home 2019 Billy Wilder und Burt Bacharach wären sicherlich nicht begeistert

Billy Wilder und Burt Bacharach wären sicherlich nicht begeistert

Das Schlosstheater in Celle bedient sich gern gefälliger Stoffe, leichter Kost, die vom Publikum wohlwollend aufgenommen werden. In dieser Spielzeit steht mit „Das Appartement“ die deutsche Adaption von „Promises, Promises“ auf dem Plan, welches Burt Bacharach, Hal David und Neil Simon 1968 für vier Jahre am Broadway zeigten. Basis ist Billy Wilders Erfolgskomödie „The Apartment“, die 1961 mit fünf Oscars ausgezeichnet wurde.

Die Handlung ist schnell erzählt: Chuck Baxter ist ein strebsamer Buchhalter in einer New Yorker Versicherung. Seine eigenen vier Wände rücken ihn in den Fokus einiger verheirateter Direktoren, die dieses Apartment gern für ihre Schäferstündchen mit ihren Mätressen nutzen wollen. Baxter geht auf die zahlreichen Beförderungsversprechen ein und gibt seinen Wohnungsschlüssel stundenweise an die Direktoren weiter. Auch Personalchef Sheldrake möchte diesen Deal für sich in Anspruch nehmen und befördert Baxter im Gegenzug für die „Exklusivnutzung“ des Apartments. Jedoch ist Sheldrakes Geliebte die Kantinen-Mitarbeiterin Fran Kubelik, in die sich Baxter verliebt hat. Sobald Baxter dies herausfindet, kippt die Stimmung. Er flüchtet sich in den Alkohol. Eines Abends kommt er in seine Wohnung und findet dort Fran vor, die versucht sich mit Schlaftabletten umzubringen. In der Folge muss er sich zwischen Job oder Frau entscheiden. Er wählt die Frau und verliert seinen Job. Es dauert noch ein wenig, bis Fran erkennt, dass Baxter der Richtige für sie ist, aber am Ende gibt es ein Happy End.

Die gezeigte Fassung wurde von Charly Niessen für die deutschsprachige Erstaufführung 1970 geschrieben und seither nicht angepasst. Daher klingen viele Passagen etwas ungelenk („Ich gehe zwei Gläser in der Bar schlucken.“ oder „heimsausen“).

Die Regisseure Andreas Döring und Sebastian R. Richter möchten mit ihrer Inszenierung die damalige Handlung „auf die heutigen Sittengemälde hin untersuchen“. Sie treibt die Frage an, „wie es anhand dieser Geschichte um den heutigen Opportunismus bestellt ist“ (Programmheft, Seite 6). Davon merkt man leider an diesem Abend überhaupt nichts.

Die Charaktere sind klischeehaft dargestellt, die Band (Leitung Moritz Aring) intoniert Bacharachs Melodien nahezu durchgehend mit schiefen Tönen und die Gesangseinlagen sind derart disharmonisch, dass man das Ende des ersten Akts (ca. 80 Minuten) herbeisehnt.

Die Bühne von Dirk Immich ist sehr gelungen: ein drehbarer Kasten mit Gitternetztüren, der vielseitigste Räumlichkeiten (Baxters Apartment, ein Restaurant, die Bürolobby, das Personalbüro etc.) darstellt. Bei den Kostümen und Perücken bewies er wiederum kein besonders glückliches Händchen. Sämtliche Perücken sehen qualitativ minderwertig aus und die Anzüge sitzen ebenfalls selten wirklich gut. Dadurch, dass viele Darsteller an diesem Abend schnelle Kostümwechsel haben, um in verschiedenste Rollen zu schlüpfen, fallen diese Mängel besonders auf.

Warum oberhalb des Kastens ein kleiner Bildschirm hängt, auf dem mehr oder weniger sinnhafte Informationen eingeblendet werden, bleibt fraglich.

Yara Eid lässt in dieser Inszenierung die Darsteller tanzen. Warum allerdings Elemente aus Jive, Rock’n’Roll und Samba eingebaut werden, die so gar nicht in die frühen 1960er Jahre passen, erschließt sich nicht.

Fridtjof Bundel ist in der Hauptrolle des Chuck Baxter zu sehen. Er soll charmant und witzig wirken, kann dies aber nicht glaubhaft über die Rampe bringen. Stattdessen scheint er eher voller Minderwertigkeitskomplexe, die er durch Arroganz zu überspielen sucht. Auch gesanglich ist er deutlich überfordert. Letzteres gilt aber für das komplette Ensemble. Auch Nora di Fausto (Fran Kubelik) und Dirk Böther (Mr. Sheldrake, Mr. Vanderhof, Mr. Eichelberger, Karl Kubelik) können mit ihrem Gesang nicht überzeugen, wohingegen di Fausto schauspielerisch gute Momente hat. Böthers Spiel jedoch wirkt jedoch in allen Rollen aufgesetzt. Sheldrakes Frage „Warum tu ich mir das an?“ stellt sich auch der ein oder andere Zuschauer im Publikum, weshalb einige das Stück auch in der Pause verlassen.

Schauspiel und Musical sind zwei Paar Schuhe, dies ist auch inszenatorisch kein Geheimnis. In Celle scheint es jedoch so, als fehle der rote Faden: „Das Appartement“ ist kein professionelles Musical, aber für ein plausibles Schauspiel fehlt es an einer klaren Handschrift. Man erkennt weder die Komödie noch das Romantische, welche Billy Wilders Film ausmachten. Die Auseinandersetzung mit damaligen und heutigen Sitten und Verhaltensweisen sucht man vergebens.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Schlosstheater, Celle
Premiere: 8. November 2019
Darsteller: Fridtjof Bundel , Nora di Fausto, Dirk Böther 
Regie / Musik: Andreas Döring & Sebastian R. Richter / Burt Bacharach
Fotos: Schlosstheater Celle / Hubertus Blume