home 2015 Manchmal ist es einfach gut, sich auf Altbewährtes zu verlassen

Manchmal ist es einfach gut, sich auf Altbewährtes zu verlassen

Elisabeth und ihr Tête-à-tête mit dem Tod, der Mörder Lucheni, der ein sehr düsteres, egoistisches Bild der österreichischen Kitsch-Kaiserin zeichnet , Kaiser Franz-Josef und Kronprinz Rudolf, die vergeblich versuchen, Elisabeths Herz zu erreichen – das alles kennt die Musicalwelt schon seit 1992. Das Stück von Sylvester Levay und Michael Kunze hat Pia Douwes und Uwe Kröger unsterblich gemacht – doch nach mehr als 20 Jahren wird es wirklich Zeit für einen Generationswechsel auf der Bühne.

2015 / 2016 tourt Semmel Concerts bereits mit der dritten Tour des Drama-Musicals durch Europa und Asien. Beim Kreativteam verlässt man sich auf „Elisabeth“-erfahrene Experten: Levay kümmerte sich um die Orchestrierung, Harry Kupfer um die Inszenierung, Dennis Callahan mit Doris Marlis um die Choreographien sowie Hans Schavernoch und Yan Tax um Bühne und Kostüme.

Die aktuelle Fassung unterscheidet sich in erster Linie dadurch von der Vorgängerversion, dass den bekannten Charaktere durch die Interpretationen der neuen Darstellerinnen und Darsteller neuer, frischer Wind eingehaucht wird.

Allen voran natürlich Roberta Valentini, die Elisabeth sehr streng und berechnend anlegt. Ihre Stärken liegen ganz klar in der Interpretation der erwachsenen Elisabeth und weniger bei der verspielten, trotzigen Prinzessin. Gesanglich wird sie der anspruchsvollen Titelrolle mehr als gerecht. In keiner Sekunde gibt es auch nur einen Funken Unsicherheit, in die großen Fußstapfen von Pia Douwes zu treten.

Mark Seibert gelingt es als Tod zu überzeugen. Er ist unnachgiebig und zeigt druckvoll, was er von Elisabeth und Rudolf erwartet. Die leisen Töne gehen dabei etwas unter. Die Liebe und Todessehnsucht, die den Tod mit Elisabeth und Rudolf verbinden, hätte von Robert Wann (Associate Director) gern noch etwas deutlicher herausgearbeitet werden können.

Neben Valentini bekam Kurosch Abbasi für seine Darbietung von Luigi Lucheni den meisten Applaus. Er hat sicherlich mit Abstand die dankbarste Rolle, da er viel mit dem Publikum interagieren darf und auch keine Gelegenheit dazu auslässt. Gesanglich wirkt er dennoch manchmal etwas kraftlos, was nicht so recht zu den bissigen Texten seiner Soli passen mag. Doch auch diesmal ist die Szene im „Kaffeehaus“ wieder eine der mitreißendsten Momente des Abends.

Die Nebenrollen – Kaiser Franz Josef I., Kronprinz Rudolf und Erzherzogin Sophie – sind mit Maximilian Mann, Angelika Wedekind und Thomas Hohler rollendeckend besetzt. Jedem von ihnen gelingt es, seinem Alter Ego eine unverwechselbare Handschrift zu geben: So gewinnt Mann das Publikum mit seinen gefühlvollen Duetten für sich, Wedekind gelingt der Wechsel von der gestrengen Kaiserin-Mutter zur gebrochenen Schwiegermutter beeindruckend, und Hohler überzeugt mit seinem Hin- und Hergerissensein zwischen Rebellion gegen den Vater und nicht erwiderter Liebe der Mutter.

Im Gedächtnis bleiben vor allem die Szenen im „Irrenhaus“, die viel beschworenen „Boote in der Nacht“ und die Szene „Hass“, die vielen Zuschauern einmal mehr eiskalte Schauer über den Rücken jagte.

Wenn man ein Musical mehrfach in verschiedenen Versionen gesehen hat und es die Show zudem auch komplett auf DVD gibt, sucht man förmlich nach dem Haar in der Suppe. Im Fall der aktuellen Tourproduktion wird man bei Orchestrierung und Choreographie fündig. Auffallend oft spielt das Orchester unter der Leitung von Paul Christ nicht akzentuiert. Auch einige Tanzszenen werden schlampig umgesetzt und dass obwohl Dennis Callahans Choreographien gerade für akkurate, zackige Bewegungsabläufe bekannt sind. Irritierend wirken auch die scheinbar ungebügelten, zerknitterten Ballkleider und die etwas billig wirkende Lederkluft vom Tod. Und wenn man hinter der durchaus beeindruckenden Videowand die Schatten der Bühnenarbeiter sieht oder das Ensemble, das sich für die nächste Szene aufstellt, mehr als deutlich zu erkennen ist, wundert man sich einmal mehr, warum auf solche vermeintlichen Kleinigkeiten nicht ausreichend Wert gelegt wird.

Doch die Generation Zuschauer, die sich „Elisabeth“ zum ersten Mal anschaut, wird diese kleinen Mängel nicht wahrnehmen, sondern diese gelungene Bühnenshow genießen – und das zurecht!

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Colosseum, Essen
Besuchte Vorstellung: 27. Februar 2015
Darsteller: Roberta Valetini, Kurosch Abbasi, Marc Seibert,Maximilian Mann, Angelika Wedekind, Thomas Hohler 
Musik / Regie: Sylvester Levay / Robert Wann
Fotos: Juliane Bischof