home 2008 Premiere am Karfreitag – ein gutes Omen?

Premiere am Karfreitag – ein gutes Omen?

Das Theater Magdeburg hatte sich einen sehr kontroversen Termin für seine Premiere von „Jesus Christ Superstar“ ausgesucht: den 21. März – Karfreitag. Kann man die musicalisch-verrockte Leidensgeschichte von Jesus ausgerechnet an dem Tag, an dem er gekreuzigt wurde, premieren lassen? Oder ist dieser hohe christliche Feiertag nicht vielleicht sogar der einzig wahre Premierentermin für Andrew Lloyd Webbers aufwühlendes Rock-Musical? Ein seltsamer Beigeschmack bleibt in jedem Fall…

Die Inszenierung von Matthias Brenner kommt sehr modern daher. Alle Charaktere sind so angelegt wie man sie kennt, aber in diversen Kleinigkeiten zeigen sich die Unterschiede zu gängigen Inszenierungen: Bspw. ein sehr zurückhaltender Judas oder ein Jesus, der trotz 39 Peitschenhiebe nicht blutet. Ein toller Einfall ist es, Jesus selbst die Ouvertüre auf der E-Gitarre spielen zu lassen. Das kommt authentisch über die Rampe und schafft eine unmittelbare Nähe zum Publikum. Wie die E-Gitarre in das Finale integriert wird, macht das Stück wunderbar rund.

Holprig wird das Stück durch Leinwandprojektionen links, rechts und im Hintergrund der Bühne, die Nebenhandlungen zum Bühnengeschehen aufmachen. Der Zuschauer muss sich zwangsläufig entscheiden und dabei verliert häufig das Live-Schauspiel.

Auch die Übertitel, übersetzt von Dramaturg Michael Otto, tragen nicht zum harmonischen ganzen bei, beschränken sie sich doch auf den notwendigsten Inhalt und sind weit entfernt davon, die komplexen Inhalte von Tim Rices Texten auch nur ansatzweise korrekt wiederzugeben.

Ein neuartiger Einfall ist die Spiegelung der drei Protagonisten durch Tänzer. So gerät die Ouvertüre zu einem balletthaften Einstieg. Man erkennt die drei wichtigsten Figuren des Stücks und den Kampf miteinander. Diese ausdrucksstarke Choreographie stammt von Alexandre Tourinho. Leider hält er das Niveau nicht bis zum Schluss und so wirken die Ensemblenummern recht schlicht und wenig kreativ auf der Bühne umgesetzt. Wann immer jedoch die Spiegel von Jesus, Maria Magdalena und Judas die Bühne betreten, erfährt das Stück eine ungeahnte Leichtigkeit, die ihm sehr gut zu Gesicht steht. Das ist aber auch der einzig nachvollziehbare Einfall von der Regie: Warum Maria Magdalena aussieht, als käme sie aus der Techno-Bar um die Ecke, Judas hingegen in seinem crème-farbenen Outfit eher wie ein Biederling und Jesus im legeren Alltagsdress über die Bühne wandelt, erschließt sich nicht. Diese bunte Mischung von tradioneller Kleidung bis hin zu postmoderen Outfits zieht sich durchs Ensemble weiter. Einen roten Faden lässt die Arbeit von Katja Schröder jedoch vermissen.

Genauso blass wie sein Anzug bleibt leider auch Judas (Oliver Polenz ). Er hat Patrick Stanke als Jesus rein gar nichts entgegenzusetzen. Auch in seiner großen Szene „Superstar“ verschenkt er die Möglichkeiten, sich stimmlich und schauspielerisch nachhaltig ins Gedächtnis zu bringen. Schade, denn über das notwendige Potential verfügt er allemal.

Wenig beeindruckend agiert und singt auch Tabea Scholz, die jedoch vom Publikum aufgrund ihrer lokalen Zugehörigkeit frenetisch gefeiert wird. Jedoch verfügt sie weder über die Soulstimme noch das -volumen, um Maria Magdalena in all ihren Facetten darzustellen. Auch schauspielerisch reicht sie bei weitem nicht an ihre Rollenvorgängerinnen heran.

Patrick Stanke ragt aus diesem Ensemble meilenweit heraus. Stimmlich meistert er die anspruchsvolle Rolle auf seine ganz besondere Art; auch und gerade „Gethsemane“ gelingt ihm ausgezeichnet, was aber auch an der szenischen Untermalung liegt, die schlichtweg großartig ist.

Seine Kontrahenten, sei es nun Judas oder auch die Priester rund um Kaiphas spielt er problemlos and die Wand. Auch Pontius Pilatus (Roland Fenes) und Herodes (Manfred Wulfert in einer ganz schrecklichen Umsetzung von „Herod’s Song“) spielen nur eine marginale Rolle in dieser Inszenierung. Eine Bedrohung scheint von ihnen nicht auszugehen.

Versöhnlich stimmt das große Orchester unter der Leitung von Rainer Roos. Es verleiht dem Musical-Klassiker den harschen Unterton, den er braucht, um als Rock-Oper zu bestehen. Wäre mehr auf diesem Niveau gearbeitet worden, hätte es weitaus weniger Belanglosigkeiten gegeben und das Publikum hätte seine Freude an dieser Inszenierung. Doch so verpuffen alle großen Songs im Nichts und beim Verlassen des Theaters klingt rein gar nichts mehr nach.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Theater Magdeburg
Premiere: 21. März 2008
Darsteller: Oliver Polenz, Tabea Scholz, Patrick Stanke
Musik / Regie: Andrew Lloyd Webber / Matthias Brenner
Fotos: Theater Magdeburg