home 2003 Kein Stoff für musicalische Träume?

Kein Stoff für musicalische Träume?

Es grenzte ja schon nahezu an ein Wunder, dass bisher niemand die bekannte Geschichte des berüchtigtsten amerikanischen Gangsterpaares der 20er Jahre auf die Bühne eines Musiktheaters gebracht hat.

Vor kurzem jedoch nahm sich Willi Welp des von Paul Graham Brown geschriebenen Stücks an und arrangierte es mit Andrea Simmendinger für das Altonaer Theater in Hamburg neu. Willi Welp ist dem Musicalpublikum als Darsteller aus »Cats« und »Der König der Löwen« wohl bekannt und hat für »Bonnie & Clyde« seine Garderobe zum ersten Mal mit dem Regiestuhl getauscht.

Das Stück orientiert sich nah an der wahren Geschichte und lebt ausschließlich von seinen Darstellern. Sonia Farke’s rauchige, volle Stimme gibt der Bonnie etwas Geheimnisvolles aber zugleich Verletzliches. Jörg Hilger, der sich die Rolle mit Felix Powroslo teilt, nahm für Clyde eine Auszeit von »Mamma Mia!«, wo er zum Ensemble gehört, und gibt dem nach außen hin skrupellosen Clyde mit seiner warmen Stimme viel mehr Herz als manch einer von einem Gangster erwarten würde.

Tilman Madaus ist auf vielen Hamburger Bühnen zumeist in Comedy-lastigen Rollen zu Hause und gibt der Inszenierung als Erzähler und Hilfssheriff Ted den notwendigen seriösen Rahmen. Als Mutter von Bonnie ist mit Barbara Krabbe eine gestandene Frau auf der Bühne, die die Sorge und Verzweiflung einer Mutter sehr gefühlsbetont zum Ausdruck bringt.

Die Musik reicht von Ragtime bis zum Blues, driftet aber auch so manches Mal in die moderne pop-rockige Ecke ab. Leider werden kaum musikalische Highlights gesetzt – von einem Ohrwurm ganz zu schweigen. Man kann guten Gewissens sagen, dass die Intonierung der Gangstergeschichte zu sanft hinplätschert und den abwechslungsreichen Leben der beiden Protagonisten somit nicht gerecht werden kann.

Hinsichtlich der Texte hat das Produktionsteam Mut bewiesen und so wechseln sich deutsche und englische Strophen in ein und demselben Stück ab. Dies führt aber doch bei dem ein oder anderen Zuschauer zu Verwirrung, da man zum einen nicht auf eine zweisprachige Aufführung gefasst war und zum anderen nicht schnell genug zwischen den beiden Sprachen „hin- und herschalten“ kann, um nichts vom Text zu verpassen.

Alles in allem ist »Bonnie & Clyde« eine nette, aber harmlose Produktion, die als Ganzes nicht überzeugen kann. Das

Highlight des Abends sind die ausgezeichneten Jungdarsteller, die darüber hinwegsehen lassen, dass es der Inszenierung deutlich an Spannung und Tempo fehlt.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Altonaer Theater, Hamburg
Premiere: Juni 2003
Darsteller: Felix Powroslo, Sonia Farke, Jörg Hilger
Musik / Regie: Paul Graham Brown / Willi Welp
Fotos: Altonaer Theater