man kann ja nie wissen… So kommt es, dass Kristian Bader mit Handgepäck auskommt, während er für seine Frau einen 30 kg Koffer und ein prall gefülltes Beautycase beim Late-Check-In am Flughafen abgeben soll.

Es entspinnt sich eine launige Geschichte über Flugreise-Erlebnisse („Wenn man sich einmal die Verladeaktion an einem portugiesischen Flughafen angesehen hat, weiß man woher die Redewendung ,sein Gepäck aufgeben‘ kommt.“) Und auch der Berliner Flughafen, genauer gesagt sein aktueller Chef Hartmut Mehdorn bekommt sein Fett weg: Als „Callboy der Luftfahrtbranche“ belegt Bader einleuchtend, dass sich auch heute noch immer die gleichen die Jobs zuschanzen. Wie sonst wäre es zu erklären, dass der frühere Assistent Mehdorns bei Airbus, Gruber, sein Nachfolger bei der Bahn wurde?

Die Zuschauer erfahren – vielleicht sogar zum erstem Mal-, dass der klassische Erholungsurlaub, der unser aller Berufsleben alljährlich bereichert und unsere Partnerschaften auf eine harte Probe stellt, eine Erfindung der Nationalsozialisten ist. Natürlich ging es damals weniger um die Erholung als darum eine entspannte Reproduktionsatmosphäre zu schaffen.

Doch Kristian Bader geht noch ein wenig weiter zurück in der Geschichte Europas: Um 120 v. Chr. beschließen der germanische König Teutobod und seine Frau Hiltipurch („Ja, die Namen stimmen! Die hab ich mir nicht ausgedacht.“) ihr angestammtes Gebiet in Jütland zu verlassen und gen Süden zu ziehen, da sie hoffen, dort Nahrung für ihr Volk zu finden. Nach jahrelangen Umwegen über Ungarn und Italien landen sie schließlich in Frankreich, wo sie in einen römischen Hinterhalt geraten, der das Ende ihrer aufregenden Geschichte markiert.

Mit viel Liebe zum Detail schildert Bader die Unwägbarkeiten, denen sich die Germanen stellen müssen. Eine Internetrecherche macht schnell klar: Der Mann hat sauber für sein neues Programm recherchiert. Ob es allerdings wirklich so lustig war, als Teutobod auf den sächsischen Grenzbeamten Krenz getroffen ist, der mit seinen Kollegen Kevin, Pascal und Maurice die tumben Germanen in die Irre führt, mag bezweifelt werden, doch die Lacher hat Bader mit seiner Reiseschilderung der Teutonen ganz klar auf seiner Seite („Wir Sachsen fahren ja ganz gern nach England zum Angeln…“, „Auch die Akropolissichnichtretten…“, „Verhandeln ist Silber, Keule ist Gold!“). Einfach wunderbar wie er zwischen sächsischer Mundart, italienischen Manierismen, französischer Affektiertheit und englischer Attitüde hin- und herwechselt.

Dass sich Teutobod jedoch lieber mit seinem Schwert befasst als mit dem Packen der Habseligkeiten und dass er vor seinen Anhängern nicht mit Kosenamen wie Teuti angesprochen werden mag, kommt uns auch heute nur allzu bekannt vor. Kristian Bader konstatiert sehr treffend, dass wir uns nicht wirklich weit aus diesem Ursumpf heraus entwickelt haben.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Das muss man sich bei den heutigen Werbestrategien schon fragen. Ein von Bader angebrachtes Paradebeispiel sind die Coffeeshops, die alle erdenklichen Kaffeevarianten anbieten, während man einen einfachen Filterkaffee dort vergebens sucht.

Während Teutobod und seine Mannen das schöne Leben in Walhalla genießen, lernt das Publikum noch, dass unsere Wochentage auf die Namen der germanischen Götterfamilie zurückgehen: Odins Frau Frigg verdanken wir den Freitag, während die gemeinsamen Söhne Tyr und Thor Namenspaten von Dienstag und Donnerstag wurden. Da sag nochmal einer, dass man im Theater nichts lernen kann.

Auch Baders Frau bekommt ihr Fett weg: Nicht nur, dass ihm ihre wochenlange Katalogrecherche in jeder erdenklichen Situation gehörig auf die Nerven gegangen ist. Auch ihre Idee, sich kurz vorm Urlaub die Haare nochmal zu färben, wird süffisant kommentiert: Super Idee! Nach dem ersten Bad im frisch mir Chlor versetzten Pool, wird der grün leuchtende Kopfschmuck zum Gesprächsthema des Hotels.

Dafür, dass er sie immer wieder gern als Beispielfrau in seinen Geschichten heranzieht, bedankt er sich am Ende der gelungenen Premiere seines neuen Programms mit Blumen bei ihr.

„Auf und davon! Nackt über die Alpen“ vereint die stereotypen Reisegewohnheiten von Mann und Frau mit historisch präzisen Schilderungen, die jede Menge komödiantischen Spielraum bieten. Einige Pointen zünden noch nicht so ganz und das Stück hat auch einige Längen (bspw. die Ochsenkarrentour der Teutonen), doch es ist wunderbar mitzuerleben, wie souverän und kreativ Kristian Bader die Reaktionen des Publikums handhabt.

Apropos Publikum, dass die auf der Bühne breitgetretenen Klischees stimmen, beweist ein Paar, dass Bader spontan danach fragt, was er und sie für ein verlängertes Wochenende auf Mallorca einpacken würden: Sie nimmt einen Reisefön, Klamotten und mehrere Paar Schuhe mit. Er lediglich ein iPad. Noch Fragen?

Nach „Cavamen“ und „Männerabend“ gelingt Kristian Bader und seinem Kollegen Martin Luding, der die Regie übernahm, erneut ein kurzweiliger Abend, der uns allen den Spiegel vorhält und Absurditäten unseres Zusammenlebens verdeutlicht. Mit einem Lachen sind diese gleich viel leichter zu ertragen. In diesem Sinn: Viel Spaß im nächsten Urlaub!

Michaela Flint

Theater: Schmidt‘s Tivoli, Hamburg
Premiere: 7. Januar 2014
Darsteller: Kristian Bader
Regie: Martin Luding
Fotos: Oliver Fantitsch