home 2015 Dieses Stück steht und fällt mit einer überzeugenden Hauptdarstellerin

Dieses Stück steht und fällt mit einer überzeugenden Hauptdarstellerin

Der 1980er Jahre Film von Tom Hedley und Joe Eszterhas hat nicht nur dank der eindrucksvollen Wassertanzszene von Jennifer Beals Weltruhm erlangt. Erst 25 Jahre später erreichte das Stück auch die Musicalbühnen dieser Welt und wird seither gern und oft in verschiedensten Varianten gespielt. Im Sommer 2015 gehörte „Flashdance“ beispielsweise zum Repertoire bei den Burgfestspielen in Bad Vilbel. Das Staatstheater Darmstadt bringt diesen Herbst eine Wiederaufnahme der letztjährigen Produktion des Theaters Chemnitz auf die Bühne. Vom Bühnenbild über die Kostüme bis hin zu einigen Darstellern wurde nahezu alles unverändert übernommen. Man sollte meinen, dass das Theater hier auf eine sichere Bank setzt und glaubt man dem Jubel des Darmstädter Publikums, geht diese Rechnung auch vollends auf.

Schaut man jedoch genauer hin, bleibt der Spaßfaktor bei dieser Inszenierung weitgehend auf der Strecke. Beginnend bei einer miserablen Tontechnik, der es nicht gelingt, Band und Darsteller gleichmäßig zu steuern, über wenig ansprechende Choreographien (Götz Hellriegel) bis hin zu einer Hauptdarstellerin, die von den Nebendarstellerinnen in den Hintergrund gedrängt wird. Doch der Reihe nach…

Die Band unter der Leitung von Michael Nündel intoniert Robbie Roth Kompositionen mit viel Energie. Leider verpufft davon vieles, da es entweder zu laut oder zu leise ist oder einzelne Instrumente zu stark im Vordergrund stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass mehr als einmal die Darsteller von der Band lautstark übertönt werden.

Hellriegel hat, wie schon zuvor in Chemnitz, Regie und Choreographie übernommen. Während die Inszenierung als solche durchaus schlüssig ist und unterhaltsame Momente hat, erinnern die Choreographien, die in jeder passenden und unpassenden Szene eingebaut werden, an die nur allzu bekannten Aerobic Videos. Auch die beiden Streetdancer helfen nicht, um das Gesamtbild etwas pfiffiger zu gestalten

In die gleiche Richtung gehen die Kostüme von Dietlind Konold: Pointiert eingesetzt, helfen die 80er Jahre Schnitte und Accessoires zur zeitlichen Einordnung der Show. Im Überfluss jedoch – so wie im vorliegenden Fall – wirken sie irgendwann nur albern. Allen voran die mindestens 6-8 Nummern zu großen Latzhosen von Alex Owens, die dieser Figur jenen robusten Charme nehmen, das sie so berühmt gemacht hat.

Als ebendiese Alex steht Nadja Scheiwiller nach Chemnitz nun auch in Darmstadt auf der Bühne: Sie hat ihre Schweißer-Kollegen gut im Griff, kann aber auch ihre weiche, zweifelnde Seite zeigen, bspw. wenn es um ihr Selbstvertrauen hinsichtlich der Aufnahmeprüfung auf der Shipley Academy geht. Gesanglich gibt sie ihr Bestes, vermag aber weder bei den von Robbie Roth für das Musical kreierten Songs noch bei Showstoppern wie „Maniac“ zu überzeugen. Tänzerisch treten ihre Defizite noch viel deutlicher zu Tage: Zweifelsohne kann sie als Musicaldarstellerin tanzen, aber die Erwartungshaltung an das exzellent tanzende Energiebündel Alex Owens kann sie leider in keiner Szene erfüllen. Immerhin sieht die Wasserszene dank ihrer gekonnt eingesetzten lasziven Bewegungen sehr gut aus. Dass sie diese jedoch in einer an eine Duschkabine mit entsprechender Beleuchtung erinnernde Box performen muss, wirkt einmal mehr befremdlich.

Deutlich eindrücklichere Momente haben Anne-Mette Riis als Tess („I love Rock’n’Roll“) und Amani Robinson als Kiki („Manhunt“, „Gloria“, „What a feeling“). Beide verfügen zudem über ein ausgeprägtes komisches Talent, welches sie gut ausspielen können. Gloria und Jimmy, gespielt von Jaqueline Reinhold und Michael Heller, geraten in dieser Inszenierung vollends zu Randfiguren. Bleiben noch Nick (Philipp Dietrich) und C. C. (Tim Al-Windawe), die gemeinhin einen bleibenden Eindruck hinterlassen könnten. Insbesondere Dietrich gelingt dies leider nicht. Er wirkt eher wie ein zurückhaltender BWL-Student als wie der selbstbewusste Spross einer Magnatenfamilie. Al-Windawe ist schön schleimig und unsympathisch, aber die Rolle gibt nicht genug her, um sich nachhaltig einzuprägen.

Trotz all dieser Kritikpunkte sind die Zuschauer begeistert und springen direkt nach dem letzten Ton des Happy Ends auf, um stehende Ovationen zu spenden. Für die Künstler vor und auf der Bühne ist dies der wohlverdiente Lohn für zweieinhalb Stunden harte Arbeit.

„Flashdance“ in Darmstadt ist ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn sich die Intendanz und Dramaturgie eines Stadttheaters nicht trauen, den Schritt hin zur Entwicklung eigener Inszenierungen zu gehen. Schade.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Staatstheater, Darmstadt
Besuchte Vorstellung: 24. Oktober 2015
Darsteller: Nadja Scheiwiller, Philipp Dietrich
Regie:  Götz Hellriegel
Fotos: Michael Hudler