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Überzeugende Neu-Inszenierung in Köln

13 Jahre nach seiner Weltpremiere wurde Eric Woolfsons „Gaudí“ überarbeitet und einen Tag vor Heilig’ Abend der Öffentlichkeit präsentiert. Die tourfähige Show gefällt vor allem durch die ansteckende Energie ihrer drei Hauptdarsteller: Aleksander di Capri als Don Parker, Henrik Wager als Marc Winner und Karin Seyfried als Isabella Masini.

„Gaudí“ erzählt die Geschichte des Schriftstellers Don Parker, der ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Sein Vorbild ist der 1852 geborene Baumeister Antoni Gaudí. Genauso wie er lebt Parker nur für die Kunst. Liebe oder andere Lebensfreuden spielen für ihn keine Rolle.

Bis zu dem Tag, an dem Parker den Gaudí-Preis für Literatur gewinnt und über Nacht eine Person des öffentlichen Lebens wird. Die Medien sind hinter ihm her und stellen sein so geordnetes Leben auf den Kopf. Auch der Produzent Marc Winner wittert seine Chance und setzt seine bildhübsche Freundin Isabella auf den introvertierten Autor an, um ihm die Filmrechte für seinen Roman abzuluchsen.

Isabella umgarnt den Schriftsteller und Parker lässt sich auf den Flirt ein. Mehr noch, er spürt zum ersten Mal, dass es auch ein Leben neben seinen Büchern gibt. In Barcelona, wo eine Vielzahl von Gebäuden Gaudís eindeutige Handschrift trägt, kommen sich die beiden näher. Auch wenn Isabella an ihrem Auftrag zu zweifeln scheint und echte Gefühle für Parker entwickelt, führt sie ihren Auftrag dennoch erfolgreich aus. Marc Winners (schlussendlich unbegründete) Eifersucht führt zu einer Auseinandersetzung, an deren Ende der Freitod von Don Parker (wie Gaudí wird er von einem Zug überfahren) und die Hochzeit von Isabella und Marc Winner stehen.

Die ganze Handlung wird immer wieder von einer Kamera von Gaudí TV begleitet. Auch wenn die Idee, das Leben von Don Parker als Sensationsstory einer rücksichtslosen Reporterin zu erzählen, ihren Charme hat, so sind die Auftritte von Gracia Lopez (Stefanie Lämmerhirt) doch eher überflüssig, da sie die Handlung nicht voranbringen.

Aleksander di Capri gibt einen leidensfähigen Don Parker. Er weist die Presse genauso überzeugend und resolut von sich, wie er sich langsam der schönen Isabella öffnet und Gefühle zeigt. Schauspielerisch hat sich di Capri in den letzten Monaten stark weiter entwickelt. Auch wenn die kurze Probenzeit von nicht einmal einem Monat kaum eine intensive Auseinandersetzung mit dem Charakter zulässt, holt er doch das heraus, was machbar ist. Seine Stimmfarbe passt hervorragend zu Balladen wie „Closer to heaven“ oder „Love can be lonely“. Auch bei „Parca Güell“ harmoniert er einwandfrei mit seiner Duettpartnerin Karin Seyfried.

Das Zusammenspiel mit Karin Seyfried funktioniert ausgezeichnet. Man merkt, dass sich die beiden Darsteller mögen. Seyfried gibt eine ebenso so schöne wie berechnende Isabella. Leider ist gerade sie diejenige, die unter der schlechten Aussteuerung von Musik und Gesang am meisten zu leiden hat. So wird erst im zweiten Akt hörbar, dass mit Karin Seyfried eine sehr gute Sängerin engagiert wurde („Forbidden Fruit“). Das Hin- und Hergerissensein zwischen Pflichterfüllung, d. h. Parker zum Verkauf der Filmrechte zu bewegen, und ehrlichen Gefühlen für den so Betrogenen nimmt man ihr ohne Bedenken ab. Schlussendlich ist sie aber doch die Braut des „Bad Guy“ und füllt diese Rolle sehr gut aus.

Der „Bad Guy“ ist der fiese Produzent Marc Winner. Henrik Wager hat schon bei „Poe“ unter Beweis gestellt, dass ihm exzentrische Charaktere liegen. Er hat mit Abstand die dankbarste Rolle, mit den intensivsten Songs. „Money talks“ und „Puppet Master“ sprechen für sich und Wager überzeugt mit seiner ausgeprägten Popstimme. Die Auseinandersetzung mit Isabella gipfelt in dem Duett „Too late“, das sowohl musikalisch als auch schauspielerisch von beiden Darstellern mitreißend umgesetzt wird.

Die drei Hauptcharaktere werden von einem zwölfköpfigen Ensemble unterstützt, das in Tanzszenen wie dem „Tango Güell“ von Kim Duddy perfekt in Szene gesetzt wird. Die Choreographien sind abwechslungsreich und gefallen, selbst wenn sie noch nicht 100%ig synchron erfolgten. Auch die drei Hauptfiguren werden nicht ausgespart. Dass di Capri im Gegensatz zu Seyfried nicht der geborene Tänzer ist, wird aber von Duddy sehr geschickt kaschiert. Auch die futuristischen Kostüme von Robbie Wörsing tragen ihr Stück dazu bei, „Gaudí“ zu einem Musical zu machen, das man sich gern anschaut. Das Finale, „La Sagrada Familia“, wird vom gesamten Ensemble bestritten und ist in seiner kathedralen Akustik kaum zu toppen.

Heutzutage ungewöhnlich ist die Kombination von englischen Gesangstexten und deutschen Dialogen. Grundsätzlich ist daran nichts auszusetzen, doch in diesem Fall sorgte die mangelnde Akustik des Kölner Palladiums dafür, dass die Stimmen der Sänger häufig von den Synthesizer-Pop-Klängen überlagert wurden und damit der Text nicht mehr verständlich war. Insofern ist Konzentration und genaues Hinhören gefragt, wenn man der recht seichten Handlung bis ins Details folgen wollte.

Das siebenköpfige Orchester unter der Leitung von Michel Crosio spielt viele Stücke live, doch man mag nicht so recht glauben, dass dies gänzlich ohne Computer-Unterstützung gelingt. Dafür sind die Melodien doch häufig zu voluminös für nur sieben Musiker. Dennoch ergibt sich musikalisch ein stilsicheres Gesamtbild.

Wenn Komponist Eric Woolfson schon im Vorfeld sagte, „Es ist die beste „Gaudí“-Inszenierung, die es je gab.“ hat er dabei sicherlich auch die Projektionen auf die fünf Großleinwände gemeint. Diese einfache, aber sehr effektvolle Art des Bühnenbildes ermöglicht eine Anpassung an die futuristischen Kostüme genauso wie die Schaffung des Güell Parks oder die Hochzeitskirche von Isabella und Marc Winner.

Ohne einen Vergleich ziehen zu wollen, kann man festhalten, dass die neue „Gaudí“-Produktion mit gut zwei Stunden Dauer kompakt und in sich stimmig ist. Es ist zwar nichts wirklich Neuartiges an dieser Show festzustellen, doch die Art und Weise wie die einzelnen Komponenten miteinander verflochten wurden, ist zweifelsohne gelungen. Wer sich ein modernes Musical mit poppiger Musik anschauen möchte, ist dort sehr gut aufgehoben.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Colloneum, Köln
Premiere: Dezember 2006
Darsteller: Aleksander di Capri, Karin Seyfried, Henrik Wager
Buch / Musik: Eric Woolfson
Fotos: Colloneum Köln