home 2015 Kurzweilige Unterhaltung mit viel Lokalkolorit

Kurzweilige Unterhaltung mit viel Lokalkolorit

Es ist wunderbar zu erleben, dass ureigens britische Stücke, die von spitzen Formulierungen und tiefschwarzem Humor leben, auch in Deutschland einen Platz finden können. So bringt in dieser Spielzeit das Schauspielhaus Bochum die absurde Musicalkomödie „Spamalot“ auf die Bühne.

Musicals kennt man in diesem Haus sonst eher nicht, aber vielleicht hat man sich hier gerade deshalb seit Februar 2015 mit allem erdenklichen Einsatz um diese Produktion gekümmert. Herausgekommen ist eine Inszenierung, die nah am Londoner Original ist: 24 Darsteller in 150 Kostümen und unter 40 Perücken, 14 tatkräftige MItarbeiter, die für das Bühnenbild und die Kulissen verantwortlich zeichnen.Nicht zu vergessen, die acht Live-Musiker sowie eine bei Musicals ansonsten eher unübliche Souffleuse.

Das erfahrene Kreativteam hinter diesem penibel vorbereiteten Bühnenerfolg besteht aus Christian Brey (Regie), Anette Hachmann (Bühne und Kostüme), Tobias Cosler (Musikalische Leitung) sowie Kati Farkas (Choreografie). Sie alle leisten in ihrem Fachgebiet sehr gute Arbeit und das Gesamtergebnis ist mehr als gelungen.

Schon bei den einleitenden Worten des Historikers (Daniel Stock) wird deutlich: „Spamalot“ ist kein normales Musical. Hier nimmt sich nichts und niemand ernst. Das Publikum bricht folgerichtig schon beim ersten Getrappel der Kokosnusshufe von König Artus (Matthias Redlhammer) und seinem Diener Patsy (Ronny Miersch) in Lachen aus. Beim anschließenden „Er ist noch nicht tot“ sind die ersten Lachtränen zu erkennen.

Man muss sich auf diese Show einlassen, sonst hat man einfach keinen Spaß. Monty Python war nie und wird nie jedermann‘s Sache sein, doch die Bochumer Inszenierung macht es dem Zuschauer leicht, sich in der wirren Gralssuche von Artus und seiner Tafelrunde zu verlieren.

Ein politisch sehr aktiver Galahad (Dennis Herrmann), der sich ausführlich über die Tümpeltussi und den nicht demokratisch gewählten König Artus auslässt, passt genauso gut ins Bild wie eine Fee aus dem See (Kira Primke), die hochgradig exzentrisch und an eine Popdiva erinnernd, den Rittern ihren Weg weist.

Für erste Juchzer im Publikum sorgt die Stimme Gottes, die von vielen sofort als die von TV-Moderator Harald Schmidt erkannt wird.  Als der in dieser Szene erwähne „heilige Schal“ in Form eines VfB Bochum Schals in die Höhe gestreckt wird, bricht im Publikum lauter Jubel los.

Dies mündet dann einige Szenen später in der direkten Danksagung von Artus an Gott („Harald, ich danke Dir.“) und Bochum („Tief im Westen“). Die an anderer Stelle hinabgelassene Bochumer Skyline macht einmal mehr klar, in wessen Hoheitsgebiet man sich hier befindet.

Während die höhnischen Franzosen fast schon zu nervtötend sind, erntet Bedevere‘s („Bidde wer? Ach ich!“) Präsentation des hölzernen Hasen, den er quasi einmal rund um die Bühne zieht, bevor er bei seinen Mitstreitern ankommt, jede Menge Lacher und Szenenapplaus.

Richtet man sein Augenmerk auf die Bühnenkünstler muss man leider feststellen, dass Matthias Redlhammer zwar ein stattlich-verschusselter König ist, jedoch gesanglich deutliche Defizite aufweist. Kira Primke spielt die zickige Diva hervorragend und zeigt ihre gesangliche Bandbreite. Leider trifft auch sie nicht jeden Ton.

Wett macht dies Ronny Miersch alias der ewig verkannte Diener Patsy. Sein „Always look on the bright side of life“ trägt er mit einem herausragenden britischen Akzent vor und holt aus dieser Nummer alles heraus, was drin steckt. Auch sein „Ich bin allein“ kurz vor dem Finale bleibt als eines der Highlights hängen.

Die taktgenaue Tanz- und Gesangseinlage des (eigentlich überhaupt kein bisschen) tapferen Sir Robin (Michael Kamp) ist urkomisch und auch die vorausgehende Fake-Steppeinlage der vier Tänzer lässt das Zwerchfell hüpfen.

Etwas so noch nicht Dagewesenes bietet das Ensemble anstelle des geplanten Medleys von Andrew Lloyd Webber Songs: Anstatt eines aufgrund von Rechtelizenzen kostenpflichtigen Songs aus Webbers und anderen Musical-Hits stellen die Darsteller die entsprechenden Rollen pantomimisch dar und animieren das Publikum die Refrains der entsprechenden Lieder zu singen. Dies klappt erstaunlich gut und die Zuschauer applaudieren sich danach minutenlang selbst.

Daniel Stock überzeugt als sehnsuchtsvoller Prinz Herbert. Als er zum besten gibt, dass er nicht „g-e-k-u-p-p-e-l-t“ ist, wird noch ein wenig mehr Lokalkolorit hinzugefügt, denn im Saal weiß jeder, dass dies ein Song aus dem seit 1988 in Bochum erfolgreichen „Starlight Express“ ist.

Der bis kurz vor Schluss eher blass bleibende Sir Lancelot (Jan Krauter) hat sein großes Coming Out mit einer farbenfrohen Erinnerung an RTL‘s „Tutti Frutti“ Show aus den 1980er Jahren. Doch diese Regenbogen-überspannte Szene funktioniert choreographisch wie gesanglich hervorragend.

Fast im Vorbeigehen lernt das Publikum noch, dass sich leere Kokosnussschalen auch als Defibrilatoren eignen und dass die Fee aus dem See auf den schönen Namen Jennifer hört.

Das Finale kommt dann etwas plötzlich, ist aber sehr ansprechend inszeniert.

Die Bochumer „Spamalot“-Produktion beinhaltet nahezu alle Monty Python Gags, die man bei der musikalischen Version der „Ritter der Kokosnuss“ erwarten kann: Die Ritter vom Ni fehlen genauso wenig wie der Schwarze Ritter, der seiner sämtlichen Extremitäten verlustig geht. Auch das fiese Kampfkaninchen, Dennis Galahads verdächtig männliche Mutter und die fliegende Kuh der Franzosen fehlen nicht.

Dieser Abend birgt jede Menge Spaß und zeigt, dass Stadttheater, wenn sie sich trauen und das entsprechende Budget statt in Schauspiel oder Oper zur Abwechlsung einmal in neue Musicals investieren, durchaus imstande sind, großen West End Shows das Wasser zu reichen.

Michaela Flint

Theater: Schauspielhaus, Bochum
Premiere: 11. September 2015
Darsteller: Matthias Redlhammer, Ronny Miersch, Kira Primke, Dennis Herrmann, Jan Krauter, Daniel Stock, Michael Kamp
Musik / Regie: John Du Prez & Eric Idle / Christian Brey
Fotos: Schauspielhaus Bochum