home 2014 Leider gänzlich misslungene Bühnenfassung der BDSM-Weltbesteller

Leider gänzlich misslungene Bühnenfassung der BDSM-Weltbesteller

Zehn Tage vor der Deutschlandpremiere von 49 1/2 Shades of Grey“ hieß es: Steht weniger drauf, ist aber mehr drin. Wirklich sehr kurzfristig musste die Mehr! Entertainment GmbH den Namen für die deutschsprachige Fassung von „50 Shades of Grey – A musical parody“ ändern. Marketing- und PR-technisch sicherlich ein Alptraum und alles andere als lustig.

Denn genau das soll das Stück ja sein: eine lustige, musikalische Parodie auf den BDSM-Bestseller „Fifty Shades of Grey“ von E. L. James. 70 Millionen Exemplare der Trilogie wurden weltweit verkauft. Da bleibt es nicht aus, dass sich auch Bühnen und Filmemacher diesem Stoff nähern. Es gibt einige parodistische Bühnenadaptionen; die deutsche Version basiert auf der in Los Angeles erfolgreichen Musicalparodie „50 Shades of Grey“, die inzwischen den Zusatz  „The original parody“ trägt, und seit 21. Februar auch in New York zu sehen ist.

Für alle, an denen der Hype um Christian Grey und seine Gespielin Anastasia Steele (Ana) vorbeigegangen ist: Ana springt für ihre Mitbewohnerin bei einem Interview mit dem Milliardär Christian Grey ein. Sie verliebt sich Hals über Kopf und auch Christian ist von ihrer Unschuld sehr angetan. Ohne Umwege führt er die naive junge Frau in seine Welt von Fesselspielen, Doms und Subs, was Ana zunächst überfordert. Aber sie findet zusehends Gefallen an seinen Züchtigungen und als er sich ihr auch emotional öffnet, ihr von seiner traumatischen Kindheit erzählt, verfällt sie ihm vollends.

Gerburg Jahnke (verantwortlich für Buch und Regie) empfängt das erwartungsvolle Publikum mit einer perfekt auf das Stück abgestimmten Ansage: „Mr. Grey befiehlt Ihnen, das Handy auszuschalten!“. Der Auftritt der vierköpfigen Band in Lack und Leder bildet den vielversprechenden Auftakt zu einem spaßig-skurillen Abend.

Was dann folgt, ist jedoch eine Aneinanderreihung von Plattitüden, Banalitäten und Fremdschämen. Diesbezüglich hat sich Jahnke sehr eng an die Buchvorlage gehalten. Beispiele gefällig?: „Du siehst heute aus wie geleckt.“ – „Das wüsste ich aber!“, „Hunger-Pipi-kalt, so sind Mädchen halt!“, „Das Loch tief in mir gehört geflickt!“. Das Niveau könnte kaum geringer sein.

Schöne Ideen wie die Darstellung von Anas innerer Göttin als unrasiertem Mann mit J.Lo-Po im Glitzerfummel sowie das sexy Mobiliar in Christian Greys Appartement kann man dem deutschen Kreativteam nicht positiv anschreiben, da beides aus der US-Produktion übernommen wurde.

In der Musicalparodie ist Ana das Klischee der pummeligen, verunsicherten Jungfrau, die ihre Nase nur in Bücher steckt und von Männern allenfalls als Kumpel wahrgenommen wird. Christian Grey hingegen ist ein kleiner, unangenehm aufdringlicher, wenig eloquenter, sexfixierter Mann mit Zwangsstörungen und ebenfalls einigen Pfunden zuviel auf den Rippen. Entsprechend singen beide auch von „Elefant und Maus“ als sie sich kennenlernen.

Anas Kollege José, das fleischgewordene Vorurteil des stumpfen, eindimensionalen Latino-Lovers, wird mit aller sprachlichen Genialität um sie: „Warum bist Du so spröde, findest Du mich etwa öde?, das wäre blöde.“ Auch sehr treffend: „Ist Deine Mango bereit zum Tango?“

Wenn die beiden Männer um die sie in Breite und Körperlänge deutlich überragende Ana Flamenco tanzen, ist das schon sehr albern. Anas Erkenntnis „Ich bin nicht allein“ zu den Klängen von „I will follow him“ zeigt was für eine wundervolle Soulstimme in Beatrice Reece steckt, wirkt aber irgendwie deplatziert.

Das Stück ist so aufgebaut, dass ein Lesekreis frustrierter Enddreißigerinnen den ersten „Shades of Grey“-Band liest, um wieder mehr Spannung in ihren Beziehungsalltag zu bekommen. Mal schauen die drei von außen auf die Handlung, mal diskutieren sie ihre Ansichten und Erlebnisse, dann plötzlich werden sie Teil der Geschichte, beraten Ana und unterhalten sich mit deren innerer Göttin. Das alles ist sehr verwirrend, durch die zahlreichen Ebenenwechsel nicht sehr konsequent und für den Zuschauer schwer nachvollziehbar.

Extrem affig wird es als Christian (André Haedicke) in einem bauchfreien, rosa Einteiler Ana verführen will, ihr aber gleichzeitig verdeutlicht, dass er kein Gefühlsmensch sei: „Alles was geht, ist ein Fick!“ Dazu tanzt er mit drei überlebensgroßen pinkfarbenen Phallen mit behaartem Skrotum und lässt Sprüche vom Stapel wie „Ihr Ladies von der Düssel, schnuppert mal an meinem Rüssel!“ Das ist so trivial und so bemüht frivol, dass es nicht einmal ansatzweise komisch ist. Das Lachen bleibt einem bei so viel Stillosigkeit und Lieblosigkeit bei der Entwicklung des Charakters im Hals stecken.

Zu Beginn des zweiten Akts werden hinter einer Leinwand Schattenspiele veranstaltet, bei denen von Liebeskugeln über Dildos, Karotten und Auberginen alles Mögliche zwischen die weit gespreizten Beine einer Dame versenkt werden. Wirklich witzig ist auch das nicht…

Ein Mann im Panda-Kostüm verleitet die drei Leserinnen zu einer kurzen Sinnierung über ihre Männer, die wie „ein fauler Panda auf der Veranda“ abhängen. Das einzig Schöne an dieser Szene ist die Melodie des 80er Jahre Hits „Eternal Flame“.

Die sich weiter entwickelnde Beziehung von Ana und Christian wird in „Ein ganz normales Pärchen“ skizziert, während dessen Christian Ana am Halsband hinter sich her führt. Die Texte dieses leider sehr banalen Stücks lassen aufhorchen, bleiben aber auch nicht länger haften. Hier wurde die Chance auf einen Ohrwurm vertan.

Die drei Leseratten werden nun selbst experimentierfreudig, zeigen ihre Lack-/Leder-/Latex-Outfits und geben eine anschauliche Anleitung zum Umgang mit Liebeskugeln inklusive der daraus resultierenden musikalischen Ergüsse von Steeldrums bis Kirchenglocken, die bei jeder Bewegung erschallen. Diese Szene hat durchaus Potential, aber auch hier fehlt das gewisse Etwas.

Vollends ins Trashfach gleitet Anas erste Züchtigung ab: Mit einem überdimensionalen Kochlöffel, einem gigantischen Tischtennisschläger und am Schluss gar mit Darth Vaders Lichtschwert („Ana, ich bin Dein Vater!“) klopft der Mini-Grey auf die einladende Kehrseite seiner Sub Ana.

Nun schlägt die große Stunde von Anas sehr dominanter, innerer Göttin, die sie ganz gezielt in Christians Arme treibt. „Lass es raus“ zu J.Los „Let’s get loud“ inklusive wackelnder XXL-Hinterteile gehört zu den wenigen Highlights der Show. Die Choreographien von Paul Kribbe sind schwungvoll, abwechslungsreich und das Publikum klatscht begeistert mit.

Nach dieser Szene endet die Show plötzlich. Nachdem sich die Irritation darüber gelegt hat, brandet Applaus auf. Wobei es schon befremdlich ist, dass die hauseigenen Mitarbeiter als erstes aufstehen und den Darstellern zujubeln…

Es folgt eine Zugabe „Das Loch war leer, jetzt ist es voll.“ zu „When the saints go marching in“. Der obligatorische Premierenschlussapplaus versiegt direkt nach der Rede von Regisseurin Gerburg Jahnke und das Publikum verlässt den Saal.

Diese Musicalparodie hält leider über weite Strecken nicht, was sie verspricht. Sie ist nicht von dem spitzen Humor gekennzeichnet, den man von Gerburg Jahnke gemeinhin kennt. Im Gegenteil, allzu platte Dialoge und Songtexte (für letztere zeichnet Anna Bolk verantwortlich) lassen das Niveau ins Bodenlose sinken. Die Band unter der Leitung von Jan Christof Scheibe leistet Beachtliches, schafft es aber leider auch nicht, diese Show aus der Belanglosigkeit zu ziehen.

Dort, wo es ein klein wenig Potential gibt, werden die Szenen nicht konsequent zu Ende gestaltet. Mehrfach warten die Zuschauer auf den zündenden Aha-Effekt, den genialen Kniff, aber die Show bleibt banal, unaufgeregt und plump.

Die Darsteller mühen sich redlich, auch wenn man ihnen den Spaß an der Arbeit nicht anmerkt. Beatrice Reece spielt und singt die Ana gut und überzeugend. Kira Primke als Mauerblümchen Susanne und in einer Doppelrolle als Anas notgeile Freundin Katrin sorgt für viele Lacher. Dustin Smalles bringt als José und innere Göttin etwas Schwung und Abwechslung in diese ansonsten recht lahme Show, die weder eine Parodie ist noch ein Trashical, sondern vielmehr den Eindruck eines mit heißer Nadel, zu schnell gestrickten Musiktheaterstücks macht, das aufgrund zahlreicher Löcher und gefallener Maschen unförmig und unpassend wirkt.

Das Publikum hofft die ganze Zeit – insgesamt knapp zweieinhalb Stunden – auf den Höhepunkt, wartet dass sich der Knoten löst und bleibt am Ende doch etwas ratlos und unbefriedigt zurück.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Capitol Theater, Düsseldorf
Premiere: 16. Februar 2014
Darsteller: Beatrice Reece, André Haedicke, Dustin Smalles, Kira Primke
Regie / Musik: Gerburg Jahnke / Jan Christof Scheibe
Fotos: Jens Hauer