home Backstage Der König der Löwen – Phonetik & TV-Auftritt

Der König der Löwen – Phonetik & TV-Auftritt

Dieser Blick hinter die Kulissen ist etwas ganz Besonderes – zeigt er doch nicht das, was alle schon über den „König der Löwen“ wissen, d. h. farbenfrohe Kostüme, aufwendige Bühnentechnik und das ausgeklügelte Lichtdesign, sondern wir begleiten die Darsteller in ihrem Alltag. Dazu gehört das Phonetik-Training genauso wie Promotion-Auftritte im Fernsehen. Als besonderes Highlight berichten wir über die von der Darstellern selbst organisierte Gala „Many Nations – One Song“, die Ende November im Hafentheater stattfand.

Doch beginnen wir mit dem, was für die zumeist ausländischen Cast-Mitglieder während ihrer Zeit bei einer deutschen Produktion wie dem „König der Löwen“ das normalste der Welt ist: dem Phonetik-Unterricht. Deutsch ist bekanntermaßen nicht unbedingt die einfachste Sprache der Welt und bis man die Aussprache fehlerfrei beherrscht, gehen schon einige Monate, um nicht zu sagen Jahre, ins Land.

Sibongiseni Ndlovu gehört seit fast einem Jahr als Hyäne Banzai zum Ensemble des Disney-Musicals. Auch und gerade weil die Arbeitssprache hinter der Bühne Englisch und eben nicht Deutsch ist, setzt er sich regelmäßig mit Phonetik Coach Klaudia Dannenberg zusammen. Wir nehmen an einer dieser Stunden teil und erwischen prompt eine, in der der schwierigste deutsche Vokal „u“ behandelt  wird. Mit englischen Vergleichsworten wie „do“ wird der aus Durban, Südafrika, stammende Sänger an die korrekte Aussprache des einzelnen Buchstaben herangeführt. Mit die schwierigsten Worte, die der sympathische Südafrikaner zu sagen hat, sind „Hühnchen“ und „Bandwürmer“. Um den Unterschied zwischen den Vokalen zu verdeutlichen, wechselt Klaudia Dannenberg zwischen „i“, „u“ und „ü“ und achtet genau auf die Stellung von Lippen und Zunge des Sängers. „Das Cleaning in dieser Form machen wir mit allen Darstellern.“ erläutert Klaudia Dannenberg ihr Vorgehen, „Für die afrikanischen Kollegen ist es unglaublich schwer, herauszufinden, ob ein Vokal kurz oder lang ist, da es diesen Unterschied in den meisten afrikanischen Sprachen so nicht gibt. Auch die Satzmelodie ist eine komplett andere, so dass ich das Gehör der Künstler hierauf schulen muss.“

Die ausgebildete Sprecherzieherin arbeitet vor einem Castwechsel besonders intensiv mit den Neulingen. Innerhalb von nur vier-sechs Wochen müssen alle ihre Texte soweit beherrschen, dass sie sie sicher auf der Bühne wiedergeben können. Das Ensemble, das primär singt, ist innerhalb von nur zwei Wochen so weit in der deutschen Sprache ausgebildet, dass sie allabendlich auf die Bühne können. Etwas länger dauert es, mit den Haupt- und Nebendarstellern zu üben. „Hintergrund ist, dass es wesentlich einfacher ist, eine neue Sprache singend zu erlernen. Dialoge korrekt auszusprechen und die Worte richtig zu betonen, erfordert wesentlich mehr Arbeit.“ Auch in den ersten Wochen nach einem Castwechsel trifft man die Ensemble-Mitglieder vom „König der Löwen“ noch sehr oft in dem gemütlichen kleinen Büro der Phonetik-Lehrerin. „ Wenn die neue Cast erst einmal eingespielt ist, schaue ich mir mehrere Shows pro Woche an und achte auf alle Details. Auf diese Weise erkenne ich bei jedem Darsteller den Bedarf an weiteren Formulierungen, der Aussprache einzelner Worte und Satzmelodien zu arbeiten.“ Das Lernen der deutschen Sprache ist also ein echtes training on the job. Und da machen unscheinbare Kleinigkeiten schon mal einen akustischen Riesenunterschied aus: Aus dem Wort „verrückt“ wird, wenn man das Spitzen der Lippen weglässt, „verrickt“, aus „für“ wird „fir“.

http://vg04.met.vgwort.de/na/cdfa41658f734081b478864050e42280

Das klingt schon ganz anders. Das sind „Fehler“, die auch das normale, nicht phonetisch geschulte, Publikum wahrnimmt.

Inzwischen ist das deutsche Hörverständnis von Sibongiseni Ndlovu so gut, dass er einer deutschen Unterhaltung problemlos folgen kann. Auch die Aussprache ist für die kurze Zeit und vor dem Hintergrund, dass sich afrikanische und deutsche Sprache kaum ähneln, sehr gut. Dadurch dass Sibongiseni Ndlovu schon in mehreren Ländern wie der Schweiz oder Australien gearbeitet hat, ist er gegenüber seinen Kollegen im Vorteil: Der Südafrikaner spricht neun Sprachen und macht Kirsten Dannenberg die Arbeit dadurch um ein Vielfaches leichter. „Jemand, der schon andere Sprachen spricht, ist trainierter. Er hat ein Gehör für andere Satzstellungen und -melodien.“

Doch die Arbeit an der Aussprache ist nur ein Teilbereich des Trainings, das Klaudia Dannenberg mit ihren Schülern durchführt. „Dort, wo es notwendig ist, arbeite ich auch mit an der Atmung. Das kommt bei ausgebildeten Sängern zwar eher selten vor, gehört aber mit dazu. Außerdem muss das, was die Künstler sagen, auch zu ihrer Handlung passen. Auch da gibt es für den Phonetik-Bereich Ansatzpunkte.“ Bei 48 Darstellerinnen und Darstellern, die zum Ensemble beim „König der Löwen“ gehören, wird es Klaudia Dannenberg nie langweilig. Alle haben einen mehr oder wenigen großen Bedarf an phonetischer Unterstützung.

In seiner Muttersprache präsentierte sich Sibongiseni Ndlovu mit seinen Kollegen bei der Benfizgala „Many Nations – One Song“ am 21. November. Das gesamte Ensemble hat parallel zum Showalltag, den Phonetik-, Gesangs- und sonstigen Proben ein mehr als zweistündiges Programm auf die Beine gestellt, mit dem die Kinder-Aids-Organisation „Cotlands“ in Südafrika unterstützt werden sollte. Das multikulturelle Ensemble präsentierte in einer bunten Mischung aus Tanz und Gesang die Heimatländer der Castmitglieder. Der Opener ‚Seasons of Love’ aus „Rent“ gehörte da noch zu den bekannteren Stücken. Es folgten fast 20 weitere Nummern, die Einblicke in brasilianische, afrikanische, spanische und auch deutsche Gebräuche der musikalischen Art gewährten. Dazu gehörte mit „Capoeira de Amor“ ein wunderschön choreographiertes Tanzstück und die aus Mitgliedern des Ensembles entstandene Gruppe „Amagents“ nahm das Publikum mit auf eine Reise durch südafrikanische Spirituals und Traditionals – alles in authentischen Kostümen versteht sich. Ein Highlight bildete der musikalische Leiten Lukas Höfling, der mit „Meine Mädchen“ zeigte, dass er nicht nur singen kann, sondern auch jede Menge komödiantisches Talent bewies. Der eigens komponierte Finalsong „Many Nations – One Song“ rundete das Bild dieser Gala ab: Es war etwas Besonderes und nicht eine von den üblichen „Wir machen Charity und singen Popsongs“-Veranstaltungen, die man sonst so oft zu sehen bekommt. Die Gala erbrachte eine beachtliche Spendensumme, die nun an Aidas erkrankten Kindern in Südafrika zugute kommen.

Nicht einmal zwei Wochen später wurde das ganze Ensemble zu einer für Musicaldarsteller sehr ungewöhnlichen Zeit – nämlich samstagmorgens um 7 Uhr – zusammengetrommelt und es ging los zum TV-Auftritt bei „Verstehen Sie Spaß?“. Doch lesen Sie selbst, wie Beular Makhetha den Tag erlebte:

7 Uhr: Es ist viel zu früh. Mit einem Bus werden wir von den Landungsbrücken zum Flughafen gebracht, wo ein eigenes Flugzeug für uns bereits steht. Zum Glück können wir auf dem eineinhalb-stündigen Flug nach Lahr etwas schlafen.

10 Uhr: Unser Hotel in Lahr heißt „Sonne“ – nur leider scheint das niemand nach oben weitergegeben zu haben. Hier ist es grau und trist, aber wir sind eh noch zu müde, um uns wirklich die Umgebung anzuschauen.

13 Uhr: Nach einem gemütlichen Mittagessen beginnen in der Messehalle Offenburg die ersten Proben für „Verstehen Sie Spaß?“. Ich bin sehr gespannt, denn so oft sind wir ja auch nicht live im Fernsehen. Marey (Griffith, Dance Supervisor, Anm. d. Red.) muss unsere Choreo an die kleinere TV-Bühne anpassen und parallel werden schon die ersten Stellproben gemacht, um zu sehen, wie man den ‚Circle of Life’ am besten auf die Showbühne bringt.

16 Uhr: Endlich Pause. Unser Auftritt ist erst um 20.37 Uhr – ja beim Fernsehen ist alles ganz genau auf die Minute getimed. Die meisten von uns legen sich bis dahin noch etwas hin – und wenn es unter dem Schminktisch ist.

18.30 Uhr: Jetzt wird es langsam spannend. Wir bereiten uns vor, ziehen unsere Kostüme an und halten uns bereit für den Auftritt.

21 Uhr: Geschafft! Das Publikum hat getobt. Dafür lohnt es sich, lange zu warten. Schnell noch ein paar Fotos mit den anderen Gästen der Show und dann geht’s zurück ins Hotel.

22.30 Uhr: Was ist das denn? Während unsere Crew noch die vier LKWs belädt und sich auf den Weg zurück nach Hamburg macht, wurde für das Ensemble eine Aftershow-Party organisiert. Das ist super. Nur, so richtig feiern können wir auch nicht, denn morgen früh um 7 Uhr geht ja schon wieder unser Flieger zurück und dann haben wir wieder zwei Shows auf unserer schönen Bühne in Hamburg vor uns.
Das war ein toller Tag!

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical