home 2003 Ein Klassiker auf Sommer-Tournee

Ein Klassiker auf Sommer-Tournee

»Hair« gehört neben »Grease« und »Evita« zum Portfolio von Bocksch Concerts und erlebt diesen Sommer ein Revival in den großen Theatern von Hamburg, Berlin und München.

Das Bühnenbild von Dirk Digler ist eher spartanisch: Zwei durch eine Brücke verbundene „Baugerüste“ müssen den 23 Darstellern als Kulisse für das Freiheitsmusical reichen. Einzig die Videoinstallation des Künstlers Kosh auf der gigantischen Leinwand im Hintergrund sorgt für den psychedelischen Flair, den man gemeinhin mit der Hippie-Zeit verbindet.

Das Ensemble besteht aus hervorragenden Sängern und ausgezeichneten Tänzern, die bei dem typischen 70er Jahre Sound von Galt McDermont ihr Können perfekt zur Geltung bringen können. Unterstützt von den originellen und vielfältigen Kostümen (keins hat auch nur im Ansatz Elemente eines anderen), für die Herbert Erhardt verantwortlich zeichnet, wird die Show in englischer Sprache nach den ursprünglichen Texten von Gerome Ragni und James Rado auf die Bühne gebracht.

Im 1. Akt stößt der konservativ erzogene Claude auf eine Gruppe Jugendlicher, die von sozialer Gleichheit und einer klassenlosen Gesellschaft träumen. Claude wird von Shannon Stoeke dargestellt, der die Zwiegespaltenheit des jungen Mannes absolut überzeugend verkörpert.

Unter der Führung von Berger (gespielt von dem blond gelockten Tom Plotkin) trotzen die Jugendlichen den Zwängen der Gesellschaft durch offenes Zurschautragen ihrer langen Haare. Claude fühlt sich mit seinen Visionen und Träumen im Kreise dieser Menschen aufgehoben und wird offiziell in die Gruppe aufgenommen.

Ärger droht als Claude seinen Einberufungsbefehl bekommt und in den Vietnamkrieg ziehen soll; er ist hin- und hergerissen zwischen den Werten, die ihm seine Eltern vermittelt haben und dem Pflichtbewusstsein gegenüber der Gesellschaft. Beim feierlichen Verbrennen aller Einberufungsbescheide in der Gruppe scheitert Claude an dieser schweren Aufgabe. Der erste Akt endet mit einem optischen Knall, denn ausnahmslos alle Akteure präsentieren sich dem Publikum so wie Gott sie schuf, d. h. ohne jegliche Kostüme!

Während sich das Publikum noch fragt, was für Überraschungen diese Inszenierung noch bereithält, nimmt der zweite Akt seinen Lauf. Claude wird in den Krieg ziehen, aber obwohl er die Gruppe damit vor den Kopf stößt, ist sein Abschied geprägt von Liebe und Hoffnung den Freunden gegenüber und der festen Überzeugung, dass letztendlich der Frieden siegen wird. Dies trifft für ihn jedoch nicht zu, denn er wird in Vietnam von einer Kugel tödlich getroffen – all seine düsteren Vorahnungen sind Wirklichkeit geworden. In der letzten Szene nimmt er herzergreifend Abschied von seinen Freunden aus der Gruppe von Berger. Dennoch endet das Stück nicht melancholisch, sondern hoffnungsfroh im Glauben an Liebe und Frieden.

Das Publikum war so begeistert von dem ausgezeichneten Ensemble, dass es die Darsteller, die schon fast in ihren Garderoben waren, noch einmal mit stürmischem Beifall und lautem Jubel auf die Bühne zurückholte und zu mehreren Zugaben animierte.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Schauspielhaus, Hamburg
Premiere: Juli 2003
Darsteller: Tom Plotkin, Shannon Stoeke
Text / Musik: Gerome Ragni / James Rado
Fotos: Wolfgang Bocksch Concerts