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Eine künstlerische Gratwanderung

Jeder jenseits der 30 kennt Roy Black – einige als Schauspieler, andere als Sänger. Und die meisten wissen, dass Gerhard Höllerich, wie der Künstler mit bürgerlichem Namen hieß, ein tragisches Ende gefunden hat: Er wurde allein in seiner Seehütte gefunden. Bis heute lassen die Umstände, die zu Roy Blacks Herzversagen geführt haben, Raum für Spekulationen. Nur eines scheint klar: Am Ende seines Lebens war der erst 48-Jährige ein gebrochener Mann.

Seit fünf Jahren feilt der Bühnenschauspieler Urs Affolter an seiner ganz individuellen Hommage an den beliebten Schlagersänger und TV-Schauspieler. Fast 20 Jahre nach Roy Blacks Tod bringt er sein Stück nun im Hamburger Kehrwieder Theater zur Uraufführung.

Das Ein-Personen-Stück handelt von Theo. Der Mittfünfziger hat seine geliebte Frau Sabine an den Krebs verloren. Da die beiden mehr als 20 Jahre verheiratet waren, hat ihr viel zu früher Tod ein großes Loch gerissen. Theo flüchtet sich in den Alkohol und baut sich damit seine eigene kleine Welt.

Das Publikum verbringt eine Nacht mit Theo, der im Krankenhaus nach einem Selbstmordversuch versucht, einen Weg aus dem Alleinsein zu finden. Theo betritt die spartanisch dekorierte Bühne im Bademantel und schlurft mit seinem Rollator zum Kühlschrank. Dort wähnte er eine Flasche Sekt, die er mit Sabine gemeinsam leeren und auf ihr Wiedersehen anstoßen wollte.

Aus seiner Tasche fördert er neben einem Foto von Sabine, einer Kerze und drei wunderschönen Rosen, eine Flasche Whisky, ein lila schillerndes Sakko, lila Slipper und Papierlampions zutage. Wofür die letzteren Requisiten wird schnell klar: Sabine war der vermutlich größte Roy Black Fan Deutschlands. Theo hatte in dem Sänger immer einen übermächtigen Konkurrenten. Er hofft inständig, dass seine Sabine ihm erscheint, wenn er ihr großes Idol imitiert.

Und so erleben die Zuschauer einen herzzerreißend leidenden Theo, dessen grenzenlose Liebe zu seiner verstorbenen Frau ihn zum kompletten Idioten werden lässt. Er beschreibt seine Schmerzen, seine Eifersucht, seine tiefen Gefühle in Monologen und Roy Blacks Songs. Mit fortschreitendem Alkoholpegel vermischen sich die Figuren Theo und Roy Black zusehends. Eine nicht ungefährliche Gratwanderung…

Beim Titel „Ganz allein – Eine Nacht mit Roy Black“ mit dem Zusatz „Musical“ erwartet man einen kleinen feinen musicalisch dominierten Abend. Geboten wird einem ein Stück, dass noch nicht einmal als Kammermusical durchgehen würde. Immerhin 15 Songs des Schlagersängers werden von Pianist Bodo Reinke in den 90 Minuten untergebracht, die Theos Leiden dauert. Jedoch wird keiner im bekannten Arrangement vorgetragen und auch kein einziges Lied komplett ausgesungen. Da dürfen Musicalfans zurecht etwas irritiert sein.

Dass Urs Affolter ein sehr guter Schauspieler ist, stellt er eindrucksvoll in den Selbstgesprächen unter Beweis. Theos Trauer ist greifbar und die Grenze zum Wahnsinn wird mehr als einmal überschritten. Die Monologe sind verbittert-bissig und treffen sicher ins Schwarze.

In den Szenen jedoch, in denen Theo mehr und mehr zu Roy Black wird, driftet das an sich ernste Stück ins Travestiefach ab. Das liegt zum einen an der unglaublich schlechten Perücke, die außer der Farbe schwarz keinerlei Ähnlichkeit mit Roy Blacks Schmalztolle hat. Auch die Farbwahl von Sakko und Schuhen stützt diesen Eindruck. Dies alles wäre verkraftbar, wenn Affolter als Roy Black nicht immer wieder tuntenhafte Manierismen an den Tag legen würde. Man fühlt sich leider viel zu häufig an ZaZa – den Star aus „La Cage aux Folles“ erinnert.

Erschwerend kommt hinzu, dass Affolters gesangliche Qualitäten mehrfach sehr zu wünschen übrig lassen.

Würde Roy Black weniger tuntig und gesanglich auf der Höhe porträtiert, hätte das Stück jede Berechtigung als anspruchsvolles Kammermusical bezeichnet zu werden. So jedoch misslingt die Gratwanderung einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem namengebenden Charakter doch recht deutlich.

Insgesamt bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück: Das Thema hat viel Potential und das Buch scheint schlüssig. Der Darsteller agiert herausragend und glaubhaft. Die Umsetzung holpert vor allem in der Figur Roy Black. Aber das könnte man ggf. noch optimieren. Dann ist man auch gern erneut ganz allein mit Roy Black.

Michaela Flint

Theater: Kehrwieder Theater, Hamburg
Premiere: 24. Februar 2011
Darsteller: Urs Affolter
Buch / Regie: Urs Affolter / Cornelius Knüpffer
Fotos: burkert public relations